Succession und Co: Darum sehen wir reiche Familien gerne streiten

Die Serie „Succession“ über die verkommene Mediendynastie Roy geht auf Sky ins Finale. Die Buddenbrooks treffen auf „Dallas“. Das Publikum liebt das.

Unsympathler, allesamt. In der Unternehmersippe Roy gibt es keine Person, die nicht opportunistisch, verdorben oder ungut wäre. Kurz: Die Familie ist ein einziger Albtraum. Und doch schauen wir den Mitgliedern gerne zu, wie sie sich permanent des Hackl ins Kreuz schmeißen, vulgär ausfällig werden oder abstürzen. Nicht umsonst hat die Serie „Succession“, die auf Sky in die finale vierte Staffel gestartet ist, jede Menge Preise eingeheimst.

Es ist ein bisschen so wie bei Thomas Manns „Buddenbrooks“. Das Medienunternehmen Waystar Royco droht ob der Nachfahren vor die Hunde zu gehen. Davon ist zumindest der reiche Patriarch Logan Roy überzeugt. Der ständig lästig dreinschauende Grantler, der Rupert Murdoch nachempfunden ist, mag sich partout nicht vom Unternehmen trennen.

Ein bisschen kann man ihn ja verstehen. Immerhin spricht man in der Wirtschaftswelt vom „Buddenbrook-Syndrom“ bei Familienunternehmen. Die ersten Generationen bauen auf, spätestens ab der dritten geht es bergab, weil die finanzielle Unabhängigkeit andere Interessen als das Geldvermehren zulässt.

Verborgene Luxuswelt

Die Geschwister wetzen derweil die Messer, der Wille zur Macht ist auch ohne pekuniäre Sorgen vorhanden. Das kennen wir schon aus „Denver Clan“ oder „Dallas“, wo J.R. Ewing oder Alexis Carrington mit Intrigieren und Korrumpieren an die Spitze gelangen. Nicht anders geht es in der Fantasiewelt „Game of Thrones“ zu, wo Familienmitglieder an den Herrschersessel wollen. Dabei scheitern die Protagonisten auch immer wieder. Und das scheint das Publikum zu lieben. Noch dazu, wenn das alles in einer Luxuswelt spielt, die vielen vorenthalten bleibt.

Die Milliardärsfamilie Roy aus „Succession“. Alle warten darauf, dass der ungute Vater Logan (li.) sein Unternehmen übergibt 

©Die Verwendung ist nur bei redaktioneller Berichterstattung im Rahmen einer Programmankündigung ab 2 Monate vor der ersten Auss/HBO/Sky

Wir normalsterblichen Menschen sind ja auch paradoxe Wesen. Da wollen wir schon sehr gerne sehr, sehr reich sein, am liebsten ohne Anstrengung, dann mögen wir es aber nicht, wenn jemand genau das vorlebt und das nicht allzu dezent. Und noch viel weniger beliebt ist es, wenn Reichtum nicht auf Eigenleistung basiert. Natürlich ließe sich auch vortrefflich mit Neid oder Schadenfreude argumentieren und dass es Genugtuung gibt, wenn auch Vermögende Probleme haben.

Der neoliberale Historiker, Soziologe und Millionär Rainer Zitelmann gab für sein 2019 erschienenes Buch „Die Gesellschaft und ihre Reichen. Vorurteile über eine beneidete Minderheit“ eine internationale Umfrage über Millionäre in Auftrag. Demnach denken 62 Prozent der befragten deutschen Nachbarn, dass Reiche egoistisch seien, 50 Prozent halten sie für rücksichtslos.

Es wird wohl einen Grund haben, warum zuletzt Filme wie „The Menu“, „Triangle of Sadness“, „Glass Onion“ oder auch die Serie „The White Lotus“ so erfolgreich waren. Dekadente, geldige Menschen sind hier Opfer, denen man genüsslich beim Leiden zusieht.

