Welche Krankheit hatte Tina Turner?
Nachruf

Rockstar Tina Turner ist mit 83 Jahren gestorben

Sie war einer der größten Popstars der 1980er-Jahre, ihr Leben war in jeder Hinsicht besonders, und ihre Hits sind längst Klassiker.

Tina Turner, die nach einer frühen Karriere und einer brutalen Ehe eines der phänomenalsten Comebacks der Popgeschichte hinlegte und zu einer Ikone der 1980er wurde, ist tot.

Die Sängerin, die mit ihrer überlebensgroßen Stimme, ihrer noch größeren Präsenz und Hits wie „Private Dancer“, „What’s Love Got to Do with It“ und „(We Don’t Need Another) Hero“ einer der größten Bühnenstars wurde, wurde 83 Jahre alt. Sie starb nach langer, schwerer Krankheit in ihrer Wahlheimat Schweiz.

Zwei Mal nach oben

Turner kam zwei Mal von weit unten ganz nach oben. Mit Ike Turner hatte sie in den 1960ern und frühen 70ern erste Hits. Dann, nachdem sie sich aus der brutalen Ehe befreien konnte, musste Turner nochmal durchstarten –  und die Bedingungen waren fast unüberwindbar schwierig.

Nur mit ein paar Cents und einer Tankkarte in der Tasche und als alleinerziehende Mutter zweier Söhne fing Turner von vorn an. Sie sang und tanzte zuerst in Clubs, Hotels und auf Betriebsversammlungen. Sie habe geputzt, wo sie unterkam, sagte sie.

Der zweite Durchbruch

Und dann, mit 45 Jahren, schaffte sie den großen, unerwarteten, aber hoch verdienten  zweiten Durchbruch. Das Album „Private Dancer“ lieferte mehrere Hits, vier Grammys – und eine Genugtuung für eine hochtalentierte Frau. Von da an war sie ganz oben, sie sang Duette mit den größten Stars von damals (und auch heute), wie Mick Jagger, David Bowie, Eros Ramazotti oder Beyoncé. 

Turner brach mit 180.000 Besuchern in Rio de Janeiro den damaligen Rekord für eine Einzelkünstlerin.

Überlebensgroß

Für alle, die sich noch an die 1980er erinnern können, ist Turner – auch wegen ihrer fast schon sprichwörtlichen Mähne – eine der prägenden Figuren.  Auch, weil sie fast schon legendär leicht bekleidet war – und damit ein  Statement der Selbstbestimmung setzte: Sie konnte sich das erlauben, sie tat es in einem Alter, in dem von Frauen damals wie heute erwartet wurde, dass sie unauffällig sind.

Und sie bestärkte dadurch viele ihrer weiblichen Fans.

Ihre Konzerte – für den Autor dieser Zeilen war ein Wien-Auftritt Mitte der 1980er das erste große Popkonzerterlebnis – waren große Shows, in denen Turner nicht nur die Rockröhre ausführte, sondern auch persönlich wurde. 

Sie hat viel Leben gelebt; sie hat davon erzählt und gesungen. Ihr Hit „What’s Love Got To Do With It“ klingt ohnehin nach einer Abrechnung mit Ike Turner (der 2007 starb); sie brauchte, wie sie sagte, Jahrzehnte, um ihm zu vergeben.  „Private Dancer“ thematisierte, als das im Hitparadenpop noch lange kein gern angegriffenes Thema war, die Ausbeutung von Sexarbeiterinnen.

Ihr Markenzeichen war ihre Stimme, deren Palette von samtweicher Tieflage bis zum sonor-durchdringenden Powerdröhnen  ihren Songs Spannung und eine Art der Erbaulichkeit gab, die unverwechselbar wurde. Der Rolling Stone würdigte Turners Organ als eine der größten Stimmen der Geschichte.

Dabei war selbst das erste Karrierehoch an der Seite von Ike Turner alles andere als vorhersehbar. Geboren als Anna Mae Bullock, wuchs Turner im Südstaatennest Nutbush in Tennessee in einer Baumwollpflückerfamilie auf – noch unter der Rassentrennung in den USA. Es von dort zur Rolle als Backgroundsängerin bei Ike Turners Band Kings of Rhythm und dann 1966 auf die selbe Bühne wie die Rolling Stones  zu schaffen, war ein weiter Weg.

Die Königin

Der führte nach ganz, ganz oben. In den 1980er-Jahren, am Höhepunkt des Popjahrzehnts, wurde Tina Turner als Gegenpol zum „King Of Pop“ Michael Jackson die „Königin des Rock ’n’ Roll“ genannt. Sie ist eine der meistverkaufenden Popsängerinnen der Geschichte, und nachdem sie zum zweiten Mal die Spitze erklommen hatte, blieb sie dort.

Turner nützte den Erfolg, um auch auf der Kinoleinwand präsent zu sein, etwa in „Mad Max“, und um sich in der Schweiz ein Leben nach ihrem Geschmack einzurichten. „Vor 12 Uhr nicht läuten“, steht am Tor ihres Anwesens.

Turner lebte dort mit ihrem deutschen Mann Erwin Bach. Sie traf den 16 Jahre jüngeren Musikmanager Mitte der 80er-Jahre.

Die Beziehung hielt, und 2013 heirateten die beiden in Küsnacht. Bach nannte seine Frau „Schatzi“, wie er der New York Times verriet, manchmal auch „Bärli“.

Im Jahr 2009 zog sich Turner ins Privatleben zurück. Sie zeigte sich nur noch selten in der Öffentlichkeit, etwa, um für ein Buch oder ein Musical über ihre Lebensgeschichte zu werben. 2016 wurde bei ihr Darmkrebs diagnostiziert, ihre beiden leiblichen Söhne starben vor ihr.  

Ihren Platz in der Musikgeschichte hatte sich Turner schon lange ersungen. Mit ihrem Tod ist diese Musikgeschichte um eine ihrer größten Performerinnen ärmer.

Georg Leyrer

Über Georg Leyrer

Seit 2015 Ressortleiter Kultur und Medien, seit 2010 beim KURIER, seit 2001 Kulturjournalist. Zuständig für alles, nichts und die Themen dazwischen: von Kunst über Musik bis hin zur Kulturpolitik. Motto: Das Interessanteste an Kultur ist, wie sie sich verändert.

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