Zukunftsnah: Wie sich die Mode(branche) ändern wird
Designer finden neue Wege für die Textilienproduktion. Alles über 3D-Druck, Re- und Upcycling und das Färben von Stoffen mit Bakterien.
Umdenken heißt das neue Schlagwort der Modeindustrie. Egal, ob es um neue Materialien geht, um Produktionsprozesse oder um Ressourcenverschwendung. Heute arbeiten Wissenschaft, Forschung und Mode- wie Kunsthochschulen mit Hochdruck eng zusammen und entwickeln neue Konzepte und Strategien, um möglichst effizient und nachhaltig Mode zu produzieren. So bringt es die Salzburger Designerin Julia Körner gleich auf den Punkt. „Mit unserem 3D-Druck gibt es in der Mode keine Grenzen mehr für Form und Geometrie.
Es ist außerdem einzigartig, da es keine Näharbeiten mehr erfordert.“ Das Beste daran ist aber, dass kein Modemüll entsteht, da kein Überschuss produziert wird. „Wir sind auf 3D-Druck spezialisiert, eine additive Fertigungstechnik, die an sich schon ein nachhaltiger Prozess ist, da nur so viel Material verwendet wird, wie auch unbedingt benötigt wird. Außerdem kann ich lokal auf Anfrage produzieren und mit nachhaltigen Materialien arbeiten“, so die Designerin.
Sie verwendet etwa biologisch abbaubares Plastik, aus Maispflanzen gewonnen, Bio Harz aus Maispflanzen oder Sojabohnen. Aber auch Materialien, die aus recyceltem Plastik-Meeresmüll gefertigt werden. Die findige Österreicherin ist mit der Arid-Collection (siehe linke Seite) auch Teil des „Re-Fream Horizon 2020 Projektes“, das Wolfgang Gumpelmaier-Mach, Projektmanager an der Uni Linz, so erklärt. „Bei Re-FREAM geht es darum, Mode-Textilien und die Produktion dieser, mit Hilfe von Technologie-Science Partnern im Hub Linz, Berlin und Valencia, neu zu denken.“ Er ist der Koordinator des Projekts, das eng mit der Kunstuni Linz-Fashion&Technology zusammenarbeitet. Auch das Projekt „Syntropia“ von Sophia Guggenberger und Eugenia Morpurgo zählt dazu. Die beiden Designerinnen entwickelten etwa einen Schuh, der nur aus vier Hauptkomponenten besteht. Diese Teile werden aus biologisch basierten Materialien hergestellt, die alle auf demselben polykulturellen Feld wachsen können, sodass die verfügbaren Bodenressourcen besser genutzt werden. Eine bessere Anreicherung des Bodens wird ermöglicht, der Wasserverbrauch vermindert und die Artenvielfalt gefördert. Daneben erforschen die beiden, wie sie starre Produktionsprozesse und -werkzeuge flexibler gestalten können, um für flexible Produkte flexible Ressourcen zu schaffen.
Bakterien & Baumrinde
Auch Textildesignerin Julia Moser arbeitet an der Schnittstelle zwischen Mode, Design und Forschung. Die Österreicherin beschäftigt sich mit der Frage, wie Biodesign die Textilindustrie revolutionieren könnte. In ihrem Projekt, das in Kooperation mit dem „Vienna Textile Lab“ entstand, setzt sie Bakterien zur Färbung von Textilien ein und untersucht, wie lebende Organismen als Alternative für Färbungsprozesse eingesetzt werden können. Für einen Quadratmeter Stoff braucht es etwa zwei Quadrat-Millimeter Bakterien, die sich so vermehren, das Textil überwachsen, das in einem festen oder flüssigen Nährmittel, etwa Wasser oder Agar, gefärbt wird. Dafür wird kaum Wasser verbraucht, die Pigmente bleiben nahezu zu 100 Prozent im Stoff.
Wer hätte gedacht, dass auch Baumrinde wieder in Mode kommt. So forscht das Team um Johanna Hehemeyer-Cürten und Charlett Wenig am Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung im „The Bark Project“ zu neuen Konzepten für Biomaterialien. Dabei haben die beiden festgestellt, dass Baumrinde als Abfallprodukt der Holzindustrie eine ressourcenschonende Weiterverwertung bietet, von der Herstellung von Naturfarbstoffen bis zu Glasuren und Textilfasern. Baumrinde ist dank seiner Flexibilität, Elastizität und höherer Reißfestigkeit für Webtechniken geeignet, die beispielsweise bei Jeansstoff angewendet werden.
Recycling & Zero-Footprint
Weitere Schritte zu nachhaltiger Produktion sind nach wie vor Up- und Recycling, um den weltweiten Modemüll einzudämmen.
„Wir entwickeln Taschen und kleine Accessoires gemeinsam mit Technologie-Treibern aus der Auto- und Flugzeug-Industrie“, erzählen Christoph Tsetinis, Ruby Wallen und Parnia Sarraf vom Wiener Label „Published By“. „Dabei setzen wir vermehrt auf recycelte Materialien wie zum Beispiel recycelte Autobauteile, die wir als Kernstruktur für unsere Taschen verwenden, oder recyceltes Silber für unseren Schmuck.“ Das österreichische Design-Studio ist auch laufend mit Firmen und Instituten im Austausch und erprobt gerade öko-freundliche Beschichtungstechnologien. „Besonders interessant ist auch recyceltes Leder, das wir ab dem nächsten Jahr verwenden wollen. Nach langer Suche, arbeiten wir jetzt mit einem Produkt, das aus recyceltem Leder und PET-Flaschen besteht.“ Die Designer achten auch von Beginn an auf Vermeidung von Modemüll. So verkaufen sie die meisten Produkte im digitalen Raum, was Ressourcen schont. Die Taschen werden erst skizziert, dann 3D modelliert, schließlich gerendert und simuliert, um sicher zu gehen, dass sie technisch funktionieren. Zum Schluss bespricht das Team die Designs vor Erzeugung eines physischen Prototypen mit den Einkäufern, um auch hier eventuellen Müll einzusparen.
Auch Agnes Varnai ist auf der Suche nach veganen Lederalternativen. Die Absolventin der Modeklasse für Angewandte Kunst in Wien, hat für ihr Label „Ordained Hardware“ eine Silikon-Technik entwickelt, die das Gefühl von Tierhaut, in Kombination mit upgecyceltem Textilabfall imitieren soll.
Um Eco-Material und Produktion mit Zero-Footprint dreht sich auch alles bei dem amerikanischen Schuhlabel „Allbirds“. Die Designer wollen Produkte herstellen, die aus der Natur kommen und zertifiziert sind. Zur Zeit arbeiten sie daran, mit dem speziell entwickelten TrinoXO-Material, die weltweit erste komplett vom MSC-Siegel zertifizierte Beschaffungskette für Kleidung zu schaffen. Das ganze Unternehmen ist zudem 100 % kohlenstoffneutral. Jetzt arbeitet das Design-Team daran, wie sie auch den Fußabdruck aller Produkte auf einen Zero-Footprint umstellen können.
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