Kärntner Kasnudel: Eine Nudel, die keine Nudel ist

Wer viel und gerne Ski fährt, darf und soll beim Einkehrschwung so richtig genießen. Im Süden des Landes bietet sich dafür eine besondere und weithin bekannte Spezialität an: die Kärntner Kasnudel.

Obacht! Kasnudel ist Kasnudel. Wehe denen, die dazu womöglich lässig Nockerln oder Spatzen sagen. Auch nicht zu verwechseln mit den kleinen Schlickkrapfen, die als Suppeneinlage serviert werden und mit Faschiertem, Knoblauch und Zwiebel gefüllt sind.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Nudel schaut nicht wie eine Nudel aus, Käse ist auch keiner drin. Ihr Name leitet sich vom Nudelteig ab, aus dem sie gemacht wird, daher auch schlicht: Kärntner Nudel. Die Fülle besteht unter anderem aus Topfen, der wird in Kärnten „Kas“ genannt. Ein wenig Geschichtliches: „Im Jahre 1487 wurde die Kärntner Nudel erstmals schriftlich erwähnt. Ein gewisser Paolo Santonino, Sekretär des Patriarchen von Aquileia, berichtete in seinen lateinischen, später ins Deutsche übersetzten Aufzeichnungen über die Reisen durch das Drautal nämlich von fleißzigen Frawen und deren gefertigten Teigewerken mit schmackhaftem Inhalte“, steht im Buch „Kärnten. Küche & Kultur“ von Achim Schneyder (Carinthia).

Wie viel Minze darf’s denn sein?

Heute hat das nahrhafte Gericht auf den Speisekarten der Kärntner Skihütten einen Fixplatz, wie etwa in der Neugarten Almseehütte auf der Gerlitzen, ein Slow-Food-Betrieb. Worauf es bei der Kasnudel ankommt, erzählt Hüttenwirt Johann Maier: „Auf die Fülle natürlich. Bei uns, hier in Mittelkärnten, zur Hälfte Erdäpfel, zur anderen Hälfte Topfen. Wobei es kein einheitliches Rezept gibt, je nach Region werden die Nudeln unterschiedlich zubereitet.“

Von Ost nach West, von Oberkärnten bis Unterkärnten, in jedem Tal hat jede Familie ihr traditionelles Rezept. Das beginnt bereits bei der Frage, ob Ei in den Teig gehört, wie die Fülle beschaffen ist (Hirse, Erdäpfel) und endet beim Thema „Kräuter“. Abgesehen von der Minze können Kerbel, Schnittlauch, Petersilie beigefügt werden, auf der Gerlitzen setzt man auf die typische Nudelminze: „Sie schmeckt intensiv, daher gehen wir sparsam damit um, sie darf nicht dominieren“, so Maier. Dazu kommen Schnittlauch, Salz, Pfeffer und Ei zum Binden. Ob braune, zerlassene Butter oder heißes Grammelschmalz darübergeträufelt wird, ist regional ebenfalls unterschiedlich. Speziell im Südkärntner Raum macht man das mit zerlassener „Sasaka“. Ein Begriff aus dem Slowenischen – für klein gehackten Speck. Auch bei der Größe gibt’s Unterschiede: In Unterkärnten sind die Nudeln oft kleiner, in Oberkärnten fast faustgroß, daher ihr Name „Faustnudeln“.

Warum der Topfen bröseln muss

Nur beim Topfen sind sich alle einig: „Grober Bröseltopfen muss es sein. Den kriege ich von zwei Betrieben aus Arriach“, erzählt Hüttenwirt Maier. Dieser Topfen enthält weniger Flüssigkeit, cremiger Topfen wäre zu feucht. Der Teig ist ein einfacher Nudelteig, aus Mehl, Wasser, Öl. „Wir bereiten ihn einen Tag vorher zu, damit er schön abliegt und bindet.“

Danach beginnt die traditionsreiche Kunst des „Krendelns“, auch „Grandeln“: eine spezielle Technik, mit der die Ränder der Kasnudeln geschlossen werden. Dabei entsteht ein schön geschwungener Rand mit ornamentartigem Muster. Fingerfertigkeit ist gefragt – eine Frage der Routine: „Meine Spezialistinnen schaffen an die hundert Nudeln in der Stunde“, erzählt Maier. Und zitiert einen alten Kärntner Spruch: „A Dirndl, welches nicht krendeln kann, kriagt a kan Mann.“ Darüber ließe sich heutzutage diskutieren, der Hüttenwirt lacht nur: „Wir haben Bäuerinnen, die können das so gut, dass sie schon dreimal geheiratet haben.“ Einfacher geht’s mit einer Gabel oder einem speziellen Teigrad. Im Osten Kärntens ist das Krendeln weniger verbreitet, außerdem sind dort die Nudeln etwas kleiner.

Andere Zeiten, andere Nudeln

Die Spezialität wurde weiterentwickelt, der Fantasie sind keine Grenzen mehr gesetzt. Es gibt sie in Hunderten Varianten – mit Fleisch, Polenta, Prosciutto, Schwammerln. Mit Gansl, Rotkraut, Bulgur, Couscous. Oder süß, mit Kletzen, Beeren, Äpfeln, Nüssen, Lebkuchen. Selbstverständlich kommt sie – zeitgemäß – auch vegetarisch/vegan auf den Teller. Wer’s genau wissen will: In der Schaunudlerei der „Norischen Nudlwerkstatt“ (nudl.at) in Guttaring können Interessierte einen Blick hinter die Kulissen werfen. Inklusive „Live-Grandeln“.

Eine weitere Pilgerstätte in Sachen „Kultnudel“ ist der Gasthof Grünwald im Gailtal. Seit zwei Jahrzehnten laden dort die Schwestern Ingeborg und Gudrun Daberer zum „Nudl Kudl Mudl“ im Herbst. Genießer haben dann die Qual der Wahl – mit mehr als dreißig verschiedenen Sorten.

Nudelkrendel-Kurs bei den Schwestern Ingeborg und Gudrun Daberer im Gasthof Grünwald.

©Kärnten Werbung

Die Produktion ist Chefinnensache – mit etwa 50.000 Stück pro Jahr. Wer sich von ihnen etwas abschauen mag: Beim „Nudelkrendeln“-Kurs können Laien das kunstvolle Verschließen der Kärntner Delikatesse lernen.

Rezept

Kärntner Kasnudel

Vorbereitung: 90 min
Zubereitung: 50–60 min
Portionen: für 4 Personen

Dieses Rezept stammt von der bekannten Kärntner Köchin Sissy Sonnleitner (Quelle: kaernten.at)

Für den Teig
250 g griffiges Weizenmehl
100 ml kaltes Wasser
Mehl mit Wasser zu einem festen Teig kneten und in Folie eine Stunde rasten lassen

Für die Fülle
350 g Bröseltopfen
400 g mehlige Erdäpfel
120 g Butter
3 EL gehackte Zwiebeln
100 g Lauch
2 EL Semmelbrösel  
2 EL Sauerrahm
gehackter Kerbel

  • Lauch in feine Streifen schneiden
  • Geschälte Erdäpfel in Salzwasser weich kochen. Pressen
  • Zwiebeln und Lauch in Butter goldgelb anlaufen lassen und mit den restlichen Zutaten unter die Erdäpfelmasse mischen
  • Teig und Fülle zu Nudeln verarbeiten, auf ein bemehltes Blech legen. In Salzwasser 8 Min. kochen
  • Herausheben, abtropfen lassen, auf einen vorgewärmten Teller geben und mit flüssiger brauner Butter begießen. Dazu wird gemischter Salat serviert
Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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