Von Schneewittchen bis Aschenputtel: Kochen wie im Märchen
Ein Kochbuch versammelt Rezepte, kulinarisch inspiriert von Grimms Märchen. Wir präsentieren drei davon. Das Ergebnis: märchenhaft gut.
Wenn es wieder mal an der Haustür klopft, dann ist das nicht immer unbedingt der Lieferdienst, der das bestellte Essen bringt. Manchmal ist es auch der böse Wolf, und die Mahlzeit, die verschlungen werden will, ist man selbst. Zumindest, wenn man sich nicht rechtzeitig in der Pendeluhr versteckt, wie das siebte, das jüngste Geißlein in Grimms Märchen „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“. In Kathleen Beringers „Kochbuch der Märchen“ ist diese Gefahr zum Glück gebannt: „Die Helden der Geschichten werden nicht gegessen!“, lacht die Autorin. Keine Angst also: kein Rehbraten kommt auf den Tisch, auch der Froschkönig landet nicht als Delikatesse auf dem Teller, und die Bremer Stadtmusikanten werden sowieso unter keinen Umständen verspeist.
Für ihr Buch hat Beringer sich der kulinarischen Seite von Grimms Märchen gewidmet und zu 60 köstlichen Rezepten inspirieren lassen. Beim Wolf und den sieben Geißlein etwa zu einer warmen Wurzelsuppe, die der alten Mutter-Geiß helfen soll, sich nach der ganzen House-Invasion-Action mit dem bösen Wolf schnell zu stärken. Auch ein Wolfsbarsch wird – hübsche Idee – kredenzt.
Vor nicht allzu langer Zeit las Beringer, eine Französin, die mit ihrer Familie in München lebt und mehrere Kochbücher geschrieben hat, ihren Kindern selbst noch vor. Sie begann, sich eingehender mit Märchen zu beschäftigen. Und stellte fest, dass Essen in Märchen omnipräsent ist. „Hänsel und Gretel knabbern an den Lebkuchen am Hexenhaus, und Aschenputtel muss erst Linsen lesen, damit sie auf den großen Ball gehen darf“, erklärt die Autorin. Oft ginge es in den Geschichten um die Beschaffung von Lebensmitteln in schwierigen Zeiten. Dann wieder spielen einzelne Zutaten wie Haselnüsse oder Äpfel eine besondere Rolle.
Kalter Hund und Kuss-Kuss
Sie nahm die Arbeit auf und begann, mit einem Leuchtstift alle Adjektive und Referenzen zu markieren, die mit Essen zu tun hatten. Zum Beispiel beim Froschkönig: grün, nass, rund stachen der Autorin da etwa ins Auge. Für ihr Kochbuch verwandelte sie diese Anregungen in Speisen wie Gurkensalat (grün und nass) oder Spinatknödel (grün und rund).
Die adaptierten Rezepte (und damit Ingredienzien wie Avocados oder Cashew-Nüsse) sind auf die heutige Zeit zugeschnitten, zu jedem Märchen gibt es ein komplettes Menü, bestehend aus Cocktail, Vor- und Hauptspeise, sowie Dessert. „Ich wollte, dass die Speisen ausgewogen zusammengestellt sind, mit Fleisch, Fisch, aber auch ein paar veganen Sachen“, so Beringer. „Und viel Gemüse sollte stets dabei sein.“
Zudem sind die Speisen herrlich verspielt: Zur Lovestory um Dornröschen gibt es einen Kuss-Kuss-Salat, bei den Bremer Stadtmusikanten wiederum gönnt man sich zum Abschluss des Märchen-Menüs einen Küchenklassiker – den Kalten Hund, mit viel cremiger Schokolade und Butterkeksen.
Was in Österreich Vogerlsalat und anderswo Feldsalat genannt wird, ist auch als Rapunzel bekannt: Klar, dass die grünen Blätter fixer Bestandteil des Rezepts zur Geschichte um das Mädchen sind, das von einer Zauberin in einem Turm ohne Tür festgehalten wird. Kulinarisch interpretiert müsste der Königssohn zur Errettung der Maid ein Türmchen aus mit Zahnstochern zusammengesteckten Austernpilzen erklimmen. Auch schön: Als Dessert gibt es einen sich aus warmen Äpfeln, Schokokeksen und Joghurt mit Mascarpone zusammensetzenden Prinzenbecher. Schmachten und schmecken sozusagen.
Die Geschichte um eine böse Hexe und ihr vermaledeites Lebkuchenhaus – erraten, „Hänsel und Gretel“ – setzt Beringer unter anderem mit einem Hexenkesseltrunk um. Als Vorspeise wird, so logisch wie deliziös, Brotsalat serviert, als Hauptspeise (zur Feier, weil Hänsel nicht im Backrohr gelandet war) Pulled Pork mit Ofengemüse, und als Nachspeise: Lebkuchen-Crème.
Konzipiert ist das Werk aber vor allem als Buch für die ganze Familie. Beringer wünscht sich, dass es den Lesern damit so geht wie ihr, noch bevor es geschrieben wurde: Dass mit den Kindern gemeinsam ein Märchen gelesen wird – und danach geht man in die Küche und bereitet zusammen zu, was zur Geschichte passt. Das Hantieren mit dem Ofen liegt klarerweise bei den Eltern. Aber beim Teigausrollen oder Kleinschneiden könnten die Kleinen schon mitanpacken. „Es ist ein schönes Erlebnis, gemeinsam zu kochen und die Kinder sind wahnsinnig stolz, wenn dann das fertige Essen am Tisch steht. Im Grunde ist es wie zusammen basteln – nur, dass man das Ergebnis am Ende aufessen darf.“
Das Kochbuch der Märchen
Grimms kulinarische Welt von Kathleen Beringer: Einfache und schnelle Rezepte für die ganze Familie. Ein Märchenkochbuch für Groß und Klein.
erschienen bei Elsa Publishing
erhältlich bei Amazon.de
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