Danielle Spera: „Zu jammern hat keinen Sinn“
Die Ex-Chefin des Jüdischen Museums über ihr neues Leben, ihre drei in Amerika lebenden Kinder – und König Charles III., den sie schon getroffen hat, als er noch Prinz war.
Sie trägt ein fröhlich-rosa Kostüm, wechselt noch schnell die Ohrringe, dann serviert sie uns in ihrem neuen Büro Kaffee und Süßigkeiten von der italienischen Konditorei nebenan: 12 Jahre lang war Danielle Spera Direktorin des Jüdischen Museums Wien, als Journalistin und Anchorwoman der „Zeit im Bild“ kannte man sie zuvor ohnehin in jedem Wohnzimmer. Dieses Jahr 65 geworden und als neues Vorstandsmitglied der Leopold-Museum-Privatstiftung beginnt für Spera jetzt ein neuer Lebensabschnitt. Wie immer begegnet sie ihm mit Lebenslust und Optimismus.
Das Leben gelingt besser, wenn man es positiv sieht. Zu jammern hat ohnehin keinen Sinn. Wir können demütig und dankbar sein, dass wir in diesem Land in Frieden und Sicherheit leben. Und alles funktioniert, von der Müllabfuhr bis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir leben in einem Paradies. Die Leute jammern trotzdem. Das ist das Einzige, das mich wirklich grantig macht.
Wer sich bloß darauf konzentriert, was schiefläuft, verliert den Blick fürs Wesentliche und macht sich unnötig das Leben schwer. Das ist schade. Das Leben ist kurz. Es ist uns geschenkt worden, man sollte das Beste daraus machen.
Ganz klar mit meiner Familie, etwa beim gemeinsamen Kochen oder Backen. Für meine Kinder darf es Fleisch sein, ich aber bin seit 20 Jahren Vegetarierin. Hermann Nitsch hat mich dazu gemacht: Bei einer seiner Aktionen habe ich den Geruch des Tierbluts als dermaßen bedrückend wahrgenommen, dass ich ihn lange nicht loswurde. Fleischgenuss ist heute abstrakt geworden, man denkt überhaupt nicht darüber nach, dass dafür ein Lebewesen getötet werden musste.
Deswegen genießen wir jeden Moment, den wir zusammen verbringen können. Alle drei gingen nach der Matura ein Jahr nach Israel und später in die USA. Mein Sohn hat heuer im Sommer in Israel geheiratet, seine Frau ist Amerikanerin, so wie es aussieht, wird eine Rückkehr nach Wien also so bald nicht stattfinden.
Meine jüngste Tochter hat vor einem Jahr mit dem Wirtschafts- und Informatikstudium begonnen. Meine mittlere Tochter arbeitet bei Sony Music. Und mein Sohn für das Auktionshaus Sotheby’s.
Ach, wenn sie es geschafft haben, in Israel unter teils schwierigsten Bedingungen zu leben und sich auch in den USA durchzusetzen, sollte eigentlich nichts schiefgehen.
Meine jüngste Tochter ist zu Beginn der Covid-Pandemie nach Israel übersiedelt. Sie stand zwei Wochen unter Quarantäne, in einem winzigen Kämmerchen und hat dort ganz allein ihren 18. Geburtstag begangen. Als ihre Quarantäne endlich endete, begann zwei Stunden später der Lockdown. Dieses Jahr verlief für sie völlig anders, als sie erhofft hatte. Zuletzt erlebte sie auch noch den Krieg, die Angriffe aus Gaza und aus dem Norden auf Israel.
Alle drei Kinder haben Angriffe und Bombenalarm erlebt. Das waren sicher prägende Erfahrungen. Die dankbar machen.
Absolut. Ich war während des Golfkriegs in Israel oder auch auf Erkundungsmission im irakischen Kurdengebiet. Es gab viele herausfordernde Einsätze.
Das überschnitt sich mit der Hochzeit meines Sohnes, somit überwiegt auch für diesen Zeitraum das Positive. Wie gesagt, versuche ich mich auf lebensbejahende Aspekte zu konzentrieren. Ich komme eben von einer Reise nach Israel, bei der ich wieder viele Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden erleben durfte. Es sollte jedem zu denken geben, was diese Menschen mitmachen mussten – und welch optimistischen Spirit sie sich dennoch bewahrten.
