Warum auch Lipizzaner wellnessen und auf die Work-life-Balance achten

Sie sind das Aushängeschild Österreichs. Die Stars der Spanischen Hofreitschule trainieren sehr hart für ihre kunstvollen Levaden - danach geht`s ab zum Wellnessen.

Fast möchte man sich wünschen, ein Lipizzaner zu sein. Die weißen Hengste haben es nämlich richtig gut: Sie werden täglich von Touristen durch die Fenster des Renaissancegebäudes am Michaelerplatz bewundert und rund um die Uhr betreut – sogar nachts sind Pfleger im Stall. Und weil sie nach ihren Höchstleistungen in den Vorführungen auch Erholung brauchen, geht es von Ende Juni bis Mitte August auf Landurlaub am Heldenberg, den Winterurlaub verbringen die Hengste in der Hofburg.

 

Auf Tournee: Die Lipizzaner führten 2024 in England und Schottland vor, was sie in den Lektionen der hohen Reitkunst gelernt haben. 2026 geht es nach Frankreich

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Etwa 400.000 Besucher bestaunen jährlich die hohe Kunst der klassischen Reitkultur in der Spanischen Hofreitschule in Wien. Sie gilt als immaterielles UNESCO-Kulturerbe, deshalb gehört das Wohlbefinden der weißen Pferde, wie auch ihr Trainingsprogramm, zum Regierungsauftrag. „Aber dem kommen wir freiwillig nach, weil die lebendige Geschichte und die über 460 Jahre alte Tradition in unserem eigenen Interesse ist“, sagt Alfred Hudler, Gralshüter der Reitkunst und Geschäftsführer der Spanischen Hofreitschule. Er sorgt dafür, dass die Pferde ein Leben mit perfekter Work-Life-Balance führen können: mit Physiotherapeuten, Wellness- und Trainingsprogrammen, Couture-Satteln, Beauty-Salon, Futter-Menüs und nicht zu vergessen, in perfekt renovierten Luxusställen in einem Kaiserschloss.  

Dre prachtvolle Innenhof soll demnächst mit weiteren drei Bäumen begrünt werden - zum Wohlbefinden der Lipizzaner und als Schattenspender

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Geboren am Gestüt in Piber, kehren die pensionierten Lipizzaner auch dorthin zurück. Vierzig Pferde werden pro Jahr geboren und  vierzig Lipizzaner, die nicht für die klassische Reitkunst geeignet sind,  auch wieder verkauft. So werden der Bestand und die sechs Blutlinien der Gründungshengste Conversano, Favory, Maestoso, Neapolitano, Siglavy und Pluto erhalten. Zu sehen sind die Hengstlinien auf einem 

Alles nach Maß in Österreich gefertigt: Vom Sattel bis zur Uniform der Bereiter und Eleven. Die Reitkleidung der Eleven und Lehrlinge stammt aus Baden

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Brandzeichen, mit dem jeder Hengst am Rücken gekennzeichnet ist. Die Namen setzen sich aus der Hengstlinie des Vaters und dem Namen der Mutterstute zusammen.

Manche Hengste stehen in den Hof-Boxen, darunter auch Allergiker - diese bekommen staubfreies Heu als Futter

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So haben alle Mädchennamen, wie Sostenuta, genannt Susi. Susi steht in einer Außenbox im Hof und ist einer der Hengste, der bedampftes Heu bekommt, das staubfrei ist. Besonders für Allergikerpferde ist das wichtig. „Wir haben nicht viele Allergiker, aber achten darauf, dass auch sie ein eigenes Futter bekommen und viel Frischluft“, sagt Tierärztin Sophia Sommerauer „und natürlich werden alle Hengste auch 

Das Menü besteht aus Kraftfutter, Heu, Müsli, Hafer und Pellets - und einem Stück Würfelzucker: als Belohnung nach der Übung

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geimpft.“  Sie kontrolliert  Futtermischungen aus Heu, Müsli, Pellets und Hafer und stimmt das Kraftfutter jeweils auf die unterschiedlich schwierigen Trainingsprogramme der 71 Pferde ab, die durchschnittlich 450, 500 Kilo wiegen.  

Nagelpflege: Die gebrauchten Hufeisen werden als Souvenir im Shop verkauft

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Ein Chiropraktiker prüft die Tiere regelmäßig von der Zunge bis zum Huf, auf eventuelle Blockaden und Gangbild. Und wenn nötig werden Physiotherapie und Magnetfeldtherapien zur Prävention von Verspannungen eingesetzt. Und die regelmäßige Nagelpflege wirft sogar Glücksbringer ab: Die verbrauchten Hufeisen werden als Souvenir im Shop verkauft. Auch das Stallklima wurde mit neuen Lüftungs- und Vernebelungssystemen und Wärmepumpen verbessert, die im Winter wärmen und im Sommer kühlen.

Work-Life-Balance: Die Lipizzaner tanken täglich Frischluft im Burggarten

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Erst Training, dann Wellness

Warm-up – work – relax ist  das tägliche Training der 71 Hengste für Levade, Kapriole & Co. So übt Susi  am langen Zügel, während Dubi die Schulquadrille für das Ballett der acht weißen Hengste einstudieren muss. „Wechselt den Schritt, so ist’s fein, immer weiter“, sagt Christian Bachinger beim Training in der Winterreithalle.

Training in der Winterreithalle

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„Pferde sind wissbegierig und wollen beschäftigt werden“, erzählt der Bereiter in dritter Generation, während er ein Stück Zucker in der Hand hält – als Belohnung danach. „Fünf Jahre musste ein Eleve früher in der Hofreitschule lernen, bevor er als Bereiteranwärter zugelassen wurde, heute sind es in der Praxis meist nur noch vier“, so Bachinger. „Dann bekommt man einen jungen Hengst zur Ausbildung und behält diesen bis er in Pension geht.“

Bereiter Marius Schreiner mit seinem Maestoso Alea II 

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Die enge Bindung zwischen Tier und Mensch ist  auch das, was Marius Schreiner an diesem Beruf liebt. „Bei der berühmten Übung Levade erheben sich Körper und Geist. Maestoso Alea II wird zur lebendigen Statue der Kraft, Balance und Würde. Nach 14 gemeinsamen Jahren bringt er mich immer noch zum Lächeln“, so der Bereiter.

Bandagen und Sattel werden in den Stallungen angelegt

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Immer wieder trainieren die Hengste auch im Trainingszentrum Heldenberg und auf dem Laufband. In Wien wird sechs Tage pro Woche in der Winterreitschule und im Hof der Sommerreitbahn trainiert, wo die 

Nach dem Training geht es manchmal zum Entspannen unter die Infrarotlampe

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Lipizzaner zum Aufwärmen in der Schrittmaschine traben. Nach den Übungen gibt’s ein Stück Zucker. Zurück im Stall, geht es unter die Infrarotlampe zum Entspannen, zu Kraftfutter und zu Pflegern, die die Hengste striegeln und ihnen liebevoll Zöpfe in die Mähne flechten.

Florentina Welley

Über Florentina Welley

Mag. Florentina Welley schreibt seit 2006 als Lifestyle-Autorin über ihre Lieblingsthemen: Mode, Reise, Design und Kunst. Darüber hinaus konzipiert sie Shootings, kuratiert auch Kunst- und Designevents. Auch Film-Erfahrung hat sie, etwa als Co-Produzentin für den Spielfilm „Die toten Fische“, darüber hinaus ist sie in Werbung und Medien bekannt für Konzepte, Textierungen jeden Genres und Modeproduktionen samt Styling, Regieassistenz, Ausstattung und Kostümbild.

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