Was Männer über die Klitoris wissen sollten...

... aber Frauen auch. Wie bedeutend, komplex und mächtig dieses Lustorgan ist, dokumentiert ein neues Buch.

Sex ist auch eine Geschichte vieler Missverständnisse, vor allem die weibliche Lust betreffend. Es ist immer wieder spannend, wie viele Irrtümer es da gibt – und wie oft dann zwar leidenschaftlich, aber im Grunde orientierungslos gefummelt, gerubbelt und herumgetan wird. Viele Männer sind davon überzeugt, das größte Glück, das sie Damen bescheren können, wäre eine saftige Penetration. Ob mit Finger oder Penis – Hauptsache, er hat lang und heftig gebohrt. Was eh nett sein kann, doch leider wird dabei etwas Zentrales außer Acht gelassen: Nämlich, dass Frauen Klitorisbesitzerinnen sind und dass diese nicht nur als lustiger Knubbel im Schritt auf Reibereien wartet, sondern so viel mehr kann und so viel mehr ist.

„Oft wird gesagt, die Klitoris sei wie ein Eisberg. Nur den kleinsten Teil davon können wir überhaupt sehen. Und das stimmt.“, schreibt Louisa Lorenz in ihrem neuen und sehr empfehlenswerten Buch „Clit. Die aufregende Geschichte der Klitoris“ (Heyne). Sie selbst entdeckte das weibliche Wunderwerk in ihrer ganzen Pracht und Dimension erst im Alter von 25 Jahren, als sie vor dem Laptop prokrastinierte und auf einen Artikel stieß, mit dem Titel „The Internal Clitoris“. Vor allem die Abbildungen ließen sie staunen, in denen sichtbar wurde, dass die Klitoris ein gigantisches System ist, das optisch einem Oktopus ähnelt. Davon sehen wir allerdings nur die schimmernde „Perle“, von der aus sich die Klitoris im Inneren des Körpers fortsetzt. In der medizinischen Fachsprache heißt dieser Teil „Klitoriskörper“, ein mächtiges Stück Lust, das an der Rückseite am Schambein festhalten wird. Und von da aus geht es weiter – in Form von zwei Beinchen oder „Schenkel“, die links und rechts vom Beckenknochen anliegen. Tatsächlich ähnelt die Klitoris dem Penis – so wie das männliche Geschlechtsorgan besteht auch sie aus verschiedenen Arten von Schwellkörpern. Ein komplexes, wunderbar ausgetüfteltes System also, mit dem sich die medizinische Literatur erstaunlich selten beschäftigt, im Gegensatz zum männlichen Genital.

Viele Männer sind davon überzeugt, das größte Glück, das sie Damen bescheren können, wäre eine saftige Penetration. Ob mit Finger oder Penis – Hauptsache, er hat lang und heftig gebohrt.

Genitalkörperchen

Die erwähnte „Perle“ ist selbstverständlich das Epizentrum der Erregung. „Bereits seit vielen Jahrhunderten sind sich ForscherInnen darin einig, dass sich an keiner anderen Stelle des Körpers so viele Nervenenden befinden, wie in der Klitoris“, schreibt Louisa Lorenz. Nerven, die darauf spezialisiert sind, unterschiedliche Formen von Berührung und Stimulation als Reize aufzunehmen. „Diese werden als Signale an unser Gehirn gesendet, die wir dann als Lustgefühl und Erregung wahrnehmen.“ Deshalb reagiert jede Frau unterschiedlich auf Berührungen in diesem Bereich, die meisten mögen es aber nicht, wenn an der Klitoris nonstop fest herumgefummelt wird. Der richtige Rhythmus spielt hier eine bedeutende Rolle.Je mehr Wissen man also zur Anatomie der Klitoris hat, desto mehr wird klar, was ihr guttun kann und was nicht. Dafür braucht’s auch ein Bewusstsein, dass es insgesamt vier große Nervenstränge gibt, die im Genitalbereich miteinander verbunden sind. Der, der die Klitoris betrifft, heißt „Klitorisrückennerv“, ist zwei Millimeter dick und verästelt sich in die anderen Teile des Genitalkomplexes. Dazu kommen so genannte Genitalkörperchen, die auf Druck reagieren, auf sanftes Streicheln und jede kleinste Berührung. Es zahlt sich daher aus, Ihr Liebhaber da draußen, dieses Wunderding zu suchen, zu finden und fantasievoll zu würdigen. Denn wie man es auch drehen und wenden mag: Die Klitoris ist das zentrale, weibliche Lustorgan. Seid gut zu ihr – und das gilt für Frauen und Männer.

 

Spielen

Je mehr Frauen selbst über ihre Klitoris wissen, desto schöner wird’s. Beim „Masturdate“ mit sich selbst kann man allerlei ausprobieren: Welche Berührung mag dieser Bereich meines Körpers? Direkt und druckvoll? Oder spielerisch-experimentell? Man muss die Klitoris oft gar nicht direkt stimulieren, kann sie klopfen, mit einem Finger oder der ganzen Hand drücken, beziehungsweise halten.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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