Vegetarisch Essen: Wohin sich der Trend laut Paul Ivić entwickelt

Veggie-Boom, Restaurantschließungen und "Veganuary": Sternekoch Paul Ivić erklärt, wie sich der Trend weiterentwickelt.

In Deutschland mussten in den vergangenen Monaten gleich mehrere rein vegetarische oder vegane Restaurants schließen. In den sozialen Medien wird Rohmilch – von Kühen, wohlgemerkt – von einigen Influencern als "die neue Hafermilch" gepriesen. Und ehemalige prominente Veganer und Vegetarier essen wieder tierische Produkte. – Das reicht, dass manche schon ein Ende des Veggie-Booms kommen sehen.

Der Blick allein auf den "Veganuary" lässt ein anderes Bild vermuten. Dieser internationale Aktionsmonat soll auf pflanzliche Ernährung aufmerksam machen und diese Interessierten einen Monat lang schmackhaft machen. 

In Österreich wird er 2025 zum zweiten Mal offiziell durchgeführt. In Supermärkten gibt es etwa spezielle Aktionen für das vegane Sortiment, Restaurants bieten mehr vegane Speisen an. Sogar Ferrero launcht ausgerechnet jetzt seine rein pflanzliche Version des Klassikers "Nutella".

37 Prozent essen weniger Fleisch

Auch im Rest des Jahres boomt eine Ernährung ohne tierische Produkte. Laut Veganer Gesellschaft liegt der Veganer-Anteil derzeit bei fünf Prozent der Bevölkerung, auf Fleisch verzichten 15 Prozent. Diese Zahlen kommen aus dem Smart Protein European Customer Survey, für den im Vorjahr 7.500 Personen in zehn europäischen Staaten zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt wurden. 37 Prozent gaben an, ihren Fleischkonsum zu reduzieren und sich vorwiegend pflanzlich zu ernähren.

Haubenkoch Paul Ivić würde zur letzten Gruppe zählen. Seine Ernährung basiert zu 80 Prozent auf pflanzlichen Lebensmitteln, zu 20 Prozent auf tierischen. "Ich habe festgestellt, dass dies zu meiner aktuellen Lebenssituation am besten passt." Seit der Umstellung vor einigen Jahren gehe es ihm "körperlich und mental einfach großartig", sagt er im Interview mit der freizeit. Sein Arbeitsplatz, das Wiener Restaurant Tian, ist allerdings völlig tierfrei. Seit 2014 hält es als einziges Restaurant in Österreich einen Michelin-Stern und vier Gault&Millau-Hauben.

Ivić: "Geht nicht darum, jemanden das Schnitzel zu verbieten"

Ivić glaubt nicht, dass der Höhepunkt von vegetarischer und veganer Ernährung bereits überschritten ist. "Das Wachstum wird nicht mehr so rasant sein wie in den letzten Jahren, aber stetig." Er ist überzeugt, dass Fleischkonsum weiter reduziert wird. Es gehe auch nicht darum, jemandem das Schnitzel zu verbieten, sondern bewusster zu konsumieren. "Vegetarische Ernährung hat für viele ethische Gründe, für andere sind der gesundheitliche Effekt und die Vielfalt pflanzlicher Ernährung ausschlaggebend."

"Wir nennen es Wirtshaussterben"

Sorgen um rein vegetarische Restaurants braucht man sich aus seiner Sicht ebenso wenig zu machen. "Es werden derzeit viele Restaurants geschlossen, trotz Schnitzel und Gulasch im Angebot. Wir nennen es Wirtshaussterben. Vegetarische und vegane Lokale werden nur mit mehr Aufmerksamkeit verfolgt, das gibt auch bessere Schlagzeilen", findet der Spitzenkoch. Der aus seiner Sicht einzige Grund für Schließungen: "Es ist wirtschaftlich nicht mehr tragbar."

Vegetarische Restaurants sind auch eine Art der Spezialisierung. Paul Ivić verweist etwa auf Japan. "Dort gibt es Restaurants, die einfach nur Ramen, also Suppen, anbieten – dafür aber die besten. Es gibt auch Spezialisten, die nur Sushi herstellen – dafür außergewöhnliche." Alle Professionen werden dort entsprechend wertgeschätzt. "Wir sind zwar von dieser Esskultur fasziniert, lehnen sie aber für Österreich ab. Warum können sich nicht auch hier einige Restaurants auf Gulasch, Schnitzel, vegetarische oder vegane Gerichte spezialisieren?"

Nicht jede Ernährung passt für jeden

Ernährungstrends, etwa in den sozialen Medien, seien jedoch mit Vorsicht zu genießen. Nicht jede Ernährung passt für jeden. "Ich bin überzeugt, dass es für jede Lebensphase eine individuell passende Ernährungsform gibt", sagt Ivić. 

Auch Prominente wie Schauspielerin Anne Hathaway, Sängerin Miley Cyrus oder US-Moderatorin Ellen DeGeneres wurden bereits wieder Flexitarier, weil sie zum Teil auf Dauer gesundheitliche Probleme bekamen. Bei anderen wiederum verbesserte der Verzicht auf tierische Lebensmittel die Gesundheit. Und vielleicht geht es um etwas ganz anderes, findet Paul Ivić. "Es gibt doch nichts Schöneres als das Entdecken neuer Geschmäcker und der Vielfalt auf unseren Tellern."

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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