Marktgeschichten über Junges Gemüse: So verwendet man Chicorée
Im März schnappen wir uns auf dem Markt einen alten Bekannten, den Chicorée, der uns schon den ganzen Winter über begleitet. Nützliche Tipps und ein Rezept für den Frühling.
Auch wenn ich gestern Schneeglöckchen und Winterlinge beim Hundespaziergang bewundert habe, der eiskalte Wind, der mich auf dem Markt erwischt, erinnert mich daran, dass Winter und Frühling zurzeit darum kämpfen, wer bei uns gerade das Sagen hat. Ich bringe Erol und seinen Marktstandlern ihren Kaffee und betrachte das Salatangebot. Ich erspähe Radicchio, Zuckerhut und Chicorée, die gezähmten Vertreter der gemeinen Wegwarte, die bei uns überall wild wächst.
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"Hast du gewusst, dass Chicorée ein junges Gemüse ist?“, frage ich den Ältesten, der im Café am Familientisch über seinen Computer gebeugt sitzt. "Um seine Entstehung ranken sich wilde Revolutionsgeschichten. Niederländische Bauern vergruben Zichorien, um ihren Ersatzkaffee zu sichern, bedeckten die Wurzeln mit Laub und waren beim Ausgraben erstaunt, knackige, mild-bittere Knospen vorzufinden.“ Ein wenig beschämt, war Geschichte in der Schule doch ein Lieblingsfach von mir, füge ich hinzu: "Dass Belgien auch erst so spät – 1830 – durch die Loslösung von den Niederlanden entstanden ist, habe ich nicht gewusst. Auf jeden Fall wird in Frankreich, Belgien und Holland viel Chicorée gegessen, vorwiegend gedünstet, bei uns dagegen wird er meistens roh im Salat verspeist“. – "Ist halt auch superknackig und gibt ein wenig Farbe und Geschmack in kargen Wintermonaten“, stimmt mir der Älteste zu, der gerne seine Freunde bekocht.
Ich eile zu Daniel in die Küche und hole mir Anregungen für das bittere Gemüse. Ich denke an die zartlila Blüten der Wegwarte, die mich an die ersten Leberblümchen erinnern, die ich in den Bergen erspäht habe. Der Anblick der Chicoréeknospe, die frisch und knackig an ihrer behaarten Wurzel wächst, ist so drollig, dass ich ihn mit allen, die gerade im Café sind, teile. Auch auf die Gefahr hin, ein wenig wunderlich zu wirken, kann ich keine Gelegenheit auslassen, die Menschen anzuregen, regionales Gemüse zu essen.
Zuhause in meiner Küche befolge ich Daniels Anweisungen. Beim Stöbern in der Gewürzlade fällt mir roter Kampotpfeffer in die Hände, ich glaube, er wird dem Chicorée den letzten Schliff verpassen. Karamell wird goldgelb geschmolzen, das Zichoriengewächs angebrutzelt, mit frischem Orangensaft abgelöscht und kurz geschmort. Der Saft wird nochmals mit Butter verfeinert (oh, diese Köche, bei den Mengen an Butter ist es kein Wunder, dass alles nochmal so gut schmeckt) und beim Verkosten muss ich mich zusammenreißen, um nicht den gesamten Sud auf einmal auszulöffeln. Süß-salzig-zartbitter, mit den herrlichen Noten des außergewöhnlichen Pfeffers, warum habe ich nicht schon öfters Chicoréegemüse zubereitet?
Später beim Nachtmahl entsteht eine rege Diskussion über Essensvorlieben und das Kennenlernen neuer Speisen. Unser jüngstes Gemüse, das Pipsi, darf am Chicorée herumkauen und wird ihn, als junge Europäerin, später sowohl gedünstet als auch roh essen. Es lebe die Vielfalt!
TIPP
Chicorée immer lichtgeschützt, am besten im Kühlschrank, aufbewahren.
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