Warum Männer häufiger zum Orgasmus kommen als Frauen
Zwei Forscherinnen stellten eine neue These auf - und die hat nichts mit Biologie zu tun.
Lange Zeit rätselte die Wissenschaft, warum Frauen beim Sex überhaupt einen Orgasmus bekommen. Schließlich erfüllt er bei ihnen - im Gegensatz zur männlichen Ejakulation - keinen biologischen Zweck. Jedoch verfügen beide Geschlechtsorgane über eine hohe Konzentration an Nevenenden, die bei entsprechender Stimulation zum Höhepunkt führen.
Bei Männern passiert dies wesentlich häufiger, wie Studien zeigen. So kamen Forscher der kalifornischen Chapman University zu dem Ergebnis, dass 95 Prozent der heterosexuellen Männer regelmäßig einen Orgasmus haben, jedoch nur 65 Prozent der Frauen. Dieses Gefälle wird in der Sexualwissenschaft "Orgasm Gap" (Orgasmuslücke) genannt, angelehnt an den "Gender Pay Gap" zwischen den Geschlechtern.
Soziale Faktoren
Schuld daran sind nicht, wie häufig angenommen, die anatomischen Unterschiede, schreiben die beiden Psychologinnen Verena Klein und Terri Conley im Fachjournal Social Psychological and Personality Science. Da Frauen genauso viele Nervenenden besitzen und noch dazu zu multiplen Orgasmen fähig sind, müssten sie genau genommen sogar häufiger zum Höhepunkt kommen als ihre männlichen Partner.
Bei Selbstbefriedigung und lesbischen Pärchen scheint es hingegen kein Missverhältnis zu geben. Bei einer Studie des Hamburger Instituts für Sexualforschung gaben 91 Prozent der Frauen und 93 Prozent der Männer an, regelmäßig alleine zum Orgasmus zu kommen.
Die Forscherinnen begründen die sexuelle Ungleichheit mit soziokulturellen Faktoren: Männer würden sich eher dazu "berechtigt" fühlen, zum Höhepunkt zu kommen, und dies auch stärker einfordern. Ein ähnliches Muster zeige sich im Job, wo Männer tendenziell ein höheres Gehalt verlangen als Frauen, schreiben die Psychologinnen. Orgasmuslücke und Gehaltslücke liegen also nah beieinander.
Missverständnisse
Um ihre These zu untermauern, führten sie zwei Befragungen durch. In beiden zeigte sich, dass sowohl Frauen als auch Männer automatisch davon ausgehen, dass der Mann eher als die Frau zum Höhepunkt kommt. Auf die Frage, warum das so ist, nannten viele soziale Gründe: etwa, dass der Mann während dem Sex die Kontrolle hat und der Akt mit der männlichen Ejakulation zu Ende sei. Andere tippten auf die Biologie und vermuteten, dass Männer aufgrund von anatomischen Gegebenheiten schneller "kommen".
"Klein und Conley liefern einen starken Beweis, dass die Orgasmuslücke zu einem großen Teil sozialen Einstellungen und männlichem Anspruch geschuldet ist", schreibt der Psychologie-Professor David Ludden in Psychology Today. Das hieße aber nicht, dass Männer egoistisch und nur auf die eigene Befriedigung aus seien. "Frauen haben die Annahme, dass Männer zu einem Orgasmus berechtigt sind, sie selbst aber nicht, gleichermaßen verinnerlicht."
Um die Orgasmus-Lücke zwischen Mann und Frau zu verkleinern, brauche es noch mehr Wissen und Aufklärung - und ehrliche Kommunikation zwischen den Partnern.
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