Selbstoptimierung #thatgirl: Wie perfekt soll ich noch werden?

Schöner, sportlicher, produktiver: Wie der Trend #thatgirl zur (ungesunden) Selbstoptimierung beiträgt.

Ihr Wecker klingelt täglich um 05:30 Uhr, um möglichst viel vom Tag zu haben. Während andere erst schlaftrunken zur Kaffeemaschine wandern, hat sie schon ein erstes Pilates-Training hinter sich, ihre Morgen-Mediation erledigt und ihre Wohnung geputzt. Um 08:00 Uhr frühstückt sie einen Porridge mit frischen Beeren und Chiasamen, ihren Kaffee trinkt sie ausschließlich mit Hafermilch. Parallel zum Frühstück plant sie ihre gesamte Woche und hält ihre Termine in einem schicken Kalender fest oder schreibt Tagebuch. Um 08:30 Uhr ist sie perfekt gestylt und startet in einen produktiven Tag.

Was macht diese Videos aus?

Die Rede ist von "that girl", auf deutsch "dieses Mädchen". Bei diesem Trend geht es darum, dass Frauen durch Selbstoptimierung, Körperpflege und Wellness die beste Version ihrer selbst werden. Und dabei auch noch verdammt gut aussehen. Vor allem auf TikTok trendet der Hashtag #thatgirl mit 1,4 Milliarden Aufrufen. Zu sehen sind dabei fast ausschließlich junge, schlanke Frauen bzw. Influencerinnen, die ihren Tagesablauf mit ihrer Community teilen. 

Wieso wurde #thatgirl zum Trend?

Eigentlich ist #thatgirl nicht wirklich neu. Der Hype ist viel mehr das Resultat aus zwei großen Trends der vergangenen Jahre: Der eine dreht sich um die selbstbewusste, karriereorientierte und emanzipierte Powerfrau (Stichwort "Girl Boss"). Diese Frauen haben ihre Ziele klar vor Augen und wissen ganz genau, wie sie diese auch erreichen können. Beim zweiten Mega-Trend geht es um Selfcare und die eigene Gesundheit. Genügend Sport, gesunde Ernährung und mentale Gesundheit werden längst nicht mehr in die Öko-Schublade geschoben, sondern sind das Ziel von Millionen Millennials sowie der Gen-Z. Galt man vor 10 Jahren noch als hip, wenn man es nach einer Partynacht mit verlaufener Mascara irgendwann um die Mittagszeit aus dem Bett schaffte, ist dieser Lebensstil für die breite Masse heute längst nicht mehr zeitgemäß.

Psychischer Druck

Also alles perfekt eigentlich oder? Die Videos regen Millionen von Frauen und Männer dazu an, das Beste aus sich herauszuholen und gesünder zu leben. Ganz so einfach ist es aber nicht. Der Trend basiert nämlich darauf, dass man selbst niemals genug ist, dass es immer eine schönere, gesündere oder intelligentere Version von einem selbst gibt. Die Videos verstärken Ängste und Selbstzweifel, einerseits in Hinblick auf den eigenen Körper, andererseits auch auf die Karriere. Durch den Vergleich mit Influencern wird uns auch vorgegaukelt, dass es ganz einfach sei, Körper, Karriere und Wohlbefinden unter einen Hut zu bekommen - was es schlicht und ergreifend nicht ist. 

Klarer Gewinner dieses Trends ist natürlich auch die Wellness-Industrie. Sie können Beauty-Produkte oder schöne Yoga-Outfits dank "#thatgirl" viel leichter an die Frau bzw. an den Mann bringen. Das stößt vielen Menschen sauer auf. Sie kritisieren diese perfekte Inszenierung auf TikTok und Instagram und werfen den großen Playern der Mode- & Beautyindustrie versteckte Werbung vor. Dass Konsum und Perfektionismus letzten Endes doch nicht ausreichen, um ein glückliches Leben zu führen, thematisiert #thatgirl leider nicht. 

Stephanie Angerer

Über Stephanie Angerer

Chronik-Redakteurin

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