The Marvelous Mrs. Maisel

Abschied von drei herausragenden Serien, die etwas Wichtiges über uns erzählen

"Succession", "Mrs. Maisel" und "Ted Lasso" endeten innerhalb weniger Tage. Und alle drei sind mehr als Unterhaltung – sie stellen wichtige Fragen zum Heute.

Das Goldene Zeitalter des Fernsehens ist zuletzt dezidiert Silber, wenn nicht Bronze geworden: Streamingdienste, finanziell unter Druck, füllen ihre Angebote zunehmend mit Kauf- und Meterware, die fast schon auf dem Niveau des normalen Fernsehens, also unten, angekommen ist. Dass der popkulturelle Moment der Stunde immer noch im Streaming liegt, wurde immer schwieriger durchzuargumentieren.

➤ Hier mehr lesen: Succession und Co: Darum sehen wir reiche Familien gerne streiten

Aber gleich drei Serien, die alle in den letzten Tagen endeten, bewiesen dann doch wieder das Gegenteil: "Succession", "Ted Lasso" und "The Marvelous Mrs. Maisel" (keine Angst vor den englischen Titeln, gibt es alles auf Deutsch) öffnen Blicke auf die Gegenwart, die wichtiger nicht sein könnten.

Und alle drei Serien sind hervorragende Unterhaltung.

Planet Reicheleute

Das grellste Bild des uns umgebenden Zustands zeichnet "Succession", ein angriffiges Familiendrama über den Generationenwechsel in einem großen US-Medienunternehmen (reales Vorbild: Fox News), hierzulande zu sehen bei Sky.

Es dreht den Scheinwerfer auf ein Gefühl, das die derzeitige Spätkapitalismusstimmung grundiert: Dass nämlich die immens Reichen nicht nur de facto auf einem anderen Planeten mit eigenen Regeln leben, sodass selbst der wohlhabende Mittelstand dagegen nur wie der Pöbel durchs Leben reist. Sondern dass auch die Mitgliedschaft in dieser Reichenwelt auf eine so schreiende Art unfair und unbegründet verliehen wird, dass man sich ärgern könnte, wenn man die Zeit dazu hätte.

"Succession" zeigt drei Geschwister – Kendall, Shiv, Roman – als eine verbissene Laientruppe, die ums Erbe der Generation Zornkapitalismus (als man mit Schreien und Fiesheit nach oben kam) kämpft.

Sie tut das mit einer bitteren Mischung aus ins Blut übergegangenem Privileg, das ihr den Blick aufs eigene Unvermögen verstellt, und Selbstüberschätzung: Wer gewöhnt ist, die Welt aufgrund seiner Geldmacht unter Kontrolle zu haben, hat keine geeigneten Werkzeuge für den Moment, in dem ihm diese Welt entgleitet. Das passiert spätestens mit dem Ableben des Patriarchen, der zuvor Freude an einem grausamen Lieblingskind-Spiel hatte: Er ließ die drei solange gegeneinander um seine Gunst antreten, bis dieser Geschwisterkampf und die Führung des Familienunternehmens ununterscheidbar wurden.

Aufstieg um jeden Preis

Und die Serie erzählt dazu vom Aufstieg des Tom Wambsgans, einer archetypischen Figur unserer Zeit, sensationell gespielt von Matthew Macfadyen: Aus dem Nichts will er ganz nach oben, und er ist bereit, dafür alles – seine Ehe, Ehre, Menschlichkeit – über Bord zu werfen. Wer ganz nach oben will – das weiß vor allem der, der fast ganz oben ist –, muss an einem Punkt seine Seele verkaufen, sonst geht es nicht weiter. Diesen Moment könnte man ab jetzt den Wambsgans-Punkt nennen.

Matthew Macfadyen in Succession

Matthew Macfadyen in Succession

©© 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and/© 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and

"Succession" ist die Buddenbrooks-Geschichte des Spätkapitalismus. Und ein Dokument jenes giftigen gesellschaftlichen Gebräus – absurd reiche Reiche, Pech gehabt für die anderen –, an dem sich die Extremismen beider Seiten nähren.

Und die Serie bildet noch eine weitere unangenehme Frage ab: Was, wenn die da ganz oben wirklich von nichts eine Ahnung haben außer von den Mechanismen der Macht, davon, wie man eben ganz nach oben kommt?

