Debatte um Spargel: Delikate Stangen mit Imageproblem

Warum die Deutschen den Appetit auf Spargel verlieren, aber hierzulande das Königsgemüse für Alt und Jung noch immer heiße Stangenware ist.

In den vergangenen Wochen fand ein Abgesang auf den Spargel in deutschen Medien statt: Hintergrund sind sinkende Verkaufszahlen im Nachbarland sowie eine Umfrage aus dem Jahr 2022, wonach Spargel bei jungen Deutschen unbeliebter ist als bei Älteren.

Experten begründen das zögerliche Kaufverhalten u. a. mit dem Ukraine-Krieg und einem Image-Wandel des Stangengemüses: Die weißen Stangen symbolisieren ein verstaubtes Festtagsgericht.

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Der deutsche Küchenchef Jonathan Wittenbrink, der in Wien das vegane Hauben-Restaurant Jola betreibt, hat die Berichterstattung mit Interesse verfolgt und erkennt einen Unterschied zu Österreich: "Ich bin in Deutschland aufgewachsen und dort wird dem Spargelessen einen größeren Stellenwert beigemessen als hier."

Und tatsächlich: Während hierzulande lediglich 0,5 Kilogramm Spargel pro Kopf gegessen wird, sank in Deutschland der Pro-Kopf-Verbrauch von 1,7 auf 1,5 Kilogramm. Noch immer beachtlich.

Warum Regionalität wichtig ist

"Durch die Pandemie und den Krieg hat sich auch bei uns im Land wirtschaftlich viel verändert: Die Kaufkraft ist schlechter geworden, in der Gastronomie kostet die Hauptspeise fast das Doppelte im Vergleich zu vor drei Jahren. Daher gibt es im Gastronomie-Bereich einen Absatzeinbruch bei Spargel - das sehen wir im Hofladen oder im Lebensmitteleinzelhandel allerdings nicht", erklärt Werner Magoschitz, Obmann vom Marchfeldspargel.

©Kurier/Jeff Mangione

In Österreich bauten die heimischen Spargelbauern vergangenes Jahr 2.585 Tonnen des beliebten Edelgemüsen auf 757 Hektar an. Ebenso viel wird aus dem Ausland importiert.

"Wir müssen immer wieder daran erinnern, wie wichtig Regionalität ist. In Deutschland wurden zu Beginn des Krieges, der Energiekrise und der Teuerung die Preise vor der Ernte bekannt gegeben: Die Konsumenten haben im Kopf abgespeichert, dass der Spargel teuer ist. Als aber die Preise herunter gegangen sind, haben die Leute trotzdem nicht gekauft. Daraufhin haben die Deutschen nach Österreich exportiert und uns den Markt ruiniert."

©Land schafft Leben

In Deutschland schwingt bei den Debatten um das Gemüse auch immer wieder Kritik an den sozialen und ökologischen Anbaubedingungen mit. Österreichischer Spargel punktet mit kurzen Transportwegen und hohen Standards bei der Produktion und der Anstellung des Erntepersonals. Im Marchfeld werden die Zwischenräume der Reihen mit Bienen-freundlichen Blumen begrünt.

Grün oder Weiß: "Spargel mag man oder nicht"

Hinzu kommt, dass der grüne Spargel in unserem Nachbarland immer beliebter wird – in Österreich liegt hingegen sein Marktanteil bereits bei einem satten Drittel. Unlängst verglich die "Initiative oekoreich" Preise bei Spar, Billa und Hofer: Am billigsten war der grüne Import aus Italien. Im Schnitt liegt der Kilopreis zwischen 13 und 15 Euro.

Ob die Preisfrage vielleicht bei einer jungen Käuferschicht eine stärkere Rolle spielt, muss unbeantwortet bleiben: Verkaufsstatistiken nach Alter der Käufer aufgeschlüsselt gibt es bei Lebensmittelhändler Spar leider nicht. Spargel mag man oder mag man nicht, heißt es dort auf Anfrage. Auch gebe es keine Trends, dass der grüne generell den weißen Spargel verdrängen würde.

