4.000 Schritte von der Donauinsel zum Tsingtao-Bier

Geplant war ein Gang zum Kirschenhain. Doch es kam anders.

Eigentlich wollte ich von der Reichsbrücke aus in den Norden der Donauinsel vordringen, wo sich oberhalb der Jedleseer Brücke ein Kirschenhain befindet, den die japanische Künstlergruppe „to the woods“ im Jahr 2002 angelegt hat. Die blühenden Kirschen wollte ich für ein persönliches Hanami-Erlebnis in Augenschein nehmen und hätte dafür auch gerne die etwa einstündige Wanderung von der U-Bahn-Station Donauinsel auf mich genommen, wäre mir nicht ein so spitzer, unfreundlicher Nordwestwind ins Gesicht gesprungen, dass mich jede Frühlingsstimmung sofort wieder verließ.

Ein hungriger Hund namens Joda

Ich brach meine Expedition ab und spazierte über die Ponte Cagrana in den Windschatten des Donauparks. Auch dort führt bekanntlich eine nach dem chilenischen Arzt und Politiker Salvador Allende benannte Kirschbaumallee zum Donauturm. Ihr folgte ich, während ich mit Wohlgefallen einem kurzbeinigen Hund namens „Joda“ zusah, der seiner Besitzerin entkommen war und zielstrebig eine Familie ansteuerte, die auf der Papstwiese ein Picknick veranstaltete. Um genau zu sein, steuerte Joda nicht die Familie, sondern das Picknick an, und die spitzen Rufe seiner ihm nacheilenden Besitzerin waren ihm voll wurscht. Immerhin lernte ich, wie der Hund hieß – und dass er bei gutem Appetit war. Als seine Besitzerin ihn endlich vom gedeckten Tisch entfernte, hatte er bestimmt schon einen Kilo zugelegt.

Etwas später machte ich eine erstaunliche Entdeckung: Der Donaupark besteht aus zwei Hälften. Die eine, donauwärts gelegene Hälfte mit Papstwiese, Schmetterlingswiese und Donauturm war mir bekannt. Die zweite, zur Alten Donau orientierte Hälfte hatte ich bei den zahlreichen Gelegenheiten, als ich Richtung Bruckhaufen spaziert war, übersehen. Falls Sie jetzt an meiner Auffassungsgabe zweifeln: Völlig zu Recht! Allerdings hat es auch Vorteile, ein bisschen bescheuert zu sein, denn ich durfte jetzt einen für mich völlig neuen Packabschnitt samt Teichen, Brücken, Bühnen und Kunstwerken kennenlernen, bewacht von einer Gruppe rostiger Skulpturen, die den Namen „Das Goldene Kalb – Die Technik als Apokalypse“ tragen und vom österreichischen Bildhauer Karl Anton Wolf stammen. Ich möchte mir nicht anmaßen, die Qualität der Artefakte zu hinterfragen. Aber wenn sie jemand gegen einen Richard Serra tauschen würde – meine Zustimmung hätte er.

©Klobouk Alexandra

Ich gehe über eine hohe Brücke, sehe Enten, bewundere den Tischtennis-Corner im Bungalow-Stil der Sechzigerjahre, freue mich an einem bunten Fresko von Maitre Leherb, das erstaunlich gut gealtert ist, wandere zum Korea Kulturhaus und sehe einen Herren, der in der Liliputbahn bereits die dritte Runde dreht, und ich meine nicht den Fahrer. Vor dem Spielplatz, den im Jahre Schnee die Zentralsparkasse gesponsert hat, springt mir der Sparefroh ins Auge, treuer Begleiter meiner Kindheit. Heute muss man dafür bezahlen, wenn man etwas sparen möchte, denke ich mir, bevor ich im Restaurant Sichuan vor dem Arbeiterstrandbad einkehre, um meinen Notgroschen in eine Flasche Tsingtao-Bier zu investieren.

Die Route: U-Bahn-Station Donauinsel – Ponte Cagrana – Donaupark – U-Bahnstation-Alte Donau: 4.500 Schritte

Christian Seiler

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