Sex und Techtelmechtel: Warum Bananen eigentlich Jungfrauen sind

Die Biologin und Ernährungsexpertin Sarah M. Schmidt liefert verblüffende Fakten zu elf beliebten Nutzpflanzen. Inklusive Inzucht und sexueller Eskapaden.

Man sollte meinen, die Heere an Genetikern, Botanikern und sonstigen Wissenschaftern haen so banale Fragen wie jene nach der Krummheit der Banane längst geklärt. Das ist auch tatsächlich erklärbar - nur, es hat sich nicht zu allgemeinem Wissen entwickelt. DAs betrifft nicht nur die Banane. Oder wissen Sie vielleicht, warum Mücken für Schokolade von existenzieller Bedeutung sind? Eben.

Pflanzen sind zu Unrecht häufig nur Beilagen

Das Faktum, dass es ohne die tierischen Quälgeister die beliebte Süßigkeit gar nicht geben würde, hat die Biologin und Ernährungsexpertin Sarah M. Schmidt auch zum Titel ihres neu erschienenen Buches gewählt. Elf gängige Pflanzen, die wir gerne essen, beleuchtet die auf Pflanzengenetik spezialisierte Wissenschafterin genauer, um anhand ihrer Geschichte zu zeigen, warum und wie sie letztendlich in den Mündern der Menschen landen. 

Der Wert von Pflanzen sollte besser erkannt und geschätzt werden, betont sie im Buch. Pflanzen würden "zu Unrecht häufig als Beilage zu Fisch oder Fleisch" gelten. "Dabei sind sie selbst ausgeklügelte Erfindungen." 

Vom Ur-Kohl zum missratenen Karfiol

Zum Beispiel die vielen Vertreter der großen Kohlfamilie, von Kohlrabi über Brokkoli und Karfiol bis zu Kohlsprossen. Sie alle sind das Ergebnis einer sogenannten "künstlichen Auslese", wie es Schmidt nennt. Anders gesagt: "Beim Kohl haben sich Menschen so richtig ausgetobt." Blätter, Stängel, Blüten - alles sei verändert, vergrößert oder geschmacklich gemildert worden. Bis zur Unkenntlichkeit, könnte man ergänzen. Denn der Ur-Kohl ist nicht nur längst ausgestorben, sondern auch unbekannt

Bekannt ist aber, dass etwa der Karfiol aus dem Brokkoli entstand. Der ist wiederum ein früh blühender Kohl. Karfiol, so beschreibt es Schmidt, entstand dann aus der Verwirrtheit einer Brokkoli-Pflanze, die auf dem Weg zur Blütenentwicklung entschied, dicke, kleine Stämmchen auszubilden. 

Sexuelle Eskapaden am Getreidefeld

Was unser Grundnahrungsmittel Weizen betrifft, ist er so etwas wie eine pflanzliche Promenadenmischung. Seine Entwicklung beginnt als Emmer vor tausenden Jahren, er ist das Resultat eines "Seitensprungs" zwischen dem noch älteren Einkorn und einem anderen Gras. Nach Europa gelangte er schließlich vor 7.500 Jahren - und blieb "sexuell experimentierfreudig", schreibt Schmidt - womit sich sein Erbgut entwickelte noch weiter entwickelte: "Aus einem Techtelmechtel mit einem Gänsefußgras im Kaukasus entstand Dinkel".

Unseren heute bekannten Weizen verortet sie hingegen in einer anderen Liebelei des Emmers. Sein auch hier eingesetztes Erfolgsrezept: Er übernahm in diesem Fall das Erbgut des Ziergrases, mit dem er sich vermehrte. Und dieses Resultat war wahrlich kein Stiefkind, es eroberte sich vielmehr die Vorherrschaft auf der Welt - mit allen Eigenschaften seiner Vorfahren. Etwa den langen Härchen des Einkorns und den dicken Ähren mit mehreren Körnern pro Reihe, die auf das Gänsefußgras zurückgehen.

Warum der Kakao die Mücken braucht

Über die Geschichte und die Zubereitung von Kakao ist bereits vieles bekannt. Zum Beispiel, dass die spanischen Eroberer die ersten Europäer waren, die auf das Getränk, das die Olmeken einst entdeckt hatten, stießen.  Aus Sicht der Biologin ist ein erstaunliches Faktum allerdings eher unbekannt, das traf auch auf sie selbst zu, gesteht sie: Bei der Fortpflanzung der Kakaopflanze kommt nämlich eine Mückenart ins Spiel, die die Pollen von den filigranen männlichen zu den weiblichen Blüten transportiert. Dafür braucht die Mücke das passende Umweld aus feuchtem und modrigen Untergrund. Und: Der Pollenflug dauert nur kurze Zeit. Je mehr unangenehme Mücken also vorhanden sind, desto mehr Blüten können im Zeitfenster bestäubt werden - was letztendlich im Idealfall zu mehr Kakaobohnen führt.

Die Jungfräulichkeit der Banane erkennen

Bliebe noch die Jungfräulichkeit der Banane aufzuklären. Sie ist eine Folge von zunehmender "Sexlosigkeit" unserer heutigen Lieblingsfrucht. Durch Experimentieren und Züchten verkümmerten die ursprünglich großen Samen der damals noch kleinen Bananenfrüchte. Dafür wurden die Früchte selbst größer. Zum Glück, betont Autorin Schmidt, brauchen Bananen keine Samen, um sich zu vermehren. "Sie klonen sich ständig selbst." Der Grund: Der eigentliche Stamm der Banane bleibe immer der selbe, weil er unter der Erdoberfläche liege. An der Oberfläche wachsen lediglich Blätterkronen immer weiter nach oben. Und überhaupt: Die heute erhältlichen Bananen sind alle von der gleichen Sorte namens  Cavendish und wachsen in Monokulturen.

Was Sarah M. Schmidts Recherchen aber zusammengefasst ebenso zeigen: Von Kuriosem bis zu Pflanzensex - unsere Ernährung würde heute völlig anders aussehen, wenn nicht immer wieder der Zufall, die Evolution oder der schlichte Überlebenswille zur Fortpflanzung die Pflanzengeschichte begleitet hätten.

Buchtipp: Sarah M. Schmidt, Ohne Mücken keine Schokolade, Verlag Leykam, 26,50 €

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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