Frau und Mann beim Geschlechtsverkehr

Pause statt Turnen: Warum man beim Sex öfter mal faul sein sollte

Im Bett sollte immer etwas passieren – Stellungswechsel, Aufregung, Rambazamba. Wirklich?

Ja, manchmal ist es okay und wichtig, beim Sex die Remote-Taste zu drücken - um nichts zu tun und faul zu sein. Vor allem dann, wenn die Lust auf die obligate Presslufthammer-Nummer eher bedingt ist. Wobei heftig-leidenschaftliches Rein-Raus durchaus seinen Charme haben kann, wenn das beide so wollen und die Gier akut ist. Doch dazwischen darf auch beschaulich gevögelt werden.

Erotik lebt von der Abwechslung, immer nur #wämbäm ist langweilig. Daher: Dramaturgie, Baby. Mal so, mal so. Unterschiedlich und spielerisch – etwa, indem man während des Akts einige Momente und Atemzüge lang pausiert, immer wieder. Und dann: weiter und weiter. Ein Plädoyer für die Pause also, innehalten, wenn’s am schönsten ist. Oder knapp davor. 

Den Genuss dehnen, um weit und ruhig zu werden. Beinahe meditativ. Für Männer vielleicht eine veritable Herausforderung, für Frauen, die wissen, warum ihr Lover gerade auf dem Bremsweg einbiegt ein Lust-Steigerungsmitttel. Runter vom Gaspedal, Tempo reduzieren, atmen, schauen und spüren. Ein Innehalten, das nichts mit Fadesse zu tun hat, sondern das Geschehen unglaublich intensivieren kann. Weil Pausen die Möglichkeit erschaffen, sich besser mit sich selbst, aber auch mit dem Partner zu verbinden.

Es geht darum, mehr wahrzunehmen, in die Lust zu fühlen, den Körper zu spüren – das, was gerade ist. Intim zu werden, im wahrsten Sinne des Begriffs. Denn meist hängt Lustlosigkeit oder eine Sexflaute mit einem Mangel an Intimität zusammen. Es fehlt an „Responsiveness“, im Sinne eines dialogischen Tanzes, in dessen Rahmen sensibel wahrgenommen wird, was die Partner brauchen. Das geht nicht, wenn beide gewohnheitsmäßig im Eilzugtempo dahinrasen, Motto: „Fertig! War’s eh auch gut für dich?“ Stattdessen: Fürsorge und Hinschauen.

Wer also unbequem liegt, sich gerade nicht so wohl fühlt, wenn etwas zwickt oder wem blöderweise der Stress mit Großmutters Geburtstag nonstop durch den Kopf geht, sollte versuchen, das interaktive Geschehen für einige Augenblicke zu unterbrechen. Um sich neu zu justieren und zu sammeln. Um wieder in den Körper zu kommen, raus aus dem Hirn. 

Pausen können aber auch dazu dienen, etwas zu korrigieren. Mehr Mut zum Stopp, statt an einer Stelle verkrampft weiterzutun, wo es längst hakt und irgendwie unlustig ist. Zähne zusammen und durch – dafür ist jedes Sexualleben zu kurz. Wer also unbequem liegt, sich gerade nicht so wohl fühlt, wenn etwas zwickt oder wem blöderweise der Stress mit Großmutters Geburtstag nonstop durch den Kopf geht, sollte versuchen, das interaktive Geschehen für einige Augenblicke zu unterbrechen. 

Um sich neu zu justieren und zu sammeln. Um wieder in den Körper zu kommen, raus aus dem Hirn. Oder beim Stellungswechsel: Denn echt jetzt – man muss nicht fließend von einer Position in die andere hecheln, es darf dazwischen auch einmal durchgeatmet oder gar nix getan werden.

Und manchmal fühlen sich Menschen beim Sex wie abgekoppelt, sie sind nicht „mit“ und „bei“ sich, sondern erleben die ganze Sause wie eine TV-Übertragung, bei der sie sich von oben selbst zuschauen. Weil das Gedankenkarussell saust und die wilden Affen im Kopf gerade Party machen. Dann wird die Jagd nach dem Orgasmus anstrengend und leistungsorientiert. Das nervt. 

Besser also: pausieren. Die Frage ist nur wie? Aufstehen und die Wäsche in den Trockner werfen – eher nicht so. Ebenso wenig wie Tee und Kuchen servieren oder eine Runde Insta schauen. Nein, Pausen sind dann gut, wenn sie so richtig zelebriert und ausgekostet werden: mit Hingabe, mit Worten, mit Blicken, mit Küssen. Solche Pausen ermöglichen Entwicklung. Und ja, dabei kann der Mann ruhig in der Frau bleiben, es geht ja nur darum, erst langsamer und dann ruhig zu werden. Du bei mir, ich mit dir, einige Sekunden oder Minuten lang. Wie heißt es so schön bei Stefan Zweig? „Auch die Pause gehört zur Musik“.

Buchtipp

Sex muss „wow“ sein –  dieses verkrampfte Bild macht  vielen Menschen sehr viel Druck. In ihrem Buch „Not giving a fuck“ lädt die Autorin Beate Absalon dazu ein, sich von der Vorstellung, Wahnsinns-Sex erleben zu müssen, zu lösen. Um stattdessen in eine individuelle, eigenständige und erfinderische Lust zu finden, im Sinne „gegenseitiges Wohltun und nutzloser Verrücktheiten“. Um 24 € bei Kremayr & Scheriau. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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