Wie die kurze Hose bei Männern seit Jahrhunderten polarisiert

Wenn Herren Shorts tragen, sorgt das nicht nur für Begeisterung. Wo das Kleidungsstück seine Ursprünge hat und wer sie liebte. Eine lange Geschichte zur kurzen Hose.

Lästermaul und Autorin Fran Lebowitz hat es nicht wirklich mit kurzen Hosen bei Männern: "Da ist es mir immer noch lieber, jemand kommt mir mit einer Handgranate entgegen", sagte die New Yorkerin einmal. 

Ja, eh lustig. Aber ist es nicht zu billig, sich immer noch über Shorts an den Herren der Schöpfung lustig zu machen? Besenreiser, kasige Haxn und - Gott bewahre - dichtes Beinhaar. Es ist nicht immer alles ästhetisch, aber wie war das noch mal mit der viel beschworenen body positivity? Das Kleidungsstück ist nun einmal nicht sonderlich gut beleumundet und klischeebehaftet. Es sei nur etwas für Buben oder für Stadttouristen, die das mit Sandalen, Socken und hässlichen Hemden kombinieren, heißt es oft.

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Doch seit einigen Jahren häufen sich im Sommer Lifestyle-Berichte, die beschreiben, wie man die Kurze halbwegs stilvoll trägt. Ja, sogar ins Büro! Luxus-Labels schicken ihre Männer mit Shorts auf den Laufsteg. Es ist also nicht mal mehr sonderlich revolutionär, modisch Andersgläubige damit zu ärgern. 

Ein Model auf dem Laufsteg. Die Dior-Männerkollektion für den Sommer 2023. 

©EPA/Mohammed Badra

Ursprünglich war es gar umstürzlerisch, auf kurze Hosen zu pfeifen. Vor der Französischen Revolution trugen die Adeligen ihre etwas über die Knie reichenden Culotten, Bauern und Arbeiter hingegen lange Hosen. Nach 1789 setzte es sich durch, dass sich alle Klassen in langen Hosen gewandeten.

Als Bub ja, als Mann nein

Die Kurzen waren in der westlichen Welt nur etwas für Buben, die als Babys wiederum lange weiße Kleider angezogen bekamen. Es war, wie es eine Abhandlung auf der Seite des US-amerikanischen Herrenausstatter Old Bull Lee nahelegt, sozusagen eine Evolution weg von Femininität hin zur Mannwerdung. Ein Erwachsener war einer, der lange Hosen trug.  Autor Josh Sims sieht das etwas anders: "In einer Zeit, in der Kinderkleidung noch keine kleingemachte Erwachsenenmode war, half die kurze Hose Kindern sich wie Kinder zu benehmen und wie Kinder zu denken." 

Die Ursprünge der Kurzen für Männer, so wie wir sie heute kennen und - nicht alle - lieben, liegen in der Welt des Militärs. Zumindest legen das Fotos aus den 1880ern nahe. Die angesehene nepalesische Armee trug demnach Khaki-ähnliche Stücke. Die britische East India Company hatte die Gurkha-Soldaten im Anglo-nepalesischen Krieg zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschlagen. Aber weil sich die Kämpfer so wacker geschlagen hatten, stellten die Briten die Nepalesen für ihre Kriege an. Ein erster Schritt zur Verbreitung war getan.

Ein wichtiger Schnitt sollte noch folgen - und zwar auf den Bermudas. Die britische Royal Navy schlug hier 1816 ihr Nord-Atlantik-Hauptquartier auf. Dort betrieb Nathanial Coxon ein legendäres Tee-Geschäft. Darin muss es furchtbar eng und damit auch sehr feucht und heiß gewesen sein.

Die Angestellten sollen sich fürchterlich über ihrer Uniformen aus Blazers und Khakis beschwert haben. Coxon, ein findiger Geist, habe einfach die Hosenbeine mit einer Schere über dem Knie abgeschnitten. Problem gelöst. Andere wiederum berichten, er habe die Hosen seiner Angestellten zu einem lokalen Schneider gebracht. So oder so: Marineadmiral Mason Berridge, der sich mit Tee eindeckte, fand Gefallen daran und übernahm mit den untergebenen Offizieren diesen Stil.

