Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Bei etwas Richtigem dabei

Ein Ukraine-Benefiz-Abend als Rückkehr in meine Burg.

Unlängst durfte ich bei einem Benefiz für die Ukraine in der Burg Perchtoldsdorf mitmachen. Der Ort hat für mich eine gewisse historische Bedeutung.  Vor 40 Jahren ging ich dort als Keith Richards verkleidet, mit grau gefärbten Haaren auf ein Faschingsfest und fühlte mich einen Abend lang als Rockstar. Ein paar Jahre später spielte ich dort mit meiner ersten Band, die lächerlicherweise „Jubel 48“ hieß, ein Konzert, führte zu „Honky Tonk Woman“ entfernt gitarrespielähnliche Handlungen aus und fühlte ganz genau: Ich war alles, nur kein Rockstar.

Ebenfalls in diese Zeit fielen meine ersten und letzten schüchternen Gehversuche als Schauspieler: In „Die kahle Sängerin“ von Eugène Ionesco gab ich den Feuerwehrhauptmann, der eine völlig absurde Wortlawine von sich zu geben hat, welche ich aus Faulheit nicht auswendig lernte, sondern improvisierte.

Jetzt kehrte ich in die Burg zurück. Es gab tolle Musik zu hören (Harri Stojka ließ  seine Finger über die Gitarre rasen und schaute dabei drein, als denke er daran, dass er noch Milch einkaufen müsse), die Staatskünstler boten ebenso elegantes wie rotzfreches Kabarett. Das Publikum war bester Stimmung, alle hatten das gute Gefühl, bei etwas Richtigem dabei zu sein.

Bei meinem Auftritt sah ich den ehemaligen Perchtoldsdorfer Bürgermeister in der ersten Reihe sitzen, der vor 40 Jahren meine weißen Turnschuhe in der Nähe von Wiener Neustadt aus einem fahrenden Zug geschmissen hatte. Und links hinten hatte ich eine schon gut eingeölte Lachwurzen, die auf jeden Satz mit spitzen Schreien reagierte.

Backstage traf ich dann einen jungen Musiker, der so scheu war, dass er mir fast leidtat. Man hatte das Gefühl, er konnte kaum gerade stehen  vor lauter Schüchternheit. Dann ging er auf die Bühne, setzte sich ans Klavier und explodierte. Selten zuvor habe ich einen so mitreißenden Auftritt gesehen. Sein Name ist Martin Klein, und ich empfehle ihn und seine Musik ganz dringend.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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