Zwei Frauen, die sich küssen

Warum lesbische Frauen mehr Orgasmen haben

Mit Männern kommen Frauen selten zum Höhepunkt, mit anderen Frauen viel öfter. Wieso das so ist und was man dagegen tun kann, erklärt eine Sexualberaterin.

Lesbische Frauen haben mehr Orgasmen als Männer. Das belegt eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift "Social Psychological and Personality Science" veröffentlicht wurde.

Für die Untersuchung wurden zwei Umfragen durchgeführt. An der ersten Runde nahmen 467 heterosexuelle und lesbische Frauen teil. Das Ergebnis: Frauen, die ausschließlich Sex mit anderen Frauen haben, berichteten von einer stärkeren Stimulation der Klitoris und generell mehr Orgasmen als die heterosexuelle Gruppe.

An der zweiten Umfrage nahmen 482 bisexuelle Teilnehmerinnen teil. Das Ergebnis fiel ähnlich aus: Die Teilnehmerinnen, die mit Frauen Sex haben, erlebten mehr und vor allem intensivere Orgasmen als jene, die mit Männern Geschlechtsverkehr haben. 

Aber warum ist das so? Grundsätzlich ist ein Orgasmus für lesbische Frauen genauso wichtig wie für bi- und heterosexuelle Frauen, so die Studie.

Lust des Mannes steht im Vordergrund

Die Gründe für diese sogenannte Orgasmus-Lücke sind unterschiedlich, sagt Sexualtherapeutin Christine Hofstätter. Biologische Ansätze gehen davon aus, es läge an der Anatomie der Frau. Beim Mann wird die Eichel direkt von der Vagina stimuliert, bei der Frau hingegen liegt die erregendste Stelle - die Klitoris - außerhalb. 

Zur Erklärung: Der größte Teil der Klitoris - also ihre Schenkel/Schwellkörper - liegen in den Vulvalippen, die sich bis zum Vaginaleingang erstrecken. Weil die Klitoris je nach Position - wie etwa bei der Missionsstellung - im Verhältnis zur Eichel kaum bis keine Stimulation erfährt, so kann es für Frauen schwieriger sein, zum Höhepunkt zu kommen.

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Gesellschaftliche Gründe

Ein weiteres Problem: Die Praktik der Heterosexuellen ist noch immer geprägt von den sexuellen Wünschen des Mannes. Penetration steht im Zentrum des "Aktes", bei dem die Frau den Mann befriedigen sollte. Hofstätter: "Dies spiegelt sich auch in Studien wider, die zeigen, dass Frauen beim Heterosex wesentlich häufiger Oralsex geben als empfangen." 

Beim lesbischen Sex ist die Klitoris zwar häufiger involviert, aber es bedeutet nicht, dass Frauen vaginale Stimulation generell keine Freude bereitet. Dies hängt etwa davon ab, wie sie gelernt haben, sich zu erregen. Wird etwa bei der Selbstbefriedigung nur die Klitoris stimuliert und der vaginale Innenraum nicht berücksichtigt, ist möglicherweise die Erregung auch bei der Penetration nicht vorhanden. 

Was in lesbischen Beziehungen generell besser funktioniert: Frauen kommunizieren offener, was sie für eine befriedigende Sexualität benötigen.

Tipps von der Expertin

  • Kopfkino ausschalten: "Es geht darum, in der Präsenz und in der Wahrnehmung zu sein." Manche Menschen kommen dabei in den sogenannten Flow-Zustand. "Man hat das Gefühl, die Zeit ist verflogen. Das passiert, wenn Menschen in der Präsenz und Wahrnehmung sind, dass sich das Empfinden von Zeit und Raum ändert." Achtsamkeitsübungen können beispielsweise helfen.
  • Mehr Bewegung beim Sex: Je mehr man sich bewegt, desto weniger können wir denken und desto mehr verteilt sich das Gefühl von Erregung im ganzen Körper. 
  • In Kontakt mit der eigenen Vulva und Vagina kommen: Regelmäßige und bewusste Berührung verbessert das Spürempfinden der Haut – an jeder Körperstelle! Möchte man die Wahrnehmungsfähigkeit von Erregung in der Vagina erweitern, kann man diese schrittweise auch in der eigenen Masturbationspraxis einbeziehen. 
  • Stellungswechsel: Stellungen wählen, bei denen die äußere Klitoris durch die Peniswurzel und das Schambein des Mannes stimuliert werden. Begünstigend ist auch das Becken während der Penetration zu bewegen. Beides kann helfen, die klitorale und/oder vaginale Stimulation bewusster anzusteuern und zu erleben.
  • Informieren: Je mehr man über den eigenen Körper weiß, desto sicherer kann man im Umgang mit diesem werden – dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Sexualität. Zu wissen, was man sexuell braucht, um diese Erfahrung zu genießen, gibt mehr Selbstvertrauen danach zu fragen und sich hingeben zu können.
  • Verstehen: Austausch mit der Partnerperson über die jeweiligen sexuellen Wünsche und Bedürfnisse kann nicht nur mehr Sicherheit im eigenen sexuellen Tun sowie eine Steigerung sexueller Lust (er)geben, sondern auch die Intimität in der Beziehung und Sexualität erhöhen. 
  • Aufklärung: sich Wissen über den eigenen und anderen Körper anzueignen. Welche Möglichkeiten des sexuellen Lernens gibt es? All das unterstützt, die eigenen Wünsche zu entfalten und Orgasmen sowie Lust auch in heterosexuellen Konstellationen auszugleichen.
  • Unterstützung holen: Wenn man das Gefühl hat in der eigenen sexuellen Entwicklung an eine Grenze zu stoßen, ist es ratsam einen Sexualberater oder -therapeuten zurate zu ziehen. Sie helfen, die eigene Sexualität besser zu verstehen und eigene Wünsche zu kommunizieren. 
Liisa Mikkola

Über Liisa Mikkola

Digital Producer bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit.

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