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Bereal: So funktioniert die Social-Media-App, die keine sein will

Die Generation Z setzt auf Authentizität und Echtheit. Ein soziales Netzwerk möchte weg von Selbstinszenierung im Netz. Hält es was es verspricht?

Ein verwackelter Schmutzwäscheberg am Schlafzimmerboden, das halb gegessene Butterbrot als Mitternachtsjause, ein überbelichtetes Selfie mit Pickelcreme im Badezimmer. Auf Bereal sieht man Dinge, die es in der Regel nur selten in soziale Netzwerke schaffen. Was man auf dieser App vergeblich sucht: Influencer, Filter, einen Algorithmus.

Alle Nutzerinnen und Nutzer erhalten stattdessen einmal am Tag eine zufällig getimte Benachrichtigung, die ihnen zwei Minuten Zeit für einen Schnappschuss gibt. Sie sollen mit Vorder- und Rückkamera festhalten, was sie gerade tun, egal wie banal die Aktivität ist.

Keine Likes

Für das Foto gibt es weder Vorbereitungszeit noch Nachbearbeitung; man sieht, wie viele Versuche man in dem Zeitfenster gebraucht hat. Wer zu spät postet, wird als "late“ vermerkt. Likes gibt es keine, stattdessen reagiert man mit RealMojis (Fotos vom eigenen Gesicht).

Auf Bereal werden mit Innen- und Rückenkamera Fotos aufgenommen

©BeReal

2020 vom Franzosen Alexis Barreyat gegründet, wurde die Foto-App in den vergangenen Monaten international populär und kletterte in den Download-Charts steil nach oben. Im App Store liegt sie aktuell auf Rang sechs der sozialen Medien. Die Beschreibung: Auf Bereal sei man "echt“. Authentizität – eine Eigenschaft, die sich eigentlich jegliche Influencer an die Fahnen geheftet hatten – wird als Alleinstellungsmerkmal verkauft. Und das Konzept scheint aufzugehen.

Mehr Realität

"Authentizität wird immer wichtiger“, erklärt Christina Peter vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt. Auch auf anderen Plattformen gehe der Trend weg von Perfektion und hin zu mehr Realität: "Viele Influencerinnen und Influencer setzen darauf und teilen mal negative Seiten, Niederschläge, imperfekte Bilder oder traurige Momente.“

Für viele ist das eine große Überwindung, denn "wir wollen uns natürlich am liebsten in einem positiven Licht präsentieren“, weiß Peter. "Bereits vor der digitalen Welt haben wir Bekannten lieber von der Beförderung erzählt als vom geplatzten Projekt, haben lieber die Rosen vom Partner gezeigt als den Beziehungsstreit.“

Christina Peter ist stellvertretende Institutsvorständin an der Universität Klagenfurt

©Arnold Poeschl

Vor allem bei den Jungen wird diese Selbstinszenierung zunehmend verpönter. Sie rebellieren mit Hashtags wie #instagramvsreality oder "Photo Dumps“, bei denen Alltagsschnappschüsse gepostet werden. Bewegungen wie body positivity (jeder Körper ist schön) oder body neutrality (den eigenen Körper akzeptieren) stellen sich gezielt gegen Schönheitsideale auf der Social-Media-Plattform Instagram. Insgesamt zählt diese zwar weiterhin zu den beliebtesten Netzwerken bei Österreichs Jugendlichen. Nach Jahren des steilen Wachstums büßt die ursprünglich als spontane Foto-teil-App geplante Plattform aber an Beliebtheit ein.

Die App im Test

Zu den großen Anbietern kann sich Newcomer Bereal noch nicht zählen. Zum Ziel hat sich die App aber ohnehin eines gesetzt: keine weitere Social-Media-Plattform zu sein. Doch funktioniert das?

Im Prinzip fühlt sich Bereal an wie eine Mischung aus Instagram-Storys und Snapchat. Je nachdem wann und wo einen der Fotoaufruf erwischt, postet man freudig oder verhalten. Der Eitelkeit muss man nicht ganz abschwören – man kann schließlich einfach ein "verspätetes“ Foto posten. Die App-Community legt ihr Schamgefühl aber erstaunlich schnell ab: Man sieht verwackelte und unvorteilhafte Bilder, reagiert mit noch unästhetischeren RealMojis. Die Bedienung ist leider (noch) etwas fehleranfällig: Pushnachrichten fallen aus, Fotos werden nicht gepostet, die Kamera ruckelt gelegentlich. Das Suchtpotenzial hält sich in Grenzen: Ist das tägliche Foto gepostet, bleibt auf der App wenig zu tun.

Fazit: Insgesamt ist Bereal ein lustiger Weg, um Freunde am eigenen Alltag teilhaben zu lassen. Manchmal ist das die Reise durch Thailand oder der Zieleinlauf beim Halbmarathon. Doch an vielen Tagen auch einfach nur eMails beantworten, das Work-out im Wohnzimmer oder das halb aufgegessene Butterbrot. Ganz real eben.

Elisabeth Kröpfl

Über Elisabeth Kröpfl

Seit Dezember 2021 beim KURIER. Zuerst im Ressort Lebensart, jetzt am Newsdesk. Spanisch- und Englischstudium in Graz, danach Journalismus-Master an der FHWien.

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