©Kurier/Jeff Mangione

Also hat der Spargel nichts an seinem Image eingebüßt? "Doch, der weiße schon", meint Magoschitz. "Der Grünspargel hat ein besseres Image, weil er nicht mit Folientunnel in Verbindung gebracht wird." Die Plastikfolien schützen die empfindlichen Stangen vor Insekten, geben Wärme und halten die Feuchtigkeit besser.

"Sie lassen sich zehn Jahre lang verwenden und können recycelt werden. Wir haben früher weißen Spargel ohne Folien produziert, doch dann verfärben sich die Spitzen - der Markt verlangt aber schneeweiße Stangen."

Für den Anbau von Spargel auf einem Hektar – rein rechnerisch betrachtet handelt es sich um eine 5.000 Meter lange Reihe - benötigt man in zwei arbeitsintensiven Monaten 800 Arbeitsstunden: "Wenn ich keine Folie verwenden würde, müsste man den Damm zweimal am Tag absuchen, um keinen verfärbten Spargel zu haben."

Was passiert, wenn die Sonne raus kommt

Wie sich der Markt heuer entwickelt, hängt von den kommenden Tagen ab, denn der Spargel ist eine Wärme liebende Pflanze: "Grüner Spargel wächst bei warmen Temperaturen 15 Zentimeter pro Tag, weißer 10 Zentimeter pro Tag. An heißen Tagen jonglieren Landwirte also mit der zehn- bis 15-fachen Erntemenge.

"Wenn es in ganz Europa gleichzeitig warm wird, kommen riesige Mengen auf den Markt: Dann wollen alle ins Ausland vermarkten."

©APA/HELMUT FOHRINGER

Wenn Wittenbrink sich zwischen Grün und Weiß entscheiden müsste, dann würde er dem grünen Spargel den Vorzug geben: "Weil er das speziellere Geschmacksbild hat. Am liebsten lege ich ihn auf einen Holzofengrill und glasiere ihn mit einer selbst gemachten Sojasauce." Für die Supermarkt-Sprecherin hat sich nur Eines in Österreich geändert: Spargel wird jetzt eben auch gegrillt.

Geschmorter Spargel von Haubenkoch Paul Ivic

Zutaten für 2-3 Portionen:

1 kg weißer Spargel
1 Vanilleschote
4–5 Erdäpfel
500 g Butterschmalz
250 g Morcheln
3 angedrückte Knoblauchzehen
4 rote Paradeiser
2–3 EL gelbe Mini-Paradeiser
Butter
Salz
Pfeffer
1 Lorbeerblatt
Thymian
Olivenöl
1 Zitrone (Schale, unbehandelt)

Sauce béarnaise:
3 Dotter
100–200 g Butter
Estragon
2 EL Weißwein
1 TL Ketchup  

  1.  Die Erdäpfel schälen und in ca. 5 mm dicke Scheiben schneiden. In einem Topf mit Butterschmalz, Lorbeerblatt, Thymian und Knoblauch bei 80 Grad 30 bis 40 Minuten garen
  2.  Den Spargel schälen und in einer Pfanne in Olivenöl anbraten, mit Salz, Pfeffer, klein geschnittener Vanilleschote und Zitronenschale würzen und kurz dünsten
  3. Drei Paradeiser grob scheiden und fein mixen. Durch ein Sieb gießen und den Spargel damit aufgießen. Zugedeckt 10 bis 15 Minuten köcheln lassen. Den verbliebenen Paradeiser entkernen, in kleine Würfel schneiden und mit den halbierten gelben Paradeisern zum Spargel geben
  4.  Für die Sauce béarnaise Eidotter mit Weißwein und Ketchup über Wasserdampf schaumig aufschlagen. Zerlassene Butter langsam einfließen lassen und den klein geschnittenen Estragon zufügen. Olivenöl und Butter in einer Pfanne erhitzen und die Morcheln darin braten
  5.  Spargel mit Erdäpfelscheiben, gebratenen Morcheln und Sauce béarnaise servieren
Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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