Carolin Pienkos und Cornelius Obonya sitzen auf einer Bank. Sie hat den Arm um ihn geschlungen, beide schauen sehr freundlich

Carolin Pienkos und Cornelius Obonya: „Theater sollte etwas mehr Demut lernen“

Das Ehepaar Carolin Pienkos und Cornelius Obonya inszeniert die Oper „Der Liebestrank“ in Gars am Kamp. Wie sie zusammenarbeiten, was sie am Sprechtheater stört.

Seit rund 20 Jahren sind sie ein Paar. Seit 2018 inszenieren der als Charakterdarsteller bekannt gewordene Cornelius Obonya und Regisseurin Carolin Pienkos gemeinsam Opern. Etwa „Die Fledermaus“ an der Mailänder Scala und die „Zauberflöte“ in St. Margarethen. In Gars am Kamp führt das Künstler-Ehepaar Regie bei Gaetano Donizettis „L’elisir d’amore“ – „Der Liebestrank“ (13. Juli bis 3. August). Vor der Premiere des Stücks sprachen sie noch mit der freizeit über Gegensätze und Gemeinsamkeiten - und ob sie Good Cop, Bad Cop spielen.

Braucht es manchmal bei Ihrer Zusammenarbeit einen Liebestrank? Oder ist sie immer harmonisch?

Carolin Pienkos: Das funktioniert eigentlich immer harmonisch. Umso mehr, wenn wir an einer Oper arbeiten dürfen. Wir lieben es, in der Vorbereitungszeit miteinander zu überlegen, was wir erfinden und erzählen wollen.

Haben Sie beide zuvor eine gewisse Vorstellung und finden zueinander? Oder haben Sie eventuell sogar die gleichen Ideen?

Obonya: Das ist unterschiedlich, aber meistens haben wir ähnliche Ideen. Zumindest eint uns ein Humor und eine ästhetische Vorstellung.

Pienkos: Wenn man nicht komplett einer Meinung ist, dann muss man seine eigene Meinung begründen. Es wäre schade, wenn wir uns allzu einig wären.

Was gefällt Ihnen so an der Oper „Der Liebestrank“? Am Inhalt kann es nicht liegen. Oder bekomme ich dafür eine auf den Deckel?

Pienkos: Und wie! Die Musik ist unglaublich schön. Und auch die Geschichte. Es geht darum, dass wir an uns selber glauben sollen. Es gibt viele Wunderelixiere und es gibt Wunderversprecher, aber letztendlich liegt die wahre Kraft in der Verwandlung und in dem, was wir wollen. Es braucht kein Wunderelixier und keine Hochstapler und Betrügereien. Wir müssen nur an uns selber glauben, dass wir zu Veränderungen fähig sind.

Obonya: Zwei Menschen verlieben sich ineinander. Das ist an sich eine ganz einfache Story. Der Weg zur Liebe kann holprig sein, steinig sein. Und ich glaube, das kennt jeder von uns.

Gibt es bei Ihrer Regiearbeit den Good Cop und den Bad Cop?

Pienkos: Ja, aber wir verraten nicht, wer wer ist.

Obonya: Ja, manchmal ist das so. Aber es gibt keine Aufteilung: Du machst das, ich mach das. Wir besprechen jeden Probentag vor. Dann sagt man, dieses und jenes soll geschehen. Und dann geht man hoffentlich gut vorbereitet in die Probe.

Pienkos: Manchmal sagt man: Moment, da bist du jetzt aber sehr streng gewesen.

Zur Person

Carolin Pienkos wurde in Osnabrück geboren, studierte  Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft. Am Burgtheater begann sie als Assistentin von Andrea Breth und inszenierte ab 2002.

Cornelius Obonya zählt zu den berühmtesten Schauspielern des Landes. Er war Jedermann bei den Salzburger Festspielen, spielte im Fernsehen im Tatort. Mit Pienkos hat er einen Sohn. 

Gibt es Dinge, wo Sie sagen: Hier ist mein Mann, hier ist meine Frau besser? 

Obonya: Auf jeden Fall. Meine Frau hat den Regieberuf von der Pike auf gelernt. Ich bin der Quereinsteiger. Ich kann dafür manchmal gewisse Sachen den Leuten um einen Schuss schneller performativ klarmachen.

Pienkos: Manchmal ist es gut, jemandem etwas vorzuspielen, was wir genau wollen. Ich bin dann diejenige, die tatsächlich in den Endproben den konzeptionellen Blick wieder darauf hat.

Wie war das zum Beispiel bei einem Stück wie Coriolan, am Akademietheater im Jahr 2016? War es für Sie als Schauspieler schwierig, von der Ehefrau Anweisungen zu bekommen? Beziehungsweise für Sie als Ehefrau schwierig, dem Ehemann Anweisungen zu geben?

Pienkos: Nein, im Gegenteil. Cornelius hat natürlich meine Vorbereitungszeit mitbekommen. Dadurch waren wir beide schon auch auf das Stück vorbereitet. Und wir beschäftigen uns gerne mit den wirklich spannenden Fragen. Bei Coriolan geht es um Populismus. Als wir das Stück 2016 gemacht haben, ging es um den Brexit und Donald Trump wurde das erste Mal Präsident der Vereinigten Staaten.

Obonya: Wir sind seit über 20 Jahren ein Paar. Es gilt: Arbeitsgeschichten sind Arbeitsgeschichten und alles andere kommt danach.

