Glutamat

Glutamat-Mythen: Ist das "Super-Gewürz" wirklich ungesund?

Der Geschmacksverstärker Glutamat ist umstritten und gilt als gesundheitsschädlich. Eine Expertin klärt auf, was daran dran ist.

Von Markus Grafenschäfer

Diese weißen Kristalle haben es in sich. Schon in kleinen Mengen sorgt Glutamat für einen herzhaft-würzigen Geschmack ­– auch Umami genannt – auf der Zunge. Der Geschmacksverstärker ist seit Langem ein beliebtes Hilfsmittel in vielen Laboren der Lebensmittelindustrie. 

Doch innerhalb der Bevölkerung genießt Glutamat mitunter einen zweifelhaften Ruf und gilt sogar als gesundheitsschädlich. Von Nebenwirkungen oder gar allergischen Reaktionen ist die Rede. Doch was ist dran am Mythos?

China-Restaurant-Syndrom – so nennt sich die historische Erklärung für den schlechten Ruf des Glutamats. Vor allem ab den 1960er-Jahren berichteten Besucher von chinesischen Restaurants, die üblicherweise den Geschmacksverstärker beim Kochen einsetzen, von Reaktionen wie Hautausschlag, einem Juckreiz im Hals, kribbelndem Mund oder gar Herzklopfen. „Das wurde dann auf das Glutamat zurückgeführt“, sagt Britta Schautz, Ökotrophologin und Verbraucherschützerin bei der Verbraucherzentrale Berlin. 

Sie sagt, es sei nicht bewiesen, dass von Glutamat wirklich ein Gesundheitsrisiko ausgehe.

Natürliches Glutamat in vielen Lebensmitteln

Tatsächlich befindet sich in jedem Organismus natürliches Glutamat. Es dient hier als Neurotransmitter, also als Botenstoff, so Schautz. Vor allem proteinreiche Lebensmittel enthalten viel Glutamat, etwa Fleisch, Fisch oder Milch, aber auch Tomaten. Schautz: „Je reifer die Tomate, desto mehr Glutamat ist drin.“ Erklärung: Glutamat ist das Salz der Glutaminsäure, die wiederum zu den Aminosäuren gehört und ein Baustein von Eiweißen ist.

Frühere Studien erweisen sich als „wissenschaftliche Lüge“

Laut Schautz gehe von Glutamat kaum ein Risiko für den Körper aus, „eben weil wir es dort ja brauchen“. Frühere Studien, die gesundheitliche Beschwerden aufzeichneten, hätten sich inzwischen als „wissenschaftliche Lüge“ herausgestellt. Die Reaktionen auf Glutamat seien pseudoallergisch, sagt die Expertin. Es gebe keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass der Stoff in der Allgemeinbevölkerung negative Auswirkungen für die Gesundheit hat. 

Mögliche Überreaktionen möchte die Ernährungswissenschaftlerin, die unter anderem im ZDF-Format „besseresser“ als Expertin auftritt, allerdings nicht völlig ausschließen: „Möglicherweise kann es bei empfindlichen Menschen dazu kommen, wenn zu viel des Stoffes aufgenommen wird. Es gibt aber keinen Nachweis für eine Allergie auf Glutamat.“

"Unerwünschte Folgen" bei Überdosierung

Zu einem ähnlich differenzierten Urteil kommt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das sich auf ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus 2017 stützt. Die EFSA hat einen als sicher geltenden Grenzwert von 30 Milligramm Glutamat pro Kilogramm Körpergewicht und Tag festgelegt – den sogenannten Acceptable Daily Intake (ADI). Werde diese akzeptable Aufnahmemenge über eine längere Zeit überschritten, könne es zu „unerwünschten Folgen“ kommen, so das BfR auf Nachfrage.

Ihre Einschätzung entnimmt die EFSA mehreren Fallberichten und Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Aufnahme von Glutamat hinweisen. Bei besonders empfindlichen Menschen könnten circa 43 Milligramm Glutamat pro Kilogramm Körpergewicht und Tag Beschwerden des sogenannten MSG-Symptomkomplexes auslösen, teilt das BfR mit. „Dazu zählen unter anderem ein brennendes Gefühl im Nacken, Brustschmerzen, Übelkeit, Herzklopfen und Schwäche.“ Aber: „Diese Studien wurden nur mit einzelnen beziehungsweise wenigen Probanden durchgeführt.“ 

Weitestgehend unbedenklich

Deshalb seien die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Glutamat und gesundheitlichen Auswirkungen „mit Unsicherheiten behaftet“, urteilt das BfR. „Zudem wurden diese Symptome zumeist bei vergleichsweise hohen Mengen an Mononatrium-Glutamat, die nicht in Kombination mit Lebensmitteln verabreicht wurden, beobachtet. Wie in dem EFSA-Gutachten beschrieben, sind solche Symptome allenfalls nur selten zu erwarten.“ Glutamat ist demnach weitestgehend unbedenklich, kann nur in Ausnahmefällen und in sehr hohen Mengen zu Beschwerden führen.

Lebensmittelindustrie: Glutamat statt teurer Zutaten

Den schlechten Ruf führt Schautz daher auch auf einen anderen Grund zurück: Die Lebensmittelindustrie nutzt das günstige und leicht zu lagernde Glutamat gern in Fertigprodukten wie Tütensuppen oder Saucen. „Je mehr davon drin ist, desto mehr teure Zutaten kann der Hersteller sparen“, so die Expertin. Außerdem lasse sich der Geschmack des Lebensmittels dadurch standardisieren. „Als Verbraucher weiß ich aber wiederum, dass der Hersteller hier an geschmacksstarken Zutaten spart.“

Inhaltsstoff-Schummelei

In einigen Fertigprodukten ist Glutamat deswegen von der Zutatenliste verschwunden – doch oft nur augenscheinlich. Geschmacksverstärker sind trotzdem drin – etwa in Form von Sojasaucenpulver, Würze oder Hefeextrakt. Letzteres ist ein Konzentrat der löslichen Inhaltsstoffe von Hefezellen. „Es enthält viele Proteine und Aminosäuren und deshalb auch einen hohen Anteil an Glutaminsäuren“, erklärt Schautz. 

Die Lebensmittelindustrie nutze die Alternativen, um den Einsatz von Geschmacksverstärkern gegenüber den Konsumenten zu verschleiern, sagt Verbraucherschützerin. Denn anders als Glutamat gelten sie als Zutat und nicht als Zusatzstoff, müssen also nicht als solche oder durch eine E-Nummer – Glutamate tragen die Nummern E620 bis E625 – gekennzeichnet werden. Schautz kritisiert: „Es ist wie Tabu-Spielen mit dem Lebensmittelrecht: Was geht gerade noch so und was ist schon verboten?“

Über Marianne Lampl

Digital Producer bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit. Geboren im Burgenland, für den Besuch einer Kunstschule mit 13 Jahren nach Wien gekommen. Studierte dann Jahre später in Graz doch Journalismus und arbeitete schließlich in Wien beim ORF, bei Heute und PULS24.at, unter anderem als Ressortleiterin für Szene, Lifestyle, Entertainment und Kultur. Seit 2024 bei freizeit.at.

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