Churchill nickte die Bermudas ab

Die Soldaten taten es ihnen bald darauf in Yacht Clubs gleich. Wenig später wurde eine kurze Khaki-Hose zum Standard-Kleidungsstück des Alten Britischen Empires in den warmen Gefilden. Selbst der gestrenge Winston Churchill soll einen Sanctus gegeben haben: "Die kurze Hose ist eine schreckliche Mode-Wahl, außer sie ist von den Bermudas", soll er gesagt haben. 

In der nepalesischen Gurkha-Armee trugen Männer früh kurze Hosen.

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Die Einheimischen der warmen Inseln begannen, den Stil für einen zivilen Einsatz zu modifizieren. Da die Bermudas in den 1920ern ein beliebtes Ziel für Dampfschiffe und Touristen waren, die vor dem Winter flohen, verbreitete sich die Mode bald in den USA und auch sonst fast überall in der Welt.

Auch in Großbritannien selbst tat man einiges, um die Kurze salonfähig zu machen. Dort waren die Shorts Teil der Schuluniformen, womit man Disziplin signalisieren wollte. Besonders bei jenen der Elite-Schulen. Ironischerweise waren die Uniformen ursprünglich von karitativen Organisationen entworfen worden, um bedürftige Kinder zu erkennen. Die Burschen der höheren Schichten adaptieren die Kurzen auch als Sportkleidung und lösten damit nach 1900 die weiten und schweren Dreiviertelhosen ab, die mit Stutzen kombiniert wurden. Das Establishment war damit nicht rundum glücklich.

Beim Wandern hatte sich die Kurze zwar schon durchgesetzt, beim distinguierten Tennis sollte es bis 1932 dauern. Da kam der englische Top-Spieler Bunny Austin in Flannel-Shorts auf den Court der U.S. National Championships in New York. Üblich waren damals lange, weiße Hosen. Für Termine davor und danach musste sich Austin wieder gebügelte lange Hosen anziehen. Bis in die 1950ern blieben die Shorts dem Sport vorbehalten.

New Yorker Männer zeigen in den 1950er Wadeln.

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Einige Gemeinden in den USA hatten sogar Trageverbote abseits der Trainingsplätze erlassen. Dabei wurde wohl geflissentlich übersehen, dass ein Held der US-Kulturwelt die Shorts liebte: Ernest Hemingway, der es klimatisch gerne etwas wärmer mochte, ließ sich darin nicht selten ablichten.

Ernest Hemingway mit Martha Gellhorn auf dem Strand in Waikiki. Natürlich trägt er kurze Hosen.

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Der Nonkonformismus zeigte nach Ende des Zweiten Weltkriegs in der westlichen Welt zarte Pflänzchen - die Bermudas und Artverwandtes sahen in den Sommermonaten vermehrt das Sonnenlicht. Die aufkeimende Surf-Kultur trug wohl ihr Übriges dazu bei. Denn wenn etwas cool war, dann waren es die braungebrannten Burschen auf ihren Brettern - und somit auch ihre Badeshorts. Neoprenanzüge waren noch nicht erfunden.

Surfer waren immer schon coole Typen. Sie trugen kurze Badehosen und viele machten es ihnen nach.

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Dann kamen die 60er. Freie Liebe, Freigeistigkeit und freie Beine feierten frohe Urständ. Und auch auf der Leinwand wurde Mann freizügiger. Etwa James Bond im Film Feuerball. Sean Connery tauchte, fuhr Boot und jagte Bösewichte knappen Jantzen-Shorts. Und wenn das ein Herr, der eigentlich durch und durch Eleganz versprühte, konnte, durften es ihm andere wohl auch nachmachen.

Knappe Pants im Studio 54

Knapp blieb es ein paar Jahre später mit Beginn der Disco-Ära, die ihre Ursprünge in der schwulen Sub-Kultur hat. Im Studio 54 betörten Burschen mit engen Sport-Pants und weißen Stutzen Besucherinnen - und wohl noch mehr die Besucher. Mit dem Aufkommen von Grunge und Hip Hop durfte es dann in den 90ern wieder weiter sein.

