Generation Gap

Gen X vs. Gen Z: Chatten oder Telefonieren?

Im Format "Generation Gap" diskutieren zwei Autoren unterschiedlicher Generationen über ihren Zugang zu alltäglichen Themen.

Gen Z: Chats sind geduldig

Würden Sie den Klingelton Ihres Handy’s erkennen? Ich nämlich nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe mein Smartphone. Zwischen WhatsApp, Wecker und der Mjam-App ist es für die Deckung meiner Grundbedürfnisse absolut essentiell. Ebendieses Smartphone lebt aber seit Jahren im Do-Not-Disturb-Modus und macht maximal durch Blinken auf das Eintreffen einer Chatnachricht aufmerksam. Damit ist es in guter Gesellschaft, ein Merkmal der Kommunikation meiner Generation ist nämlich das nahezu völlige Fehlen freiwilliger Telefonate.

Ich finde das ja ideal, denn der Satz „Lass uns telefonieren!“ löst bei mir nämlich Gefühle aus, die ich eigentlich nach dem Reckturnen im Sportunterricht für immer verloren geglaubt hatte. Oder, um es wie Kafka auszudrücken: „Mir vergeht das Lachen schon, wenn ich ans Telefon nur denke.“ Mir auch, ein Anruf stört nämlich immer. Als Anrufer bleibt einem zwar die höflich-obligatorische Frage „ob’s eh grad passt“ nicht erspart, auch wenn hier die Regeln der Höflichkeit das „ja, ja, natürlich“ diktieren. Weiter geht’s dann durch empfangstechnische Gräben und über Kommunikationshindernisse. Was beim persönlichen Treffen der Gesichtsausdruck und bei der Chatnachricht der Emoji ist, ist beim Telefonieren nur die diffuse Hoffnung, dass am anderen Ende die Ironie auch als solche ankam. Wenn nicht, folgt unangenehme Stille, beendet vom virtuellen Hin-und-Her zweier Personen, die versuchen einander in dieselbe Richtung auszuweichen, und dabei ausnahmslos gleichzeitig zu sprechen beginnen. Eine Chatnachricht dagegen wartet geduldig auf den richtigen Moment – manchmal so geduldig, dass sich Probleme ganz von selbst lösen. Und schneller versendet ist so eine Nachricht auch, immerhin fällt die halbstündige nervliche Vorbereitung -  Stimme aufwärmen, Stichpunkte überlegen, Begrüßung üben, Wasser holen, Toilette, Telefonnummer doppelt checken - eines telefonscheuen Gen-Z’s weg. Also, sparen wir uns doch alle ein bisschen Zeit und Nerven: Falls Sie mir etwas zu sagen haben, schicken Sie mir gern eine Nachricht, eine E-Mail, ja senden Sie meinetwegen Rauchzeichen oder eine Brieftaube, aber bitte, bitte rufen Sie mich nicht an. 

(von Caroline Bischof)

Gen X: Keep it simple

Sich was ausmachen und dann treffen, das war mal eine klare Sache. Am Telefon einigte man sich auf Uhrzeit und Treffpunkt, dann stand dem lustigen Zusammensein nichts mehr im Wege. Schreiben? Auch super. Wären nur nicht die Menschen, die am Handy sitzen. Und die sich gegenseitig mit ausufernden Chats zu leicht zu klärenden Themen quälen: Treffpunkt, Datum, Uhrzeit.

Schon mal versucht, sich in einer WhatsApp-Gruppe auf ein Treffen zu einigen? Und sogar bei nur einem einzelnen Schreib-Gegenüber wird der Chat zum Rendezvous viel zu oft zum Spießrutenlauf.

Wohin gehen wir nachher? Was tun wir, wenn das Wetter schlecht ist? Sind wir da nicht zu früh? Zu spät? Zu pünktlich? Zuletzt: Sollten wir nicht vielleicht gleich verschieben? Das langwierige Verzetteln in Nichtigkeiten raubt einem den letzten Nerv.

Nach der x-ten Nachricht, die auch die letzte Eventualität abwägt, und die ein Treffen unendlich verkompliziert, greife ich zum Hörer und mache die Sache klar. Verbal. Old School. Ewig chatten, um dann ohnehin das zu beschließen, was von Anfang an feststand – dazu fehlt mir immer öfter die Geduld.

Zudem ahnen viele nicht, was ihnen bei einem Relikt aus vergangenen Zeiten entgeht: dem sagenhaften, leichtfüßigen, charmanten Telefonflirt. Der, bei dem man zwei Stunden am Hörer hängt, bis man heiße Ohren kriegt. Der, bei dem man sich minutenlang verabschiedet und dann doch nicht auflegt.

Textnachrichten, pah! Da mag man die Emoji-Lawine des anderen noch so aufgeregt erwarten. Gegen den rasenden Puls, wenn man die Angebetete persönlich am Hörer hat, ist das alles nichts.

Das ist live, keine Simulation. Wie Rennfahren in Monte Carlo. Man muss geistesgegenwärtig reagieren, instinktiv. Nachrichten zurückrufen, das geht hier nicht. Was gesagt ist, wurde gesagt. Und entweder man redet sich um Kopf und Kragen - oder gewinnt die Welt und noch viel, viel mehr.

Davon abgesehen: Wer sich nie mit der Dame vom Taxifunk verabredet hat, weil sie eine tolle Stimme hat, der hat nicht gelebt.

Das hier ist also auch ein Plädoyer. Früher war mehr Lametta. Und wer anruft, ob beim Arzt oder beim Amt, ohne zu wissen, was einem bei dem, der da jetzt abhebt, erwartet, der holt sich im Alltag ein bisschen Prickeln zurück. Es geht darum, das Leben passieren zu lassen. Sich überraschen zu lassen. Thank me later.

(von Alexander Kern)

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