Sie erfand einen Aperitif und ist Argentiniens erste Kellermeisterin

Ana Paula Bartolucci will mit dem Garden Spritz den Aperitivo-Markt aufmischen. Dazu revolutionierte sie Argentiniens Wein-Szene. Wie sie Winzerin bei Chandon wurde.

Wo Ana Paula Bartolucci auftaucht, knallen meist die Korken. Und es wird prickelnd. Berufsbedingt, versteht sich.

Sie ist Kellermeisterin beim Schaumweinproduzenten Chandon in Argentinien, der zum Luxuskonzern LMVH gehört. Bartlucci ist die erste Frau in dieser Position in dem lateinamerikanischen Land seit 60 Jahren.

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Sie hat für das Haus den Chandon Garden Spritz erfunden, mit dem das Unternehmen den Aperitivo-Markt erobern will.  Kürzlich war sie in Wien, um für das Getränk zu werben. 

Junge Winzerin in Argentinien

Eine Kellermeisterin sorgt in einem traditionellen Weinland wie Argentinien schon auch für Verwunderungen. "Wenn ich zu einem Treffen in der Branche komme, sind manche überrascht. Nicht nur, weil ich eine Frau bin, sondern auch relativ jung. Die erwarten einen alten Mann." Vor ihnen steht dann kein – Vorsicht Klischeealarm –  kein kerniger Mann mit angegrauten Schläfen, Wohlstandsbaucherl und kariertem Hemd, sondern eine Frau Anfang 30 mit langen Haaren, breitem Lächeln und lässig-elegantem Outfit.

"Aber es kommen immer mehr Frauen nach. Wir müssen scheinen und zeigen, dass wir einen guten Wein machen. Vor zehn Jahren war das noch viel schwieriger." Und zum Glück haben Pionierinnen die Tür geöffnet, durch die sie und andere durchmarschieren können.

Eine Frau mit langen Haaren und lässig-eleganter Kleidung steht zwischen den Weinreben und lächelt

Ana Paula Bartolucci zwischen den Weinreben in Mendoza. Dort hat Chandon Argentinien seine Güter

©(c) Moët Hennessy

Aufgewachsen in der berühmten Weinregion Mendoza entwickelte Bartolucci schon früh eine Bewunderung für Wein. "Hier bist du von Weinbergen und Weingütern umgeben. Und ich wollte da reingehen und sehen, was da drinnen passiert." Ihr Vater vermittelte ihr ein Praktikum im Betrieb eines Freundes. Sie war begeistert und studierte an der renommierten Don-Bosco-Universität in El Salvador und absolvierte Praktika in Spanien und Südafrika.

Und da erfuhr sie, dass Chandon Önologen suchte, die in der Kellerwirtschaft firm sind. "Die Konkurrenz war groß. Es gab 400 Bewerber und nur 12 schafften es in die engere Auswahl." Sie durchlief einen sechsmonatigen Interview-Marathon. Das Unternehmen wollte nicht nur jemanden mit önologischem Know-how, sondern auch mit Kommunikationstalent und Innovationsgeist. 

Schaumwein statt Rotwein

Als Argentinierin hatte sie natürlich viel mit Rotwein zu tun, aber nicht mit Schaumwein. Ihre Finesse musste sie erst entdecken. "Sie haben nicht diese starken Aromen. Sie sind sehr subtil. Das zu verstehen, war meine Herausforderung. Ihr Vorgänger hat sie eingearbeitet - und ihre Geschmacksnerven trainiert - und zwar gewissenhaft. "Ab elf Uhr morgens haben wir verkostet." Sie sieht aus, als hätte sie nicht alles getrunken, sondern brav ausgespuckt. "Nach sieben Jahren verstehe ich die Trauben, das Terroir, die verschiedenen Methoden der Schaumweinherstellung."

Wer Wein trinke, müsse nicht unbedingt den Parker-Weinführer auswendig gelernt haben. Der Rebensaft solle nicht einschüchtern, sondern schon auch Spaß machen: "Ich glaube, die Branche hat einen Punkt erreicht, an dem alles intellektualisiert ist.  Wir vergessen oft das Wesentliche: den Genuss“, sagt sie einmal Le Figaro. Das Elitäre ist nicht so ihr Ding. "Ich glaube, dass es unsere Aufgabe als Önologen ist, Weine herzustellen, die für jedermann zugänglich sind."

Anna Paula Bartolucci erfand den Chandon Garden Spritz

Und so ein demokratisches Getränk ist der Chandon Garden Spritz, den sie aus Sekt, Orangen, Kardamom, Enzian und einigen anderen geheimen Zutaten kreiert hat. Für die Farbe sorgt der landestypische Rotwein Malbec.

Eine Sektflasche mit einer Orange auf dem Etikett liegt auf einem Haufen Orangen

Ein wichtiger Bestandteil des Chandon Garden Spritz sind Orangen.

©(c) Moët Hennessy

Für den Aperitif bekam sie den Auftrag, in Bars zu gehen und Trends aufzuspüren. Es gibt wohl schlimmere Jobs. Aus den Besuchen destillierte sich eine Erkenntnis heraus: Die Aperitvo-Kultur wächst seit Jahren beständig und auch die Barkeeper setzen auf die bewährte Kombination: "Säure und Bitter". Und im bitteren Segment ist sie zu Hause. Im wahrsten Sinne des Wortes. "In Argentinien trinken wir fast immer und überall Unmengen von Mate, wir sind den Geschmack gewohnt."

So trinkt man Chandon Garden Spritz

  •  Als Sommerdrink wird der Schaumwein mit Eiswürfeln, Orangenscheiben und Rosmarinzweigen serviert
  • Im Winter gibt man statt Rosmarin eine Zimtstange hinein.
  • Chandon passt aber auch zum Aufspritzen von Cocktails - etwa von Negroni: Gleiche Teile Gin, roter Wermut und Campari auf Eis rühren, in ein mit Eiswürfeln gefülltes Glas geben und mit dem Schaumwein aufgießen. Mit Orangenzeste garnieren.

Doch man muss nicht mit dem kräftigen Geschmack der belebenden Blätter aufgewachsen sein, um ihren Chandon Garden Spritz zu trinken. So bitter ist er nun doch nicht, dafür fruchtig. Bartolucci tüftelte, kostete, verwarf Ideen und Rezepturen.

64 Versuche bis zum passenden Aperitif

Es sollte dauern, bis die ideale Zusammensetzung gefunden wurde. "Der 64. Versuch ist es geworden." 

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Nur in den zuckersüßen USA lässt er schon mal den Mund verziehen. "Denen ist er zu bitter."

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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