Guter Sex? Kein Schicksal – eher Teamwork im Bett

Über die Realität des sexuellen Umlernens – und warum Reden manchmal besser wirkt als Stellungsakrobatik.

Es gibt Menschen, die sind überzeugt: Entweder funkt’s im Bett – oder eben nicht. Die Chemie stimmt, oder sie stimmt nicht. Fertig. Kein Nachjustieren, kein Nachdenken, kein Herumprobieren. Wenn’s läuft, dann läuft’s. Wenn nicht, dann war’s halt nicht „der oder die Richtige“. Daher: Der/die Nächste, bitte. Diese Leute glauben an das große „Sex-Schicksal“: romantisch. Fatal. Ein Geschenk des Himmels. Aber ist das wirklich so?

Kaum etwas in unserem Leben wird so idealisiert und gleichzeitig so wenig reflektiert wie unsere Sexualität. Die meisten erwarten, dass sie einfach funktioniert – als wäre sie ein Naturereignis. Aber: Guter Sex ist kein Schicksal. Es ist „Arbeit“. Die gute. Mit Schweiß, Gesprächen – und manchmal auch mit einer Portion Selbstironie

Eine neue Studie von der Saint Louis University, USA, hat genau das erforscht: Wie denken wir über Sex – und was macht das mit unserem Lebensglück?

Die Antwort: Wer glaubt, dass guter Sex „einfach so“ passiert, hat weniger davon. Klingt ernüchternd, hat aber Logik. Denn was man für selbstverständlich hält, wirkt weniger sinnstiftend. Menschen mit einem „Wachstums-Mindset“ hingegen berichten über mehr Lebenszufriedenheit, wenn sie sexuell glücklich sind. Das sind jene, die überzeugt sind, dass erfüllter Sex durch Kommunikation und gemeinsame Anstrengung entsteht. Für sie ist prickelnde Erotik keine Frage des Schicksals, sondern der Haltung: Man kann, darf und soll dazulernen. Auch nach Jahren. Und auch wenn das bedeutet, Dinge zu sagen wie: Du, könntest du das mal nicht ganz so … enthusiastisch machen? Oder: Du, ich bin heute eher auf der Seite der härteren Fraktion unterwegs, also: pack! zu! 

 Man kann, darf und soll dazulernen. Auch nach Jahren. Und auch wenn das bedeutet, Dinge zu sagen wie: Du, könntest du das mal nicht ganz so … enthusiastisch machen? Oder: Du, ich bin heute eher auf der Seite der härteren Fraktion unterwegs, also: pack! zu! 

Sex aus "Vermeidungsmotiven"?

Die Studie hat weitere spannende Aspekte ans Licht gebracht: Männer glauben öfter an das Sex-Schicksal als Frauen. Letztere, besonders in unverheirateten Beziehungen, setzen häufiger auf das Wachstumsmodell – vielleicht, weil sie es historisch öfter mussten. Der sogenannte Orgasmus-Gap lässt grüßen: In heterosexuellen Beziehungen haben Männer signifikant öfter einen Höhepunkt als Frauen. Wer da glaubt, dass Sex einfach „von selbst“ gut ist, hat vermutlich den eigenen Anteil daran überschätzt. Ebenso interessant: In längeren Beziehungen – also dort, wo das frühe Feuer dem Alltagsgrau weicht – haben Menschen häufiger Sex aus Vermeidungsmotiven. Damit kein Streit entsteht, keine Enttäuschung. Verständlich. Aber gefährlich. Denn wenn Nähe nur noch ein Mittel ist, um Konflikte zu vermeiden, wird sie selbst zur Belastung.

Alles in allem heißt das, dass Sex sich verändern darf und sogar sollte. Dass es völlig okay ist, nicht mehr der leidenschaftlich schreiende 20-jährige Orgasmusgott zu sein, sondern ein neugieriger Mensch mit Erfahrung, Humor und einer klaren Meinung zu Latexallergien

Es heißt, dass wir uns von der Idee verabschieden können, dass es immer „passen“ muss – und stattdessen fragen: Was bräuchte es, damit es wieder funkt – abseits von Affären, Kicks und Partnerwechsel? Denn nein: Monogamie per se ist nicht der Mörder des Verlangens – eher der Hausverwalter, der darin schlummert: Der sorgt für Ordnung, Sicherheit, Planbarkeit. Und räumt dabei leider auch das Prickeln von den Gängen. Was da hilft? Nicht der neue Reiz von außen, sondern der tiefere Blick nach innen. Wer sich selbst weiterentwickelt, entdeckt auch im Bekannten wieder das Unbekannte – und damit die Lust neu. Sex ist kein Selbstläufer. Eher ein Spaziergang mit Navi-Aussetzern. Und wenn’s mal hakt? Nicht gleich flüchten – sondern eine Runde reden. Auch im Bett.

Präventiv

Bereits leicht erhöhte Zuckerwerte können Libido, Erektionsfähigkeit und Spermienbeweglichkeit beeinträchtigen – selbst bei gesunden Männern, so eine Langzeitstudie, die unlängst beim Fachkongress „ENDO 25“, vorgestellt wurde. Heißt: Wer rechtzeitig auf Ernährung, Bewegung und Blutzucker achtet, kann nicht nur Diabetes vorbeugen, sondern auch seine sexuelle Gesundheit schützen. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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