Primetime-Hochglanz

Bei Bobby Ewing war das anders – mit ihm litt das Publikum, wenn J.R. und Cliff ihn in „Dallas“ tyrannisierten. Bis zu seinem Tod galt die Serie als das Nonplusultra in Sachen TV-Dynastien. Nur als sich der Tod als böser Traum entpuppte und Bobby nach 30 Folgen als Deus ex Fernsehkastl wieder auftauchte, verlor die Show Fans. Sie setzte aber zunächst Ende der 1970er neue Maßstäbe. Gab es vorher Seifenopern am Nachmittag, spielte es „Dallas“ in der Primetime. Die Serie war aufwendig produziert und kostete – für damalige Verhältnisse – beachtliche 700.000 Dollar pro Folge.

Die Clanmitglieder aus „Dallas“ (hier ohne den lieben Bobby Ewing) fesselten das TV-Publikum.

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„Es ist eine Familiensaga, die extrem mit den Klischees spielt von Kapitalismus, von Familienintrigen, die da auch mit jeder Menge Tabus bricht. Es geht um Ehebruch, es geht dauernd um Sex, auch innerhalb der Familie, es werden irrwitzige Geschäftspraktiken angewandt, Betrug“, sagte der Historiker Christoph Classen einmal dem Deutschlandfunk. „Es ist sehr, sehr extrem und das Gegenteil von dem, was man von familientauglichen Serien erwarten würde.“ Die Tür war offen – der „Denver Clan“ der Familie Carrington mit Mord, Intrigen, Unglücksfällen, Hochzeiten oder Scheidungen spazierte hier erfolgreich durch. Viele Hochglanz-Formate folgten.

Gerne werden Serien über Familien auch in vergangene Zeiten verlegt. Auch in „Downton Abbey“ passieren im schmucken englischen Schloss Dramen en masse. Gestritten wird natürlich auch, wobei die Hauptdarstellerin Elizabeth McGovern einmal der sagte: „Was „Downton Abbey“ betrifft, kann man eine Meinungsverschiedenheit haben und jemanden dennoch als Person respektieren.“

Natürlich gab es Intrigen, wenn auch nicht so schlimm wie in den Serien über US-amerikanische Öl-Magnaten. Und noch eine Gemeinsamkeit: Wirklich sympathische Personen muss man lange suchen.

Auch Dokudramen über Familien, die es wirklich gab, funktionieren. Der Fernsehdreiteiler „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ über die Schriftstellerfamilie mit all ihren Erfolgen und Unglücken lockte 2001 in Deutschland fünf Millionen Zuschauer vor die Fernseher. Danach sollen alleine 50.000 „Buddenbrooks“-Exemplare verkauft worden sein. „Die Menschen haben offensichtlich schnell erkannt: ‚Denver‘ oder ‚Dallas‘ haben wir auch im deutschen Sprachraum und zwar in der Urform – und besser!“, sagte Heinrich Breloer, der sowohl bei diesem Dokudrama als auch der „Buddenbrooks“-Verfilmung Regie führte, einmal den OÖ Nachrichten.

Ärger im Dessous-Paradies

Kurz darauf gruben ARD und ORF 2002 das „Dallas“-Konzept wieder aus und führten mit dem herrlich trashigen Mehrteiler „Liebe, Lügen, Leidenschaften“ Spitzenquoten ein (auf Amazon Prime Video verfügbar). Maximilian Schell ist das Oberhaupt der Familie Steininger, die Geld mit Dessous macht. Es gibt eine uneheliche Tochter, Todeskampf, einen vermissten Sohn und Übernahme-Ambitionen eines US-amerikanischen Filous. Und wenn alles gut zu sein scheint, spukt ein laszives „Karriere-Luder“ dazwischen.

Nicht mega-reich, aber umso krisengeschüttelter ist die Mafia-Dynastie in „The Sopranos“. Boss Tony hält dem Druck, der auf ihm lastet, nicht stand und muss zur Psychotherapeutin. Onkel Junior, ein Gangster alter Schule, macht immer wieder Probleme. Die kriminellen Familienmitglieder werden abtrünnig. Manche von ihnen darf er, obwohl sie viel Mist gebaut haben, der Tradition wegen nicht beseitigen. Und mit Frau und Kindern liegt auch vieles im Argen.

Tony Soprano mit seiner leiblichen und seiner kriminellen Familie

©HBO

Die Autoren der Writers Guild wählten die Sopranos auf Platz eins der 101 besten Serien. Das war 2013. „Succession“ könnte der Spitze verdammt nahe kommen.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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