Fantastische Tierwesen auf Papier - und wo sie zu finden sind

Die Sonderschau „Des Kaisers schönste Tiere“ im Prunksaal der Nationalbibliothek schlägt die Brücke vom Zoo zum Museum.

Wenn sich Herrscher Haustiere zulegen, geschieht das selten nur aus Liebe zu den Geschöpfen: Eine „Menagerie“, wie sie an europäischen Höfen der Neuzeit üblich war, sollte auch etwas über die Weitläufigkeit des Reiches und den Kenntnisreichtum des Königs, Kaisers oder Fürsten sagen. Dass dabei keine Ratten oder Würmer gehalten werden konnten, versteht sich: Die Identifikation mit dem Herrscher war gewünscht, und so kam es, dass etwa Prinz Eugen, der edle Ritter, einen Löwen im Belvedere hielt.

Dass die Grenze zwischen lebenden und ausgestopften Tierwesen sowie bildlichen Darstellungen in so einer herrschaftlichen Sammlung fließend verlief, geht im modernen, in kunst- und naturgeschichtliche Kriterien geteilten Ausstellungswesen oft verloren. Die Schau „Des Kaisers schönste Tiere“, bis 26. 6. im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, hilft, die Verbindungen zwischen Zoo und Museum wieder zu entdecken.

©Österreichische Nationalbibliothek

In drei Kapiteln erklärt die Schau die Hintergründe der habsburgischen Natur-Sammelfreude: Dynastische Beziehungen führten etwa dazu, dass 1552 der erste Elefant – als Geschenk Philipps II. von Spanien – nach Wien gelangte und dort zur Attraktion wurde.

Eine Brasilien-Expedition, 1817 im Auftrag von Kaiser Franz II./I. gestartet, wurde zu einem 18 Jahre währenden Sammel-Trip, der zahllose Tiere, tot wie lebendig, nach Wien brachte. Was nicht in der 1752 gegründeten Menagerie in Schönbrunn landete, ging als Präparat ins „Hofnaturalienkabinett“ (ein Grundstock des Naturhistorischen Museums). Und es wurde dort gezeichnet und gemalt.

©Österreichische Nationalbibliothek

Der unter Kaiser Ferdinand I. (1793 – 1875) angelegte Schatz von rund 10.000 Aquarellen ist der wahre Star der ÖNB-Schau. Denn wenngleich die Hofmaler auf Detailtreue und „Lehrhaftigkeit“ Wert legten, erfüllten sie ihre Vorlagen mit Leben und transportierten sie vom Sammelkabinett in imaginierte Landschaften zurück: Kunst und Fantasie fanden so, quasi durch den Hintereingang, mit der Naturkunde zusammen.

Michael Huber

Über Michael Huber

Michael Huber, 1976 in Klagenfurt geboren, ist seit 2009 Redakteur im Ressort Kultur & Medien mit den Themenschwerpunkten Bildende Kunst und Kulturpolitik. Er studierte Publizistik und Kunstgeschichte und kam 1998 als Volontär erstmals in die KURIER-Redaktion. 2001 stieg er in der Sonntags-Redaktion ein, wo er für die Beilage "kult" über Popmusik schrieb und das erste Kurier-Blog führte. Von 2006-2007 war Michael Huber Fulbright Student und Bollinger Fellow an der Columbia University Journalism School in New York City, wo er ein Programm mit Schwerpunkt Kulturjournalismus mit dem Titel „Master of Arts“ abschloss. Als freier Journalist veröffentlichte er Artikel u.a. bei ORF ON Kultur, in der Süddeutschen Zeitung, der Kunstzeitung und in den Magazinen FORMAT, the gap, TBA und BIORAMA.

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