"Google Maps" für Sex: Warum Männer weibliche Anatomie pauken sollten

Was Frauen beim Sex glücklich macht, wissen viele Männer nicht. Ist ihnen das vorzuwerfen? Jein. Zu dominant sind Porno-Klischees, einen Kurs dafür gibt es auch nicht. Stattdessen müsste mehr geredet werden.

"Bashing" werfen Männer einer Frau vor, die öfters über männliche Orientierungslosigkeit beim Schnackseln schreibt. Erst unlängst trudelten bei mir zwei harsche Mails ein, in denen Begriffe wie "frigide", "frustriert", blabla, vorkamen. Jo eh.

Mir fällt dazu nicht viel ein, aber ich habe eine Vision: Männliche Menschen, die die Schulbank drücken, um weibliche Anatomie zu pauken. Einen Titel für den Kurs hätte ich schon: "Wo geht’s hier zum Kitzler?" Eine "Google Map" für die Routensuche Richtung Klitoris wäre ebenso überlegenswert. 

Zumal eine neue Studie der University of Florida den Status quo in Sachen anatomische Ahnungslosigkeit untermauert. Beinahe die Hälfte der darin befragten Männer hat keine Ahnung vom weiblichen Höhepunkt, noch weniger wissen sie über den Körper von Frauen. Nur die Brüste, vermute ich, würden sie immer finden, selbst blind und besoffen. Und weiter geht’s: 40 Prozent gaben irrtümlicherweise an, dass sich die Klitoris an der Vorderwand des Vaginalkanals befindet – also innen. Fröhliches herumfudeln!

Woher sollen die Männer es denn wissen, bitte? Im Sexualunterricht wird das anatomische Lustprinzip kaum erklärt und in Netz-Pornos gilt sowieso die Botschaft: drei Minuten Rammeln – und schon schreit sie entfesselt. 

Nicht genießen - und schweigen

Genug gebasht, es gibt nämlich auch Entlastendes zu sagen, allem voran: Woher sollen die Männer es denn wissen, bitte? Im Sexualunterricht wird das anatomische Lustprinzip kaum erklärt und in Netz-Pornos gilt sowieso die Botschaft: drei Minuten Rammeln – und schon schreit sie entfesselt. Schließlich wären da noch die Frauen selbst, die selten mitteilen, wo es langgeht, sondern stattdessen vorgaukeln, dass sie der klassische Rein-Raus-Ritt multipel und exzessiv kommen lässt.

In einem Interview mit dem "Scientific American" sagte Rob Perkins, Co-Founder der Website „OMGYes“ (eine Wissensplattform rund um Sexualität), Folgendes: "Wir haben Daten, die zeigen, dass 52 Prozent der amerikanischen Frauen ihren Partnern zwar sagen wollten, wie Sex für sie angenehmer sein könnte, es aber nicht taten." Warum? "Weil sie die Gefühle des anderen nicht verletzen mögen." Das klingt nach viel Feingefühl, macht aber keinen glücklich. Wer weiß? Vielleicht sollten Frauen potenziellen Sexualpartnern vorab ein paar Testfragen stellen, wie zum Beispiel: "Süßer, weißt du eigentlich genau, wo sich der Kitzler befindet?" Wenn der Gute dann irgendwas von Fußsohlen faselt, weil er das Wort "kitzeln" damit assoziiert, dann sollte man die Sache mit dem Sex nochmals überdenken und stattdessen aufklären: "So. Setzen: Dort, wo die Klitoris ist, befindet sich das ultimative Zentrum der weiblichen Lust. Also suche und finde – ich gehe dir dabei zur Hand."

Ja – alles eine Frage der Kommunikation. Wie vor einigen Jahren eine Studie der University of Indiana untermauerte, die mit "OMGYes" gemeinsam durchgeführt wurde. 3.000 Frauen im Alter zwischen 18 und 93 wurden befragt, was sie beim Sex angenehm finden. Etwa, in welchem Winkel der Penis idealerweise eingeführt werden soll, damit es gut ist. Oder was intensivere Orgasmen bringt – Zunge oder Finger? 

Schließlich kristallisierten sich vier Techniken heraus, die Frauen als besonders luststeigernd empfinden. In Sachen "Klitoris" sind zwei speziell spannend: 1.) "Angling" – für "ausrichten". Dabei geht es darum, das Becken oder die Hüfte beim Eindringen so zu verlagern, dass es zu einer besseren Reibung kommt. 2.) "Pairing" – für „verbinden“: 84 Prozent der Befragten gaben an, dass sie häufiger zum Orgasmus kommen, wenn sie gleichzeitig vaginal und klitoral stimuliert werden. Das gilt auch für die Selbstbefriedigung. Für all das braucht es eine eindeutige Sprache. Es müssen klare Worte her – für das, was eine Frau mag – und was nicht.

Sehenswert

Im Film „Slow“ lernen sich eine Tänzerin und ein Gebärdensprachdolmetscher in einem Tanzkurs für gehörlose Jugendliche kennen. Sofort  herrscht eine starke Anziehungskraft zwischen den beiden und es entsteht eine tiefe Beziehung. Allerdings entpuppt er sich als asexuell. Dieser sehr poetische Film zeigt  die Suche nach einer Form von Intimität, die für beide Partner lebbar ist. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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