Vater mit Kind

"Das bringt Väter zunehmend unter Druck"

Mehr denn je wollen Männer eine aktive Rolle im Leben ihrer Kinder einnehmen. Wie sich globale Unruhen auf das Papabild auswirken

Es war ein trauriger Zufall, dass sich der Begründer des österreichischen Vatertags wenige Jahre nach seiner Erfindung plötzlich als Alleinerzieher wiederfand. Beinahe hätte ihm das Jugendamt seine beiden Kinder weggenommen, erzählte der damals 96-jährige Helmut Herz 2016 im KURIER-Interview. Ein alleinerziehender, verwitweter Vater? In den 1960er-Jahren noch undenkbar. Oder zumindest schwer bedenklich.

Seine Anekdote zeigt, wie stark sich die Bedeutung von Vätern in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat. Papas sind längst nicht mehr auf die Rolle des Erzeugers und Ernährers festgelegt, sondern wechseln Windeln, schieben Kinderwägen, planen Geburtstagspartys. Männliche Alleinerzieher sind zwar immer noch die Minderheit, rufen aber auch kein Jugendamt mehr auf den Plan.

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Aufholbedarf

Haben Papas – 68 Jahre nach dem ersten Austro-Vatertag – also mit den Müttern gleichgezogen? Antworten lieferte diese Woche eine Erhebung aus Österreich: Der Anteil der Väter, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ist nicht nur sehr gering (und Schlusslicht in der EU), er sinkt sogar. Dass Papas als Folge für normale Betreuungsaufgaben Applaus ernten, während Mütter oft kritisch beäugt werden.

Die Soziologin Eva-Maria Schmidt befasst sich am Institut für Familienforschung seit Jahren mit den veränderten Ansprüchen an Väter. Und sie weiß: Die eine Verhaltenserwartung, das eine Rollenbild gibt es heute nicht, sondern viele, die integriert werden müssen. "Sie wollen und sollen ihre Kinder betreuen und gleichzeitig durch Vollzeiterwerbstätigkeit das finanzielle Auskommen der Familie sichern. Das bringt Väter zunehmend unter Druck."

Auch wenn der Eindruck ein anderer sein mag: Aktive Vaterschaft ist auch heute nichts Selbstverständliches, sagt Schmidt. „Väter müssen sich bewusst und oft 'gegen den Strom' entscheiden, wie sie Vaterschaft gestalten. Dabei fällt auf, dass der Mutter oft unhinterfragt eine größere Entscheidungsmacht und Betreuungskompetenz eingeräumt wird.“ Auch hier ist die Tendenz nämlich rückläufig: "Der Anteil an Elternpaaren, bei denen die Frau maximal 20 und der Mann mindestens 40 Stunden arbeitet, ist in den vergangenen Jahren gestiegen."

Klima, Krise – Kind?

Glaubt man internationalen Untersuchungen, entscheiden sich ohnehin immer mehr Junge gegen Kinder – zu groß die Angst vor Klima, Krieg und finanzieller Belastung. In einer neuen Umfrage vom Kinderwunschzentrum an der Wien war zumindest jeder zweite Mann der Meinung, dass man sich das Kinderkriegen aufgrund der Weltlage überlegen sollte.

Ob sich Vaterschaft lohnt, bleibt am Ende eine individuelle Abwägung und ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, weiß auch der Familienberater Thomas Benoni. In seiner Praxis wird er täglich mit den Sorgen von Vätern konfrontiert – sofern sie es schaffen, sich emotional zu öffnen. "Nach wie vor ist es so, dass es in der Regel die Mütter sind, die Unterstützung suchen und die Väter in den Prozess 'mitbringen'", berichtet Benoni. "Allerdings geht die Tendenz sehr wohl in die Richtung, dass sich mehr und mehr Väter aus eigener Initiative Unterstützung in belastenden Themen suchen."

Die Entwicklung spiegelt sich auch in der Rechtssprechung im Bereich getrennt lebender Eltern wider, wo seit einigen Jahren deutlich mehr Fokus auf Doppelresidenzen und gemeinsame Obsorge gelegt wird. "Gerade in Zeiten des globalen Wandels geben mehr Männer ihrer Rolle als Vater mehr Bedeutung", beobachtet Benoni. "Sie wollen ihre Kinder beim Aufwachsen begleiten und nicht nur zusehen. Sie wollen mitgestalten." So, wie es "Mister Vatertag" Helmut Herz vor 60 Jahren vorgelebt hat.

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