Verkehrserziehung: Pornos schauen - aber richtig

Menschen konsumieren Pornografie. Das zu bewerten, wäre müßig. Stattdessen sollten wir darüber nachdenken, was Pornos wirklich sind und wie viel sie mit echtem Sex zu tun haben.

"Pornokompetenz" – ein Begriff, der auf den ersten Blick nicht sehr geschmeidig und sexy klingt, sondern nach einer trockenen Vorlesung, bei der alle wegnicken. Vor allem für Fans des trivialen Stoßverkehrs, die damit zwischendurch mal Druck abbauen und gar nicht erst verstehen wollen, dass es in der Causa "Porno" womöglich etwas zu verstehen gäbe.

Doch genau für diese Zielgruppe ist der Begriff gedacht. Auch, weil dem Konsum einschlägiger Bilder und Filme nach wie vor das Prädikat "gar nicht wertvoll" anhaftet. Was einerseits verständlich, andererseits falsch sein kann. Verständlich, weil verdammt viel schlechtes Zeugs kursiert, ethisch daneben, unter dubiosen Umständen produziert. Missverständlich deshalb, weil es gleichzeitig immer mehr ProduzentInnen gibt, die ethisch korrekte Pornos machen, wofür mittlerweile ein Gütesiegel existiert. Ihr Ziel ist es unter anderem, sexuell realistischere Bilder zu verbreiten, statt überdimensionale und perfekt gestylte Genitalien im stupiden Rein-Raus-Modus. So oder so haftet Pornokonsum etwas Schlüpfriges und Schamhaftes an, weil wir es so beigebracht bekamen: Tut man nicht! Es tut aber fast jeder. Genau deshalb braucht’s so etwas Sperriges wie Pornokompetenz, die auch nichts anderes ist als eine Form der Medienkompetenz. Man konsumiert nicht im Blindflug, sondern hinterfragt das Gesehene kritisch. Was aber nicht bedeuten soll, dass man keinen Spaß mehr haben darf. Das ist auch deshalb wichtig, weil Jugendliche im Netz nach Antworten auf ihre sexuellen Fragen suchen, um dann auf billige und frauenfeindliche Klischees zu stoßen, die männliche Machtfantasien bedienen. Dass das eher suboptimal ist und dabei verzerrte Bilder von Lust und Liebe entstehen können, ist bekannt.

Pornoführerschein?

Paulita Pappel ist zum Beispiel eine jener Menschen, die sich für mehr Kompetenz in Sachen Pornos aktiv engagieren. Die 35-jährige Spanierin gilt als eine der bekanntesten Produzentinnen realistischer Pornoclips, dabei steht sie sowohl vor als auch hinter der Kamera und engagiert sich als Intimitätskoordinatorin und Kuratorin beim Berliner Pornofilmfestival. Sie ist überzeugt, dass Pornokonsum enttabuisiert gehört, als normaler Aspekt der Sexualität, für den sich niemand schämen muss. Alles eine Frage des Bewusstseins und Wissens, deshalb hat sie nun auf der Erotik-Plattform "Lustery" einen eigenen Kurs ins Leben gerufen: "How To Watch Porn" will anregen, über den eigenen Pornokonsum nachzudenken. Dazu gehört etwa, dass das Gesehene als das identifiziert wird, was es ist: ein schlichter Film, der sehr wenig mit der Realität und noch weniger mit dem eigenen Sexleben zu tun hat. Es ist also wichtig zu wissen, was in Pornos tatsächlich passiert und dass das Meiste davon total überspitzt gezeichnet wird, mit dem Ziel, die Zuschauer zügig geil zu machen.

Sogar ein eigener "Porno-Führerschein" wurde mittlerweile ins Leben gerufen, mit dem Ziel, Sicherheit im eigenen Umgang mit Pornografie zu bekommen und kompetent mit dem Thema umzugehen. Auch im Sinne persönlicher Weiterentwicklung und Genussfähigkeit. Ins Leben gerufen wurde er von Madita Oeming, einer deutschen Kulturwissenschafterin, die sich auf das Thema "Pornografie" spezialisiert hat. Sie will durch eine differenzierte und unaufgeregte Herangehensweise Klarheit in diesen oft überfordernden Diskurs bringen. Dass die Nachfrage ziemlich groß sein muss, zeigt ein kurzer Besuch auf der Website teach-love.de, wo der Kurs angeboten wird. Dort heißt es aktuell: „Ausgebucht!“ Gut so.

Pornofilmpreis

Auch heuer wird „PorYes“ vergeben, der feministische Pornofilmpreis. Vom 21. bis 23. Oktober 2023 feiert diese Filmpreisverleihung für feministische Pornografie in Berlin lustvolle und konsensuelle Alternativen zum Mainstream-Porno. Der Preis hat die Form einer Auster, initiiert wurde er u. a. von der Sexologin Dr. Laura Méritt.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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