"Walküre" in Bayreuth: Wotan erschießt Siegmund und verletzt sich
Zweiter Abend der neuen "Ring"-Inszenierung - wegen eines Bühnenunfalls sogar mit zwei Wotan-Darstellern. Der erste Eindruck.
Es geht genau so radikal weiter, wie es in Bayreuth begonnen hatte. Und es schließen sich ein paar Kreise, man entschlüsselt mehr und mehr psychologische Raffinessen, die der österreichische Regisseur Valentin Schwarz in seine Inszenierung packt.
Wotan, das hat man schon bei "Rheingold" gesehen, ist hier der Clan-Chef, der brutale Kopf des Wo-Tan-Clan sozusagen. In der "Walküre" ist es sogar er selbst, der Siegmund tötet, konkret erschießt. Er leidet aber am Ende schrecklich darunter, dass er sich, von seiner Frau unter Druck gesetzt, auf das üble Spiel eingelassen hat. Packend ist das Finale, bei dem Loge nicht sein Feuer auslegt, sondern Fricka mit einer Kerze und zwei Gläsern Rotwein hereinkommt, um sich mit Wotan zu versöhnen. Darauf hat er natürlich keine Lust und zieht bereits mit Wandererhut ab.
Verwunderung gibt es schon zu Beginn, dass nämlich Sieglinde bereits schwanger ist. Von wem? Kann nur von Hunding sein. Im zweiten Aufzug versucht sie dann das Kind selbst abzutreiben - und die ganze üble Wotan-Partie versucht zu helfen, mit Ausnahme von Brünnhilde.
Der Walkürenritt spielt sich diesmal in einem Zentrum für plastische Chirurgie ab, wo sich die reichen Frauen operieren lassen. Anstelle von Pferden gibt es junge Männer.
Das klingt für traditionelle Wagnerianer alles bestimmt sehr konstruiert - zumindest bisher funktionieren die Psychodramen und die Familienaufstellung in diesem neuen "Ring" aber sehr gut. Viele Besucher applaudierten am Ende heftig, zahlreiche buhten aber auch.
Wesentlich besser als am Vorabend der Tetralogie von Richard Wagner ist die musikalische Gestaltung: Das Orchester unter der Leitung von Cornelius Meister klingt schon differenzierter und farbenreicher.
Verletzung
Der Sänger des Wotan, Tomasz Konieczny, verletzte sich im zweiten Aufzug, als ein Eames Chair unter ihm zerbrach und er auf den Rücken fiel. Dennoch sang er bis zur Pause bravourös weiter. Dann musste er w. o. geben, Michael Kupfer-Radecky konnte kurzfristig übernehmen und sang und spielte gut.
Die Beste des Abends: Lise Davidsen als grandiose Sieglinde, eindrucksvoller wird man diese Partie zur Zeit nicht hören. Georg Zeppenfeld ist ein erstklassiger Hunding, und Klaus Florian Vogt wird als Siegmund langsam (dafür wesentlich) besser. Irene Theorin ist als Brünnhilfe vor allem dramatisch, Christa Mayer überzeugt als ausdrucksstarke Fricka.
Am Mittwoch geht es mit "Siegfried" in Bayreuth weiter.
Der Bühnenunfall
In dem Moment, in dem die Welt von Göttervater Wotan zusammenbricht, tat dies auch der Sessel: Der Wiener Staatsopernliebling Tomasz Konieczny hat sich am Montagabend bei der Premiere der "Walküre" bei den Bayreuther Festspielen bei seinem Bühnenunfall so schwer verletzt, dass er sich nicht mehr imstande sah, den 3. Aufzug zu singen. Als sich der 50-jährige Pole im 2. Aufzug auf einen Fernsehsessel setzen wollte, brach das Requisit unter ihm zusammen.
Konieczny biss zwar die Zähne zusammen und beendete den Akt. Nach der Pause musste Festivalsprecher Hubertus Herrmann jedoch das Aus für den Göttervater verkünden. Spontan sprang Koniecznys deutscher Kollege Michael Kupfer-Radecky ein, in Bayreuth eigentlich als Gunther für die "Götterdämmerung" am Freitag gebucht. Ob Konieczny nun seinen geplanten Einsatz bei Teil 3 der "Ring des Nibelungen"-Tetralogie am Mittwoch - als Wanderer im "Siegfried" - singen wird können, ist derzeit noch unklar.
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