
Emoji-Alarm! Warum ein 🍆 kein Gemüse ist und 💀 kein Todesfall
Was mit gelben Smileys begann, ist längst ein globales Zeichensystem: Emojis prägen, wie wir fühlen, flirten, streiten und schreiben. Heute wird das digitale Piktogramm weltweit „gefeiert“.
Sie lachen, weinen, werfen Küsse: Emojis sind überall. Längst sind sie mehr als bunte Symbole – sie bilden eine eigene visuelle Sprache, die Geschriebenes nicht ersetzt, aber ergänzt.
Was früher der Punkt am Satzende war, ist heute oft ein Smiley. Emojis sind kein digitales Gimmick, sondern fester Bestandteil der Alltagskommunikation – und mittlerweile ein faszinierendes Forschungsfeld für Sprachwissenschafter wie Dimitrios Meletis von der Universität Wien. Er befasst sich mit Emojis als Teil eines sich wandelnden Schriftsystems. Für ihn sind sie mehr als nur ein dekoratives Beiwerk, sondern Teil dieses Systems.
Emotionale Zwischentöne
„Emojis geben uns Mittel, die die Schrift allein nicht bietet“, sagt Meletis. Man kann sie vergleichen mit Mimik oder Tonfall, sie erweitern Geschriebenes mit emotionalen Zwischentönen.“ Wie auch der britischstämmige Linguist Vyvyan Evans, Autor von „The Emoji Code“, betont. Er beschreibt Emojis als „die Körpersprache des digitalen Zeitalters“. Meletis: „Als ergänzende Elemente werden sie in der Sprache also immer wichtiger – eine eigenständige Sprache sind sie jedoch nicht. Allein mit Emojis lässt sich keine sinnvolle Kommunikation führen. Aber sie übernehmen als Teil der Sprache bestimmte Funktionen – und das immer häufiger.“ So würden sie etwa zahlreiche Satzzeichen verdrängen.
Emojis sollen Kommunikation vereinfachen – machen sie aber auch komplexer weil sie je nach Kontext, Generation oder Kultur unterschiedlich gelesen werden. „Es ist situationsabhängig, was sie bedeuten“, sagt Meletis. Natürlich gäbe es eindeutige Emojis, wie etwa das lachende mit Tränen, das weltweit am beliebtesten ist und am häufigsten verwendet wird. „Aber selbst das kann ironisch eingesetzt werden. Vor allem bei jungen Menschen wird dieses Emoji immer altmodischer und eher sarkastisch genutzt. Da kommt eine Bedeutungsnuance dazu“, so der Linguist.
Tot oder lustig?
Dennoch spielen Menschen Emojis bewusst aus, um Missverständnisse zu vermeiden. „Um klarzustellen: Wie meine ich das?“, sagt die Linguistin Tatjana Scheffler von der Ruhr-Universität Bochum.
Sie untersucht auch, wie Emojis verwendet und unterschiedlich interpretiert werden, abhängig von Alter, Kontext, Plattform. Dieselben Emojis können je nach Generation völlig unterschiedlich verstanden werden. Etwa der „Totenkopf“: Für Jüngere bedeutet er: „Ich lach mich tot“, Ältere lesen ihn oft wörtlich. Und während Generation Z den „Daumen hoch“ spöttisch versteht, ist er für viele über 40 schlicht ein „Okay“. Schefflers Studierende nennen es „Papa-Emoji“ – „weil es so oft in Familienchats auftaucht.“
Und in der Liebe? Studien des Kinsey Institute, Indiana University, zeigen, dass Menschen mit sicherem Bindungsstil häufiger Emojis verwenden – und dass diese dabei helfen können, emotionale Nähe und Beziehungskontinuität aufzubauen. In romantischen Kontexten wirken sie wie digitale „Affektverstärker“, die Intimität, Interesse und Empathie nonverbal vermitteln.
Einhörner als „Marker“
Emojis sind aber nicht nur Ausdruck von Gefühlen – sie sind soziale Marker, die erst innerhalb einer Gruppe Bedeutung bekommen. „Wer sie verwendet, zeigt: Ich gehöre dazu“, so Scheffler. Das gilt etwa für Fangemeinschaften, wenn eine Youtuberin ständig das Einhorn verwendet und ihre Follower nachziehen – genauso wie im politischen Umfeld. Emojis werden so zu Codes für Zugehörigkeit. Kulturell gibt es Unterschiede: In Ostasien sind manche Emojis anders designt, oft animiert. Die Interpretation variiert.
Und sie sind Schauplatz kultureller Aushandlung – etwa erotischer Natur. Die Melanzani wurde zum Symbol für das männliche Geschlechtsteil, der Pfirsich für den Po. Seit 2015 lassen sich Emojis in unterschiedlichen Hauttönen darstellen, 2016 kamen Gender-Optionen hinzu. 2020 wurde das Blutstropfen-Emoji eingeführt, als Symbol für die Menstruation.
Aber wer entscheidet, was auf die Tastatur kommt? Neue Emojis werden vom Unicode-Konsortium genehmigt – ein kalifornisches Gremium, in dem Techkonzerne wie Apple, Google und Meta stimmberechtigt sind (und dafür zahlen). Externe Vorschläge sind möglich. „Das Konsortium prüft sie, und wer genug Argumente hat – etwa für Relevanz oder grafische Eindeutigkeit – hat gute Chancen, dass ein neues Emoji aufgenommen wird“, sagt Meletis. Ende 2024 hat das Unicode-Konsortium eine Liste möglicher neuer Emojis vorgestellt, die Ende dieses Jahres erscheinen könnten. Unter den 164 Kandidaten: ein verzerrtes Smiley-Gesicht, eine Schatztruhe – und ein angebissener Apfel.
Glosse: Emoji-Exzess? Bitte nicht!
Ein Totenkopf, ein lachendes Emoji und Feuer: Kürzlich wurde ich darüber aufgeklärt, dass diese Emoji-Kombination nicht Ausdruck kollektiver Verzweiflung ist, sondern bedeutet: „Ich lach mich tot, das ist unfassbar lustig!“ Der Totenkopf steht nicht für Tod, sondern für „I’m dead“ – also: totgelacht. Kombiniert mit Tränen, Lachen und Feuer ergibt das: absolute Eskalation.
Ich hätte es etwas anders interpretiert. Dachte an einen dramatischen Zwischenfall. Aber gut – man lässt sich gerne belehren. In meinem Fall durch die Tochter (25), die meinen üppigen Emoji-Stil (viele Bussi-Smileys und Blumen) so kommentiert: „Tja. Typisch Boomer!“ Die würden nämlich zum „Feuerwerk an Symbolik“ neigen – heißt: zu viele Herzen, Rosen, Sektgläser. „Die ganze Palette ausnutzen, geht gar nicht“, werde ich ermahnt. Mein Einspruch: „Aber das rote Herz – ein Klassiker.“
Nix da, höre ich: „Eh. Aber es erinnert an Zwölfjährige, die seit zwei Tagen ,zusammen‘ sind und nach jeder Nachricht ein Herz schicken müssen. Wenn mal keins kommt – Krise.“ Mein leiser Einwurf: „Manche Erwachsene tun das auch“ hat wenig Gewicht: „Boomer. Sag’ ich doch.“
Und was rät sie mir nun? „Weniger ist mehr, Mama.“ Wenn ich was lustig finde, dann sollte ich einfach hahahaha schreiben – ohne Emoji. „Das reicht.“ Aha. Nur Text, ohne Beilage. Ich bleibe trotzdem dabei: Eine elegant gesetzte Rose kann Wunder wirken.
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