Obonya und Pienkos stehen einander umarmend vor einem Bruegel-Bild im Kunsthistorischen Museum Wien

Obonya und Pienkos arbeiten „eigentlich immer harmonisch“ zusammen  

©Ulrik Hölzel

Ihren Mann reizt das Sprechtheater nicht mehr so, weil ihm die großen Erzählungen fehlen. Finden Sie das auch, Frau Pienkos?

 Pienkos: Darin sind wir uns leider vollkommen einig. In zeitgenössischer Literatur finde ich selten, was mir oftmals klassische Literatur erzählen kann. Klassiker hatten über Jahrhunderte viel zu erzählen und die Menschen konnten sie immer wieder neu ausdeuten. Mir fehlen Geschichten, die im klassischen Sinne einen Konflikt beschreiben mit Figuren, die dementsprechend dialogisch handeln können.

Obonya: ... und die auch einen Konflikt miteinander haben. Ich kann die Überschreibungen nicht mehr hören und nicht mehr sehen. Lernt erst mal die alten Dinge wirklich mal so zu verstehen, wie sie waren und wie sie sind. Dann können wir uns vielleicht neu über Interpretationen unterhalten. Aber vieles davon deckt einfach nur die Tatsache zu, dass kaum noch jemand von den Autoren in der Lage ist, richtige Dialoge zu schreiben. Plötzlich sitzen wir im Kino und erfreuen uns an Star Wars und erfreuen uns an anderen Dingen, wo die Leute lustigerweise auch miteinander reden. Aber manchmal dreht sich die Kunst nur noch um sich selbst und wird zu einem ewig selbstreferenziellen Kreislauf. Da muss man dem Originalitätsdruck, der da herrscht, ununterbrochen nachgeben und noch irgendetwas Wahnsinniges erfinden.

Was zum Beispiel?

Ich habe 16 Medeas auf der Bühne. Sie sind Frauen oder Männer oder gar nicht oder umgekehrt oder dazwischen. Das kann man mal machen, finde ich. Das hat alles seine Berechtigung. Aber mir sagen Lehrer, dass sie mit ihren Schulklassen nicht mehr für einen Klassiker ins Theater gehen können. Theater sollte wieder etwas mehr Demut lernen, denke ich.

Was macht das Musiktheater anders?

Pienkos: Man kann es nicht in diesem Sinne dekonstruieren, weil tatsächlich die Musik einen Rahmen bildet. Musik ist ein zusätzliches Mittel, um eine Geschichte zu erzählen.

Obonya: Man wird gerne ins konservative Eck gestellt, aber ich habe es gerne, wenn ich aus einer Oper gehe und zweieinhalb Tage die Melodien nicht aus dem Kopf kriege. Dann hat der Komponist gewonnen. Ich mag es, wenn mich etwas in die Brust trifft. Ich muss nicht unbedingt von vornherein gleich dazu verdonnert werden, das Hirn anzustrengen. Wir wollen andere Dinge nicht verteufeln. Es muss nur ein bisschen wieder die Balance hergestellt werden.

Welches Projekt wollen Sie beide unbedingt einmal verwirklichen?

Obonya: Verdi.

Pienkos: Don Carlos. Wir haben uns intensiv mit dem Werk beschäftigt. Und weil wir auch mit Schillers Don Carlos im Schauspielbereich gearbeitet haben.

Sie beide äußern sich immer wieder politisch. Muss oder soll man das als Künstlerin, als Künstler machen? Und die Gretchenfrage: Kann Kunst etwas verändern? 

Obonya: Kunst verändert nichts. Sie hilft. Wenn es das alles nicht gäbe, hätten wir uns längst mittels mehrerer Bürgerkriege wieder in die Höhlen geschossen. Wir sind dazu da, auch Dinge zusammenzuhalten – neben dem Thema, dass Kunst einfach nur unterhalten soll. Niemand muss sich politisch äußern. Wenn man schon das Glück hat, Menschen erreichen zu können, soll man die Prominenz verwenden, sich zu anderen Dingen zu äußern. Also, wenn man gefragt wird. Bei mir sind es Antisemitismus oder Umweltfragen.

Pienkos: Ohne Kunst und Kultur hätten wir keine Art von Identifikation mit einem Leben, das wir eigentlich führen wollen. Kunst und Kultur schaffen Visionen und die Möglichkeit, das Leben auch zu gestalten. Bildung ist ein Schlüssel zur Veränderung. Und wir können etwas Neues erfahren, was man nicht in Worte fassen kann. Das menschliche Dasein geht über das normale Sich-Ernähren, Schlafen, Aufstehen, Arbeiten hinaus. Und das macht das Leben erst lebenswert.

Herr Obonya, wie halten Sie es denn heuer mit den Salzburger Festspielen? Im Vorjahr gab es einen gewissen Konflikt mit Herrn Hinterhäuser wegen der Eröffnungsfeier. Sie haben wegen der ÖVP-FPÖ-Landesregierung dafür plädiert, die Eröffnungsfeier zu verlassen.

Obonya: Ich hatte eigentlich nie einen Konflikt mit Herrn Hinterhäuser. Das war ein willkommenes Ding für die Medien. Er hat mir was ausgerichtet, was nicht sehr charmant war. Ich habe versucht, da sachlich drauf zu antworten. Für mich ist diese Sache erledigt.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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