Der große Gatsby im Smoking, gespielt von Leonardo DiCaprio, prostet mit einer Champagnerschale. Im Hintergrund explodiert ein Feuerwerk.

Champagner: Von ausschweifenden Festen und sagenhaften Busen

Champagner ist der Star jeder Party. Warum er zum Wein der Könige wurde und was es mit der Busenform der Champagnerschale auf sich hat.

Ein Jahr geht zu Ende, und die Welt dreht nach Weihnachten schon wieder am Korken. Es zischt, es sprudelt, es knallt – und viele stehen mit der Champagnerschale in der Hand zu Silvester da, als seien sie der große Gatsby oder Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffany". Zu besonderen Anlässen muss es dann doch Schampus sein. Da braucht man nicht mit Bier, Himbeerbowle oder Brennnesseltee daherkommen.

Hehre Häupter vertrauen für besondere Anlässe schon lange auf exklusive Tropfen – Frankenkönig Chlodwig bekannte sich am 25. Dezember 496 in Reims in der heutigen Champagne zum Christentum und ließ sich dort mit 3.000 Gefolgsleuten taufen.

Fast alle französischen Könige wählten die Stadt für ihre Krönung, und die Feiern danach waren nichts für Sparfüchse. Prachtvolle Bankette, bei denen der Wein – damals noch still – zum Symbol des Königtums wurde. Er war nicht einfach nur ein Getränk, sondern das Lebenselixier des Adels, der "Wein der Könige".

Ludwig XIV. und Madame de Pomapdour liebten Champagner 

Ludwig XIV., der Sonnenkönig und unbestrittene Meister des verschwenderischen Feierns, wusste, was gut ist: Als der Champagner zu sprudeln begann, machte er ihn kurzerhand zu seinem Hauswein. Doch der Aufstieg des perlenden Luxusgetränks wäre ohne die tatkräftige Unterstützung einer anderen schillernden Figur nur halb so glamourös verlaufen: Madame de Pompadour.

Sie war nicht nur Stilikone und Lieblingsmätresse von Ludwig XV., sondern auch die inoffizielle Botschafterin des aufstrebenden Weinguts Moët et Cie, gegründet 1743. Bei einem ihrer legendären Abendessen im Hôtel de Ville gingen 1.800 Flaschen Champagner über die Tische.

Ist die Champagnerschale dem Busen nachempfunden?

Ihre Begeisterung für Champagner war so legendär, dass sich hartnäckig das Gerücht hält, die typische Champagnerschale – die Coupette – sei nach ihrer Brust modelliert worden. Eine Geschichte, die so interessant wie falsch ist. Dieselbe Anekdote wird übrigens auch Marie Antoinette angedichtet.

Doch während Madame de Pompadour noch zu jung war, um überhaupt Wein zu trinken, und Marie Antoinette noch nicht einmal geboren, stießen die französischen Höflinge längst mit Gläsern an, die der Coupette verdächtig ähnlich sahen. Das Gemälde "Die Austernmahlzeit" von Jean François de Troy aus dem Jahr 1735 zeigt ein ausschweifendes Mittagessen mit Austern und Schaumwein – und gilt als das erste Bild, das den prickelnden Wein in Szene setzt.

Der Grund für die Busenform des Glases liegt eher im Funktionalen als im Erotischen, wie der Kulinarik-Experte Thomas Zilm einmal für Glas und Teller erklärte: Im 17. Jahrhundert war der Schaumwein noch nicht gefiltert, das Rüttelverfahren, das abgestorbene Hefe eliminiert, noch nicht erfunden. Mit einem breiten und offenen Glas ging es aber sehr gut, die Sedimente der Flaschengärung zu entsorgen.

Marilyn Monroe sitzt auf einem Sofa, hat ein weißes Kleid an und eine Champagnerschale in der Hand.

Marilyn Monroe in "Der Prinz und die Tänzerin" mit Champagnerschale

©mptv / picturedesk.com

Sein goldenstes Zeitalter erlebte der Champagner in den 1920ern. Nach dem Schock des Ersten Weltkriegs gab es trotz – oder gerade wegen – vieler Entbehrungen kein Halten mehr. Champagner floss in Strömen, bei Bourgeoisie wie Bohème. Der Tanz auf dem Vulkan musste entsprechend begossen werden.

In den Vereinigten Staaten stand Champagner während der Prohibition nicht nur für Exklusivität, sondern auch für Rebellion. Ob im Varieté, beim Ball oder in der Flüsterkneipe, die Champagnerschale war immer mit dabei. Feiern wie der große Gatsby.

Könnte man meinen. Denn obwohl es rund um Fitzgeralds Figur wild zugeht, trinkt der mysteriöse Bursche nicht wirklich viel Champagner. Der Grund liegt in seiner Jugend, wo er auf einer Jacht arbeitete: "Bei wüsten Gelagen kam es zuweilen vor, dass die Frauen Gatsby Champagner ins Haar rieben." Klassischer Fall von zu viel des Guten.

James Bond trinkt nicht nur Martini

Während der Held der Literatur dem Schaumwein in der Schale abschwört, sind die Heldinnen der Leinwand ganz verrückt nach Champagner: Marilyn Monroe in "Der Prinz und die Tänzerin" etwa. Marlene Dietrichs Lola feiert mit dem verschrobenen Professor Rath im "Blauen Engel". Und James Bond ist nicht nur auf seinen Vesper-Martini scharf. Er ordert für seine privaten Partys mit schönen Damen immer seine Champagner-Hausmarke Bollinger. Wobei er – dem Zeitgeist entsprechend – kaum mehr auf die Schale zurückgreift, sondern aus Flöten trinkt.

Audrey Hepburn sitzt auf Kisten. Vor ihr steht eine Flasche Champagner mit Schale. Daneben sitzt der Kater aus Frühstück bei Tiffany

Audrey Hepburn als Holly Golightly liebt in "Frühstück bei Tiffany" Champagner 

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Schale, Flöte, Tulpe

So elegant die Schale auch aussieht, sensorisch ist sie kein Meisterwerk. Die breite, flache Form mag auf Bildern nach purem Luxus aussehen. In der Praxis lässt sie die Perlage schneller verpuffen, als man "Prost" sagen kann. 

Wer seinen Schaumwein wirklich genießen will, greift aber auch nicht zur Flöte. Besser sind die Tulpen, die die feinen Bläschen länger am Leben halten, oder Weingläser. Doch bevor die Coupette vorschnell ins Abseits gestellt wird: Für Cocktails ist sie bestens geeignet. Die großzügige Oberfläche bietet Platz für Aromen.

Aber manchen ist das egal, die verschütten Champagner zur Siegesfeier lieber, als sie ihn trinken. Der Ursprung für solch verschwenderische Zeremonien liegt in Le Mans im Jahr 1966: Ford stand vor einem historischen Dreifachsieg. Henry Ford II ließ für die Feier mehrere große Flaschen Moët & Chandon aufs Siegerpodest stellen – eine symbolische Geste, nachdem Enzo Ferrari sein Kaufangebot abgelehnt hatte.

Ford schwor daraufhin, Ferrari auf der Rennstrecke zu schlagen. Das gelang. Auch Porsche-Pilot Joseph Siffert erhielt als Klassensieger Champagner, doch die Hitze ließ während der Siegerhymne den Korken ausfahren. Ein Jahr später schüttelte Dan Gurney die Flasche absichtlich und duschte Fans und Teamkollegen. Sein erstes Opfer: Jo Siffert.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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