Warum macht uns ein einzelner Sonnenstrahl glücklich?

Sonnentage im Sommer sind herrlich, aber kaum etwas berührt so sehr wie die ersten Sonnenstrahlen im Frühling. Warum ist das so?

Er kämpft sich beständig durch die wintergraue Wolkendecke, bis er eine dünne Lücke gebohrt hat – und durch die geöffneten Vorhänge ins Schlafzimmer blinzelt, auf den samstäglichen Frühstückstisch fällt oder einem beim noch dick eingepackten Wochenendspaziergang in der Nase kitzelt. Ohne, dass man es verhindern könnte, ziehen sich die Mundwinkel nach oben. Aber warum hat ein einzelner, zögerlicher Sonnenstrahl im Februar die Kraft, uns glücklich zu machen?

"Die sanften Sonnenstrahlen symbolisieren das Ende des Winters", sagt die Wiener Psychologin Christina Beran. Das hat biologische Folgen. "Wir haben nicht nur eine innere Uhr, die unseren Tages- und Nachtrhythmus beeinflusst, sondern auch eine Art saisonale Uhr."

Als Menschen fallen wir zwar nicht in den Winterschlaf, haben aber in der kalten Jahreszeit ein erhöhtes Ruhebedürfnis. "Wenn es heller wird, stellt sich die innere Uhr wieder um: Wir haben mehr Energie." Ein gutes Gefühl. Dieses wird durch Vitamin D und den Neurotransmitter Serotonin, die beide bei Sonnenlicht vermehrt produziert werden, noch verstärkt.

Dazu kommen kulturell assoziierte Erwartungen: Licht und Wärme haben evolutionär unsere Überlebensbedingungen stets verbessert. "In der Regel bedeutet mehr Sonnenlicht einen besseren Zugang zu Ressourcen und mehr soziale Interaktion." 

Wärme nährt uns

Wie gut uns Wärme tut, sehen wir in unseren Assoziationen zu dem Wort, ergänzt die Psychologin: "Wir sprechen von einem warmen Menschen, warmen Lebensbedingungen, einem warmen Willkommen."

Frage der Freizeit

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Als Menschen gewöhnen wir uns aber auch schnell wieder an neue Umstände. Mit fortschreitendem Frühling erwarten wir mehr als nur einzelne Sonnenstrahlen, und während wir den heißen Mittsommer zwar meist mit ausgelassener Leichtigkeit begrüßen, kommt er manchmal mit bitterem Beigeschmack: Bald würden die Tage wieder kürzer werden. 

Wie kein anderer Herold einer neuen Jahreszeit versammelt der frühlingshafte Sonnenstrahl also die gesamte Dunkelheit hinter und das gesamte Licht vor sich.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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