Flath-Earth-Theorien zum Trotz: Das teure G'riss um den Globus

Globen verkörperten beinah magische Macht, leuchteten in Wohnzimmern, wurden vom Handy verdrängt - und sind, um bis zu 80.000 Euro, zurück.

Sie sind rund, oft schmuckvoll verziert, meist ziemlich groß, auf jeden Fall unhandlich – definitiv nichts für die Westentasche. Sie sind ein Statement. In einer Zeit, in der wir uns mit dem Finger durch sämtliche virtuellen Karten dieser Erde wischen, und uns das Handy jede Abzweigung zwei Mal sagt, sind Globen so eine Art Dinosaurier. Oder vielleicht eher Botschafter aus einer anderen Zeit, denn ausgestorben sind sie nicht.

Wobei wir nicht von bunten Plastikgebilden sprechen wollen oder gar Wasserbällen, die eine annähernde Oberfläche der Erde aufgedruckt haben – Globen waren immer eine ernste, aufregende und beinahe magische Angelegenheit. Und ein paar Hersteller gibt es noch, die diese Tradition aufrecht erhalten. 

Einer davon kommt, wie könnte es anders sein, aus dem traditionsverliebten England: Peter Bellerby, und er hat eben ein Buch über seine Arbeit herausgebracht. "Der Globenmacher" heißt es, mit dem Untertitel: "Wie das Bild unserer Welt entstand".

Neben großartigen Fotos aus seiner Werkstatt im Norden Londons bietet es auch die durchaus abenteuerliche Entstehungsgeschichte seines Betriebes. Denn Bellerby kommt keinesfalls aus einer der alten britischen Kartografenfamilien, die seit Sir Francis Drake die Welt vermessen – und mittlerweile die Globen-Produktion komplett eingestellt haben. Eigentlich wollte er seinem Vater, einem ehemaligen Schiffsbauer, nur ein besonderes Geschenk zum 80. Geburtstag machen: einen Globus.

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:

  • Aus der Zeit gefallen? Früher gab's auch nicht mehr Flatearther als heute
  • Die Welt war - beinahe - immer schon eine Kugel
  • So können wir an alten Abenteuern teilhaben
Globenmacher

Das Eckige muss aufs Runde – um eine Fußballweisheit in abgewandelter Form zu bemühen. Das "Wie" ist allerdings auch hier gar nicht so einfach ...

©euan myles

Nachdem er in England keinen Hersteller fand, bastelte er selber einen, kurzerhand darf man an dieser Stelle nicht sagen, denn er brauchte weit über ein Jahr, zum Geburtstag bekam sein alter Herr doch nur die üblichen Socken. 

Bis zu 80.000 Euro

Wie das Ganze vor sich ging, und wie daraus schließlich "Bellerby & Co. Globemakers" wurde, eine Manufaktur, die weltweit Globen für 1.400 bis 80.000 Euro verkauft, beschreibt er in seinem Buch auf amüsant britische Art. 

Peter Bellerby

Auch Peter Bellerby benutzt Google Maps, um von A nach B zu gelangen. Aber seine Globen inspirieren, "um von A nach B zu wollen"

©harry mitchell

Dass Peter Bellerby damit ohne großen Business-Plan in eine Marktlücke stieß, mag daran liegen, dass Globen gerade in einer Zeit des digitalen Wisch-und-weg eine Art atavistischen Anker bieten. Weil sie uns an eine Zeit erinnern, als die Welt noch ein Rätsel war und das Wissen über sie kostbar wie Gold. Damals hatten sie ihre Blütezeit. 

Gefahren und Wunder hinter jeder Flussmündung

Auch darauf geht Bellerby in seinem Buch natürlich ausführlich ein. Jene Zeit, als hinter jeder Flussmündung an entfernten Küsten Gefahren und Wunder auf den warteten, der sich ins Landesinnere wagte. Wenn die bauchigen Segelschiffe nach jahrelanger Fahrt wieder in die europäischen Häfen einliefen, dann hatten sie etwas von diesen Wundern dabei – und sei es nur im Wissen um neue Inseln, unbekannte Seewege, Beschreibungen neuer Küstenlinien und Aufzeichnungen zu unbekannter Flora und Fauna. 