In den USA ist Scheitern nichts Negatives. Es herrscht mehr Miteinander als Gegeneinander, man erlebt viel weniger Neid.
Wunderbar! Seit August bin ich Vorstandsmitglied des Leopold Museums, zudem Geschäftsführerin einer Consulting-Firma. Ich verfüge jetzt über ein viel größeres und schöneres Büro. (lacht) Aber im Ernst: Ich bin intensiv mit spannenden Projekten beschäftigt. Ich widme mich etwa dem Nachlass von Hedy Lamarr. Es wäre großartig gewesen, wenn wir gemeinsam mit der Stadt Wien hier etwas Dauerhaftes entwickeln hätten können. Das ist nicht passiert. Jetzt versuche ich, etwas mit privaten Sponsoren auf die Beine zu stellen.
Hedy Lamarr war eine unglaubliche Frau. Sie ging konsequent ihren eigenen Weg. In einer Zeit, als das noch kein Kinderspiel war, emigrierte sie nach Amerika und baute sich eine beeindruckende Karriere auf. Sie wurde in Hollywood allerdings auf ihre Schönheit reduziert. Ihr Erfindergeist und ihre Kreativität wurden gar nicht beachtet. Unter dem Label „schönste Frau der Welt“ hat sie meiner Meinung nach ein Leben lang gelitten.
Es ist ein unglaublich spannendes Land, die Menschen sprühen vor positiver Energie. Wer scheitert, rappelt sich auf und beginnt von Neuem. Scheitern ist nichts Negatives, für das man verurteilt wird. Es herrscht in vielen Bereichen mehr Miteinander als Gegeneinander, man erlebt viel weniger Neid. Bei uns können sich die meisten Menschen mit anderen nicht freuen – dort schon. Aber die USA sind gleichzeitig auch ein extrem herausforderndes Land. Man bekommt nichts geschenkt, muss sich alles hart erarbeiten – auch den Neid.
Mit denen beschäftige ich mich nicht. Leute mit negativer Energie sollen sich selber damit beschäftigen. Das wäre für mich Verschwendung meiner Lebenszeit. Ich habe das Gefühl, es ist eine ehrliche Freude.
Mich hat sehr aufgeregt, was dort abgelaufen ist. Ich finde es unglaublich, dass man selbst in der Kunstszene auf diesem einen Auge blind zu sein scheint. Für mich hört da jedes Verständnis auf. Es lässt mich ratlos zurück, wie so etwas geschehen kann und man sich nicht schon im Vorhinein weigert, diese Werke zu zeigen. Und danach entschuldigt man sich nicht einmal, sondern findet es gar nicht so schlimm, was da vorging. Ungeheuerlich. Da wurde ganz klar eine rote Linie überschritten.
Damit kann ich absolut nichts anfangen. Man soll sich seiner Geschichte stellen und aus ihr lernen und nicht versuchen, sie auszulöschen. Das haben wir hierzulande doch über Jahrzehnte erlebt, wie man den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg verdrängt hat. Es regierte das Schweigen. Bis in die 1980er-Jahre, bis zur Waldheim-Affäre.
Das ist etwas Anderes. Wenn Massengräber gefunden werden, ist das so schockierend, dass man eindeutig Stellung beziehen muss. Man kann Kunst und Politik da nicht trennen. Wir haben das in Österreich selbst erlebt: Nach der Nazi-Zeit waren die Mitläufer wieder da, als wäre nichts gewesen. Das hat unserem Land nicht genützt.
Ich denke, er wird die Rolle als König völlig anders anlegen als seine Mutter. Er ist zwar bestens vorbereitet, dennoch ist die Aufgabe nicht leicht: Alle Augen sind jetzt auf ihn gerichtet, jeder kleine Fehler wird mit Argusaugen beäugt – wie als er sich kürzlich über eine defekte Füllfeder ärgerte. Bei all dem darf man jedoch eines nicht vergessen: Hier ist ein Mann, der um seine Mutter trauert. Das ist eine Zäsur, das weiß ich von mir selbst. Ich denke heute noch jeden Tag an meine Eltern. Und ich habe das Gefühl, man lässt Charles nicht die Zeit zu trauern und das finde ich nicht schön.
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