Talentierte mögen wir nicht

Das bei Weitem leichtherzigere Stand-Up-Comedienne-Porträt "The Marvelous Mrs. Maisel" (Amazon Prime Video) erzählt Ähnliches, nur von der anderen Seite – und mit viel mehr Pointen: Die Serie begleitet die witzige Midge Maisel ab den 1950ern von halbwegs unten (geschieden, joblos, aber aus privilegiertem Haushalt) bis ganz nach oben im Entertainment-Business. Das größte Hindernis ist dabei, wie sehr sich die machthabenden Männer vor ihrem Talent fürchten.

Bis zum Schluss wird sie ausgebootet, kleingehalten, nicht Ernst genommen. Und selbst den entscheidenden Moment, an dem ihre Karriere abhebt, muss sie auf eine Art ergreifen, die zeigt: Die Mär, dass es auf dem Weg nach oben nicht mehr braucht als harte Arbeit und großes Talent, hat ganz schön viele Lücken im Plot bekommen.

Das wird wunderbar wortreich, mit viel Humor und schönen Bildern aus dem New York von früher erzählt. Starke Nebenfiguren und eine Liebe zu den komplizierten Nuancen dessen, was das Leben halt so ausmacht, komplettieren eine Serie. Sie erzählt, leichtherzig und lustig, von den Hindernissen, die wir einander bei jeder Gelegenheit in den Weg stellen.

The Marvelous Mrs. Maisel bei Amazon Prime Video

The Marvelous Mrs. Maisel bei Amazon Prime Video

©Philippe Antonello/Prime Video

So unterschiedlich sie auch sind, von beiden Serien bleibt übrig, dass alles leichter und besser gehen könnte, wenn nicht alle immer damit beschäftigt wären, gegeneinander zu arbeiten. Und genau davon erzählt die dritte Serie, "Ted Lasso" (Apple TV+). Sie macht den leisesten, aber den wichtigsten Punkt.

Zauber des Positiven

Das Setting klingt wie eine einfältige Komödie, "Ted Lasso" ist aber viel mehr als das. Lasso kommt zu Beginn aus den USA nach England, um – ahnungslos! – ein mittelmäßiges Fußballteam zu leiten. Anfangs weiß, natürlich, dort jeder alles besser als der vermeintlich doofe Ami.

Aus diesem Konfliktpotenzial zwischen Sportlern, Fans, Eigentümern und Presse entwickelt "Ted Lasso" aber etwas ganz anderes, als man erwarten würde. Einen Zauber des Positiven nämlich, bei dem wir zynischen Europäer gern von vornherein abwinken. Aber das ist ein Fehler: Ted Lasso begegnet jeder Unbill mit Freundlichkeit, mit liebevollen Worten und einer positiven Interpretation des Gegenübers, gänzlich ohne Zynismus oder Gegenangriff oder jenen emotionalen Abtausch, durch den der öffentliche Diskurs derzeit so vergiftet ist.

Das lässt am Anfang stutzen, weil es – allein das ist eigentlich bedrückend – so gegen den Streitstrom schwimmt, in dem jeder sich über alles, was irgendjemand anders sagt, aus einer Grundhaltung heraus aufregt. Je weiter aber diese Serie fortschreitet, desto beglückender wird das: So, ja so müsste man miteinander umgehen.

In der Zusammenschau formulieren die Serien einen gemeinsamen Gedanken: Wie bescheuert es eigentlich ist, einander brutal zu bekämpfen ("Succession") oder den anderen zu verhindern ("Mrs. Maisel"), sich aber nicht, wie Ted Lasso, darum zu kümmern, ob es dem Gegenüber eigentlich gut geht, und zu schauen, was man dafür tun kann. Sich das vor Augen zu führen, tut uns allen gut, vor allem, wenn man dabei so gut unterhalten wird.

Georg Leyrer

Über Georg Leyrer

Seit 2015 Ressortleiter Kultur und Medien, seit 2010 beim KURIER, seit 2001 Kulturjournalist. Zuständig für alles, nichts und die Themen dazwischen: von Kunst über Musik bis hin zur Kulturpolitik. Motto: Das Interessanteste an Kultur ist, wie sie sich verändert.

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