Reverse Nepo Baby: Wie Margaret Qualley ihre Mutter berühmter macht

Andie MacDowell ist wegen ihrer Tochter plötzlich wieder "cool". Ben Stiller, Miley Cyrus - berühmte Kinder pushen immer auch die Eltern.

Der Februar hat für Schauspielerin Andie MacDowell eine besondere Bedeutung. Zu Beginn dieses Monats findet in Punxsutawneym, Pennsylvania der Murmeltiertag statt – ein Ereignis, bei dem ein Murmeltier das Wetter für die kommenden Wochen vorhersagen soll. 

Dieser Tag bildet die Grundlage für jenen Film, der MacDowell in den 1990er-Jahren berühmt machte: "Und täglich grüßt das Murmeltier". In dieser Zeit spielte MacDowell auch in weiteren erfolgreichen Produktionen mit: "4 Hochzeiten und ein Todesfall", "Scheinehe mit Hindernissen" oder "Vier lieben dich". 

Trotz ihrer langjärhigen Karriere, erlebte die 66-Jährige derzeit eine surreale Welle der Beliebtheit. "Ich bin auf einmal cool", sagte sie im Interview mit Talkshow-Master Jimmy Fallon, "weil ich Margaret Qualleys Mutter bin". 

Ihre Tochter Margaret Qualley war kürzlich für einen Golden Globe als Beste Nebendarstellerin im Film "The Substance" nominiert. MacDowell erzählt, dass sie Fanpost von Teenagern erhalte, die ihr schreiben, wie wunderbar sie sei. "Ich habe das Gefühl", sagte sie im Interview, "dass mir gerade umgekehrter Nepotismus (orig.: Reverse Nepotism) wiederfährt".

Mit 66 plötzlich cool bei den Teenagern: "Mutter" Andie MacDowell

©APA/AFP/SAMEER AL-DOUMY

Der Begriff Nepotismus leitet sich vom lateinischen Wort nepos (Neffe) ab und beschreibt generell die Vorteile, die jemand durch erfolgreiche (ältere) Verwandte erhält. 2022 wurde der Ausdruck "Nepo Baby" populär, nach einem Tweed über Maude Apaotow, Tochter des Regisseurs Judd Apatow und Schauspielerin Leslie Mann, viral ging. Maude Apaotow wurde für die Erfolgsserie "Eurphoria" gecastet; das löste eine Debatte über familiäre Verbindungen in der Unterhaltungsbranche aus. 

Jüngere Zielgruppe erschließen

"Vom Reverse-Nepo-Baby-Effekt spricht man, wenn berühmte Eltern vom Erfolg ihrer Kinder profitieren", erklärt Lisa Gotto, Professorin für Filmtheorie an der Universität Wien. 

Dieser Zugewinn zeige sich beispielsweise in der Anschlussfähigkeit an eine jüngere Zielgruppe und einem gesteigerten Bekanntheitsgrad – etwa durch die wachsende Followerzahl auf Social-Media-Plattformen, und verstärkter Berichterstattung in den Medien. Daraus können sich dann neue Angebote aus der Unterhaltungsbranche oder der Mode- und Kosmetikindustrie ergeben. 

Uniprofessorin Lisa Gotto: "Die Nutzung familiärer Beziehungen hat im Unterhaltungssektor einen neo-feudalen Beigeschmack."

©Barbara Mair

"Mit höher Reichweite hängt stets ein Status-Gewinn zusammen: Wer mehr Menschen erreicht und wer häufiger in den Medien stattfindet, profitiert auch ökonomisch davon."

Miley Cyrus und Ben Stiller: Karriereboost für die Eltern

Das Phänomen ist jedoch nicht ganz neu. Der Country-Musiker Billy Rae Cyrus wurde Anfang der 1990er-Jahre mit seinem Hit "Achy Breaky Hear" berühmt, doch mit Ende des Millenniums begann sein Erfolg zu schwinden – bis seine Tochter Miley Cyrus die Hauptrolle in der Disney-Serie "Hannah Montana" übernahm. 

Ähnlich ging es Jerry Stiller. Er war Mitte der 1990er-Jahre durch die Serie "Seinfeld" und Comedy-Auftritte mit seiner Frau Anna Meara bekannt. Als sein Sohn Ben Stiller durch Filme wie "Verrückt nach Mary", "Zoolander" oder "Nachts im Museum" zu einem der größten Comedy-Filmstars wurde, rückte das Jerry wieder in den Fokus.

Jerry Stiller und Anne Meara mit ihren Kindern Amy und Ben

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Kirk Douglas, wiederum, war im Goldenen Zeitalter einer der größten Stars Hollywoods, bekannt für Klassiker wie "Spartacus" und "Wege zum Ruhm". Sein Sohn Michael Douglas sorgte mit "Basic Instinct", "Eine verhängnisvolle Affäre" oder "Wall Street" dafür, dass der Familienname in Hollywood weiter bekannt blieb. Und später erwachte durch seinen Erfolg das Interesse an seinem Vater neu. 

Neu-feudaler Beigeschmack

"Für den popkulturellen Erfolg haben breit ausgebaute Netzwerke stets eine zentrale Rolle gespielt", meint Lisa Gotto. "Allerdings hat die Nutzung familiärer Beziehungen im Unterhaltungssektor einen neo-feudalen Beigeschmack, denn es geht hier immer auch um die Stärkung bereits bestehender Privilegien."

Aber warum faszinieren uns Star-Dynastien eigentlich so? "Erfolg hat etwas unheimlich Faszinierendes. Und gleichzeitig beruhigt es uns, wenn die Welt um uns einer gewissen Logik folgt. Und so erklären wir sie uns gerne in Geschichten", sagt die Wiener Psychologin Christina Beran

"Der Dynastiegedanke, die Vorstellung, dass Talent vererbt wird, ist eine solche Erzählung, eine Story.“ Es gibt Archetypen: die Kronprinzessin, der Mentor – und oft auch einen Konflikt. Ein bisschen wie in einem modernen Märchen.

Andie MacDowell 2024 auf dem Laufsteg für L'Oreal bei der Paris Fashion Week

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Darüber hinaus ist Andie MacDowells Aussage aber noch aus einem anderen Blickwinkel interessant. Der Begriff Nepo Baby wird in der Regel abwertend verwendet, doch die Schauspielerin hat ihn positiv für sich genutzt. 

"In der Psychologie nennt man das Reframing“, sagt Christina Beran. "Man nimmt ein Thema und gibt ihm eine neue Bedeutung." Ein konkretes Beispiel: Scheitert man an einer Aufgabe, kann man entweder sagen: Ich habe versagt, ich bin schlecht. Oder man wechselt die Perspektive und erkennt: Ich habe etwas Wertvolles gelernt. "Durch das Zuschreiben einer alternativen Bedeutung übernimmt man die Kontrolle über die eigene Erzählung und durch die so gewonnene Autonomie wird aus einer Geschichte des Scheiterns eine von Erfahrung."

Man wirkt authentisch und kraftvoll – mit oder ohne berühmten Verwandten.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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