Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Kletscherpunsch

Von Mödling nach Wien: Weihnachtsmarktalarm!

Auf dem Weihnachtsmarkt in Mödling wird „Kletscherpunsch“ angeboten. Immerhin weiß ich jetzt, warum es das Gletschersterben gibt. Zuerst werden die Gletscher falsch geschrieben, danach geschlachtet und zu Punsch verarbeitet.

Nicht nur deshalb liebe ich den Weihnachtsmarkt. Er ist ganz klein, umfasst vielleicht fünf Punschhütten und ein winziges Ringelspiel. Meine Freundin ist sich nicht zu blöd, sich auf das lila Pferd zu setzen und  mit den Kindern eine Runde zu drehen. Ein Kind spielt mit seiner Mutter Verstecken, versteckt sich hinter einem Laternenmast und glaubt tatsächlich, dort unsichtbar zu sein, was das Vorrecht der Kinder ist. Eine junge Frau mit rosa Haaren hält laut Vorträge über Selbsterfahrungsgruppen, schüttet dabei Jagatee in sich hinein und wird immer trauriger. Ein Hund, der aussieht wie ein Putzfetzen, frisst einen zertretenen Kartoffelpuffer vom Boden. Aus einem scheppernden Lautsprecher tönt abwechselnd „Last Christmas“ und „Feliz navidad“, ein alter Mann tanzt dazu, und es riecht nach Weihnachten.

Raclettebrot

Ein paar Tage später fahren wir mit der Badner Bahn nach Wien, und schon die Fahrt fühlt sich weihnachtlich an. Die Badner Bahn erinnert mich immer an meine Kindheit, sie nimmt sich Zeit für die Fahrt, und man kann wunderbar Menschen beobachten. Irgendwann fährt sie an der Hinterseite eines traurigen Bordells vorbei, und die Leuchtreklame hat tatsächlich etwas Weihnachtliches an sich.

Im ersten Bezirk gehen wir an einer Nobelboutique vorbei, in der Auslage hängt ein aberwitzig schiaches Kleid, es sieht aus, als habe es jemand eigenmündig aus dem alten Küchenvorhang seiner Großmutter herausgebissen. Das Kleid kostet 14.300 Euro.

Auf der Freyung kaufen wir ein Raclettebrot. Es kostet ein bisschen weniger als das Kleid und ist doch wesentlich schöner.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm „Guitar Solo"

Der Letzte dreht das Licht ab“ ist am 16. Jänner in der Kulisse Wien und am 27. Jänner im Theater am Alsergrund zu sehen.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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