Sean Connery als James Bond in Fireball - mit Claudine Auger und knapper Hose.

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Knapper verhält es sich mit der alpinen Variante der kurzen Hose, nach der in den 1960ern gar ein eigenes Filmgenre benannt wurde. Als die Sex-Welle über Europa hereinbrach, lockten die Lederhosenfilme die Massen in die deutschsprachigen Kinos. Zünftige Burschen entledigten sich ihrer, um in den Softpornos Marke Liebesgrüße aus der Lederhose, Beim Jodeln juckt die Lederhose mit hübschen barbusigen Damen unter die karierte Bettdecke oder ins Heu zu verschwinden. Als derartige Szenen an den 1960ern über die Leinwände flimmerten, war das Kleidungsstück noch nicht so lange in der alpenländischen Tradition, wie man gerne annehmen könnte. Bauern trugen zwar schon seit jeher Hosen aus Leder, aber sie waren oft Kniebundhosen. Das Material bestand aus Ziegen- oder Schafleder. Hirsch war zu teuer. Derartige Exemplare verschwanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer mehr, weil man verstärkt auf wetterfesten Loden setzte. 

Mit der Romantik waren alte Werte wieder gefragt, Trachtenvereine schossen aus dem Boden. An den Höfen in Wien und München grassierte ein regelrechter Trachten-Hype, Adelige gingen in der Hirschledernen auf die Pirsch. Die Krachlederne, so wie wir sie heute kennen, dürfte auf den Lehrer Josef Vogl zurückgehen, der im bayerischen Bayrischzell unterrichtet. "Er war ein geselliger Mensch, der aber keineswegs die Gesellschaft anderer Studierter brauchte. Lieber saß er mit den jungen Burschen und den Holzknechten beieinander, und in dieser Runde soll am Pfingstmontag 1883 die Rede auf die kurzen Lederhosen gekommen sein, die man praktisch überhaupt nicht mehr sehe, und selbst die Jäger kämen schon bald daher wie die Offiziere", berichtete die Süddeutsche.

Sittenwidrige Lederhose

Er ließ eine traditionelle Hose nach seinen Vorstellungen fertigen und gründete einen Verein. Die Krachlederne hatte anfangs ein ähnlich schlechtes Image wie die Bermudas. Die Kirche verbot die Teilnahme damit an Prozessionen. Noch 1913 erklärte das erzbischöfliche Ordinariat in München Kurzhosenvereine für sittenwidrig.

Traditionsgemäß setzt das englische Königshaus auch auf kurze Hosen - aber nur bei ihren Buben. Gescheitelte Haare, Shorts und Kniestrümpfe - so wie früher halt. So brav muss Louis, der es wohl aber faustdick hinter den Ohren hat, öffentlich auftreten. Auch im Winter. Sein älterer Bruder ist davon befreit, er ist schon zu alt dafür.

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Louis trägt auch im Winter eine kurze Hose. Die Tradition sieht das so vor.

©REUTERS/TOBY MELVILLE

Mit schlichter Kleidung zeigt man einerseits: Seht her, wir verprassen euer Geld nicht. Aber wie der Tagesspiegel treffender Weise geschrieben hat, schwingt hier auch etwas ganz anderes mit: "Er zeigt konservatives Traditionsbewusstsein, an der kurzen Hose lässt sich sozusagen das Hochhalten alter Werte ablesen. In Ländern wie England ist das nicht erstaunlich, weil die Kinder immer noch in Uniform in die Schule gehen, viele Mädchen in Faltenröcken und die Jungen mit kurzen Hosen. Jeans, gar trendig zerlöchert, sind etwas für das Volk, die Adeligen und die Oberschicht dagegen erkennt man an ihrem Retro-Look. Wer etwas auf sich hält, kleidet sich möglichst altmodisch, das ist ein soziales Statussymbol." 

 

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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