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Das war es zumindest, was die Kartografen der Renaissance und des Barocks interessierte, die alle neuen Erkenntnisse in ihre Werke einfließen ließen. Und mit einem Globus hatte man dieses Wissen, die ganze Welt quasi, in der Hand. Es muss ein beinahe magisches Gefühl gewesen sein, damals. Nicht umsonst repräsentiert der berühmte Reichsapfel der Kaiser nichts anderes als die Welt – einen Globus also.

Wann war die Erde eine Scheibe?

Wobei wir auch bei einer noch immer weit verbreiteten Missinterpretation wären, was die Altvorderen in Europa anbelangt. 

Natürlich brauchten die weder einen Columbus noch einen Galilei, um zu wissen, dass die Welt eine Kugel war. Nicht alle wahrscheinlich, manchen war es wohl einfach egal, ob die Welt eine Scheibe oder ein Suppentopf war, manche wehrten sich gegen alles, was ihrem persönlichen Weltbild widersprach. 

Nicht anders als heute, wenn Kondensstreifen für manche Chemtrails sind, Impfen eine Gefahr darstellt, Bildung negativ angesehen wird und ja, für etliche, auch durchaus bekannte und erfolgreiche Zeitgenossen, die Welt noch immer eine Scheibe ist.

Globenmacher

Handarbeit: In Peter Bellerbys Werkstatt arbeiten mittlerweile mehr als 20 Fachkräfte

©toby essex

Vielen Menschen des Altertums war es aber durchaus klar, dass die Welt rund sein müsse, schon Pythagoras stellte dann auch dementsprechende Theorien auf, Platon und Aristoteles waren davon überzeugt, und 240 vor Christus errechnete Eratosthenes den Erdumfang mit 41.750 km - nur um etwas mehr als 4 Prozent zu lang. 

Der Römer Plinius der Ältere fasste das, was die Mittelmeeranrainer wahrscheinlich schon über Jahrhunderte vor ihm beobachtet haben, um Christi Geburt zusammen, indem er erklärte, dass es doch keine Frage sein könne, dass die Welt rund sei, wenn doch Schiffe am Horizont in der Art verschwinden, dass zuerst der Rumpf und dann erst die Segel unsichtbar werden.

Eine runde Sache

Und nein, dieses Wissen ging auch im Christentum nicht unter, der Bischof und Kirchengelehrte Augustinus war ebenso davon überzeugt wie viele seiner Glaubensbrüder, die darin auch keinerlei Widerspruch zur Bibel sahen. Zu sehr war dieses Wissen verankert. 

Globenmacher

Sonderwünsche wie Seeschlangen, Herzen oder pinke Meere werden erfüllt –  bei Ländergrenzen hält man sich an UNO-Vorgaben

©euan myles

Kaiser hielten Reichsapfel und damit die Welt in Händen

Im Mittelalter übernahmen die deutsch-römischen Kaiser den Reichsapfel schließlich von ihren antiken Vorgängern und hielten die Welt in Form einer Kugel in ihren Händen. Bei Christof Columbus glaubte man einfach nicht an die Sinnhaftigkeit einer Westroute nach Indien, viel zu weit – und voll fantastischer Gefahren – schien die Reise. Und tatsächlich hat sich der "Entdecker" im Erdumfang schwer verschätzt, wie wir heute wissen. 

Und Galileis Problem mit der Kirche entstand nicht dadurch, dass für ihn die Erde rund war, sondern, weil er das geozentrische Bild des Universums in Frage stellte und davon überzeugt war: "Sie bewegt sich doch!" Und zwar um die Sonne.

Die Kugel gab es also schon sehr lange – und in den Globen nahm die Welt schon früh auf faszinierende Weise Gestalt an. Und es ist doch wirklich schön, dass es sie nach all den Jahren, als die Erde flach auf unseren Bildschirmen war, endlich wieder gibt. 

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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