
Warum schmeckt das letzte Stück Kuchen immer am besten?
Auch wenn eine Süßspeise von Anfang an deliziös war, die letzte Portion sticht stets hervor. Welche psychologischen Komponenten hier zum Tragen kommen.
Er war zwar von Anfang an köstlich, der feine Mohn-Himbeer-Kuchen der meisterhaft backenden Schwester. Aber als mit dem Tortenheber das einzig verbleibende Stück vom Präsentier- auf den eigenen Dessertteller gehoben wird, ist der Mohnteig auf einmal fluffiger, der Himbeerspiegel cremiger und das Glücksgefühl größer als bei all den anderen Stücken zuvor. Aber wieso schmeckt das letzte Stück Kuchen eigentlich immer am besten?
Einerseits, erläutert Psychotherapeutin Ines Gstrein vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie kommt der Peak-End-Effekt zum Tragen. "Der Mensch prägt sich sowohl die Höhepunkte als auch das Ende einer Phase besonders ein."
Man denke an den letzten Schultag, die letzte Nacht in der alten Wohnung oder den letzten Kuss mit einer Urlaubsromanze. "Weil wir uns bewusst sind, dass diese Momente einen Abschied darstellen, nehmen wir sie intensiver wahr und geben ihnen damit Bedeutung."
Verknappungseffekt
Gleichzeitig tritt bei Dingen, die auszugehen drohen, der Verknappungseffekt ein. "Wenn uns etwas rar erscheint, wird es wertvoller", ergänzt Ines Gstrein. Ein Beispiel: Poppt auf der Urlaubsplattform die Nachricht auf, dass nur mehr zwei Hotelzimmer dieser Art verfügbar sind, sind wir schneller dazu verleitet, die Buchung abzuschließen. "Wir bekommen Angst, dass uns etwas entgehen könnte und treten unbewusst in einen Wettbewerb."
In der Romantikkomödie Notting Hill wird dieser Wettkampf öffentlich ausgetragen. Als Buchhändler Will (Hugh Grant) Schauspielerin Anna (Julia Roberts) zum Abendessen bei Freunden mitnimmt, wird der letzte Brownie derjenigen Person versprochen, die die traurigste Darbietung liefert. So begehrt ist das letzte Stück Schokokuchen, dass auch die erfolgreiche Anna um ihn buhlt.
Frage der Freizeit
Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.
Und dann kommen die Emotionen ins Spiel. Beim Brownie-Wettkampf geht es nur peripher um den tatsächlichen Genuss der Süßspeise, sondern vielmehr ums Miteinander, das spielhafte Zanken unter Freunden und die Verbundenheit. Und so wird der Teller mit dem Mohn-Himbeer-Kuchen nun in die Mitte geschoben, damit alle noch einmal probieren können.
Kommentare