Eine Frau wird von einem Mann im Herzen gehalten.

Masturbation: Die geheime Kurve der Selbstliebe enthüllt

Norwegische Forschende haben herausgefunden, in welcher Lebensphase Menschen am liebsten Hand anlegen. Damen mit Anfang 30. Die Herren? Immer!

Es gibt Forschung, die ich schon alleine deshalb liebe, weil sie sich traut, das Offensichtliche zu untersuchen. Zum Beispiel die hübsche Frage: Wie verändert sich Masturbation im Lauf des Lebens?

Eine neue Langzeitstudie an der Universität Oslo, veröffentlicht im Journal of Sex Research, hat 2.562 Menschen von der Jugend bis zur Lebensmitte begleitet und Erstaunliches herausgefunden: Bei Frauen stieg die Masturbationshäufigkeit ab dem 19. Lebensjahr allmählich an, erreichte etwa mit 31 Jahren ihren Höhepunkt und nahm danach langsam wieder ab. Bei Männern war das Muster deutlich anders: Ihre Masturbationsfrequenz blieb über die gesamte Altersspanne von 19 bis 50 weitgehend konstant. Logischerweise wollten die Forschenden wissen, ob das etwas mit der Koitushäufigkeit zu tun hat. Die Antwort: Nein. Selbstbefriedigung ist kein Ersatz, sondern eine nette Draufgabe, ein Koitus-Parallelprogramm. 

Funktioniert immer - und ist unabhängig

Masturbation ist also eine weitgehend autonome Form sexuellen Verhaltens, ein eigenständiges Selbstbedienungselement – sozusagen die Schweiz unter den Sexualpraktiken: neutral, unabhängig, funktioniert immer. Oder wie die legendäre US-amerikanische Sexualpädagogin und Feministin Betty Dodson einst in ihrem Buch „Sex for One: The Joy of Selfloving“ beschrieb: „Masturbation ist die fortwährende Liebesaffäre, die jeder von uns ein Leben lang mit sich selbst führt.“ Lange her, immer noch schön. 

Heute taucht in der Sexualforschung trotzdem ein interessanter Begriff auf: der Masturbation Gap. So wie beim „Orgasm Gap“ klafft auch hier eine Lücke: Männer masturbieren im Durchschnitt häufiger als Frauen, was sich in der Studie ebenfalls spiegelte. Das ist vermutlich weniger Biologie als Betriebsgewohnheit. Eine Do-it-yourself-Mentalität also, die nie in der Krise war, während Frauen sich vielleicht etwas zurückhalten, weil: gelernt, Tradition. Oder sie schlicht weniger Zeit haben. Da wirkt die norwegische Kurve durchaus plausibel: Anfang 30 kennt man den eigenen Körper, weiß, was guttut, und hat noch genug Energie, sich selbst zu bespaßen. Danach kommen Kinder, Karriere, Müdigkeit, die Kurve zeigt zarte Ermüdungserscheinungen. Nicht, weil die Lust vergeht, sondern weil man schlicht die Prioritäten verschiebt: zwischen Wäsche, Waschmaschine und Ich wollte eigentlich nur kurz meditieren. Bei den Männern? Wie gesagt: alles stabil. Vielleicht, weil sie sich weniger stören lassen. Ruckzuck, erledigt. Vielleicht, weil sie schon früh erfahren, dass Lust für sie kein Projekt, sondern ein Reflex ist.

„Masturbation ist die fortwährende Liebesaffäre, die jeder von uns ein Leben lang mit sich selbst führt.“ 

Betty Dodson, Sexualpädagogin

Beruhigend ist jedenfalls , dass Selbstliebe eine gewisse Konstante bedeutet, bei Frauen, bei Männern. In Zeiten, in denen alles vermessen, bewertet und optimiert wird, ist sie offenbar das Letzte, was sich nicht von außen beeinflussen lässt. Keine App, kein Algorithmus, kein Partner, der fragt: Und – wie war ich? Die Studie zeigt aber auch: Die Lust auf sich selbst altert nicht – sie wechselt nur manchmal den Takt, das Tempo, die Art und Weise. Mitunter macht sie Umwege. Am Ende bleibt also alles beim Alten – nur anders.

Buchtipp

Neues Kapitel, neue Lust: Die bekannte Sexualtherapeutin und Gynäkologin Elke Franzki zeigt in ihrem Buch „Liebe, Sex & Zärtlichkeit“ (Goldegg, € 24.-), wie Frauen in und nach der Menopause Gesundheit, Selbstbewusstsein und Sinnlichkeit neu entdecken können. Offen, konkret und mit medizinischer Expertise spricht sie über Themen wie Lustlosigkeit, Schmerzen beim Sex, hormonelle Veränderungen oder den Neustart in Partnerschaft. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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