So geht Zero Waste: Von der Wurzel bis zum Blatt

Alte Techniken wie Einlegen und Fermentieren boomen. Haubenköchin Parvin Razavi zeigt, wie wirklich alle Teile einer Pflanze verwertet werden können.

Die Blätter oder gar die Wurzel führen vermutlich nicht einmal bei Sellerie-Liebhabern die Hitliste der beliebtesten Teile dieses vielseitigen Gemüses an. Aus einem meist banalen Grund: "Wenn man sie einkauft, sieht man meistens nur die Knolle oder die Stange dort liegen", sagt Parvin Razavi. Die 3-Hauben-Köchin findet das schade. In ihrem Wiener Restaurant "&flora" werden aus diesen vermeintlichen Abfällen Zutaten, die durchaus überraschende Geschmacksnuancen in die Gerichte bringen.

©To good to go

Fermentieren, braten, garnieren

Im Fall der Sellerie-Wurzeln fermentiert Razavi diese, brät sie in Ponzu (eine japanische Würzsoße mit Zitrusfrüchten) an und serviert sie mit Fisch. "Ponzu bringt Frische rein, man schmeckt das Vergorene nicht gleich vordergründig", erklärt sie. Zudem lerne man so ebenso die Optik dieses selten gesehenen Gemüseteils kennen. "Wenn man sie in der Hand hält, schaut sie ähnlich einer Kaulquappe aus." 

Wenn man weiß, dass es der Köchin immer um die gesamte Pflanze geht, ist klar, dass auch aus den Sellerieblättern und -schalen etwas in ihrer Küche entsteht. Aus den Schalen etwa ein Fond, in dem später wiederum die Knolle gegart werden kann. Man könne so nicht nur Abfall vermeiden, "das ist auch immer eine Intensivierung des eigenen Geschmacks". Aus den Blättern wird wiederum eine Emulsion eingekocht, die als Würze gute Dienste erweist. "Wir haben sie kürzlich auch getrocknet und pulverisiert und als Selleriesalz verwendet."

Rezept: Bunte Kirschtomaten in Pickling Juice

Zutaten
Kirschtomaten
Heller Balsamico
1 Lorbeerblatt
1 Zweig Colakraut oder anderes Kraut
½ TL Koriandersamen
Salz 
Optional: Lorbeerblatt,Knoblauch, Pfefferkörner, Ingwer

Für den Pickling Juice: 1:1 Balsamico hell und Wasser, Salzn

Zubereitung
Kirschtomaten blanchieren, in Eiswasser abschrecken und schälen.
In ein Glas füllen.
Gewürze hinzufügen (z.B. Lorbeerblatt, Koriandersamen, Knoblauch, Pfefferkörner, Ingwer).
Pickling Juice erhitzen, Gläser heiß auffüllen und sofort verschließen.

Abfall soll vermieden werden

Was die gebürtige Perserin und Gault&Millau-Newcomerin 2023 aus Gemüse herausholt, trifft ganz den Puls der Zeit. Alte Techniken wie Einlegen oder Fermentieren, um die Erntesaisonen voll auszunützen, werden seit einigen Jahren wiederentdeckt - auch und besonders von jungen Menschen. Das geht Georg Strasser-Müller von der Lebensmittelrettungsinitiative "Too good to go" (zu gut, um es wegzuwerfen) genauso. Er erinnert sich noch gut an den Vorratskeller seiner Großeltern, die Gemüse einlegten und Früchte konservierten. "Früher war das normal, und ich selbst weiß gar nicht, wie das geht." 

Saure Früchtchen je nach Saison einlegen

Wie Parvin Razavi zeigt, ist gar nicht viel dabei, etwa Gemüse sauer einzulegen. Darauf hat sie sich unter anderem spezialisiert. Vermutlich ein Erbe ihrer persischen Wurzeln, glaubt sie. "Im Iran wird alles Mögliche sauer eingelegt." Bei ihr kommt zum Wunsch, alles einer Pflanze zu verwerten, auch noch Experimentierfreude dazu. Sie bekomme von ihren Lieferanten zum Beispiel immer wieder eine große Rübenvielfalt geliefert. "Da sind so viele Blätter dran, um die ist es schade." Also experimentierte sie mit ihrem Team, was daraus zu machen sei. 

Feinere Blätter passen etwa gut in Salate. "Wir haben begonnen, die Blätter in Essig einzulegen und zu fermentieren. Mit der Zeit haben wir herausgefunden, welche sich wozu am besten eignen." Zum Einlegen zum Beispiel Blätter von Roten Rüben und Goldrübe oder der rot-weiß gestreiften Chioggia-Rübe. "Weiße Rüben funktionieren hingegen nicht so gut, sie schmecken bitter." Fermentiert, also milchsauer vergoren wie das heimische Sauerkraut, serviert die die Rübenblätter als Kimchi. Und nicht genug damit: "Größere Blätter kann man wunderbar mit einer Mischung aus Reis, Kräutern und Rosinen füllen und in einem Topf weich garen."

Rezept: Grünkohlchips

Zutaten
Grünkohl
1 EL Olivenöl
1 EL Yuzusaft
Etwas Salz

Zubereitung
Grünkohl vom Strunk reißenund in chipsgroße Stücke zupfen.
Pro Blech mit 1 EL Olivenöl, 1 EL Yuzusaft und etwas Salz marinieren.
Ofen auf 100°C vorheizen
Grünkohlchips backen, bis sie kross sind.

Die besten Tipps: Lebensmittelverschwendung verhindern

Jährlich werden in Österreich rund eine Million Tonnen an Lebensmitteln weggeworfen. Das wollen immer mehr Menschen verhindern. Und man erinnert sich gerne an Dinge, die Mütter, Großmütter oder Tanten früher gepflegt haben. Etwa, dass die richtige Lagerung die Haltbarkeit von Obst und Gemüse verlängern kann:

  • Ein Apfel verhindert keimende Erdäpfel.
  • Paradeiser auf dem Stengelansatz lagern.
  • Salat in ein feuchtes Geschirrtuch einwickeln.
  • Karotten bleiben knackig, wenn sie in Wasser aufbewahrt bleiben.
  • Käse in Backpapier einwickeln.
  • Zitronen in Wasser lagern.
  • Schwammerln bleiben in einem Papiersackerl länger frisch.

Manche Küchentricks sind vielleicht nicht von der Oma, aber dennoch wert, sie zu berücksichtigen.

  • Avocados mit dem Ende einer Zwiebel zu lagern, hält sie länger frisch.
  • Weinreste einfrieren (z. B. Eiswürfelbehälter) und zum Kochen verwenden.
  • Zwiebeln in alten Strumpfhosen aufgehängt bleiben länger frisch.
Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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