Valerie Huber, 1996 in Wien geboren, spielte mit elf in "Tom Turbo", war Miss Earth Austria, ist heute Schauspielerin und unter dem Namen Valeh Sängerin.

Bestseller-Autorin Valerie Huber: "Die Bro-Oligarchie ist gefährlich"

Was ist für Erfolgs-Autorin ("FOMO Sapiens") und Schauspielerin Valerie Huber heile Welt? Wäre sie nicht lieber vergnügte Hedonistin?

Bekannt wurde Valerie Huber mit der Netflix-Serie "Kitz" oder dem Franz-Klammer-Film "Chasing The Line". Doch was raubt der Schauspielerin nachts den Schlaf? Wie denkt sie über Männlichkeitskult und "Bro Culture" von Trump, Zuckerberg & Co? 

Mit "FOMO Sapiens. Verpassen wir die heile Welt?" hat sie darüber ein Buch geschrieben, das sich in 34 Essays Klimaschutz und Kapitalismus, der Generation Beziehungsunfähig, Gleichberechtigung und mehr widmet – Probleme, die sie nachts wach halten.

Liebe Valerie, schlafen Sie besser, seit Ihr Buch in den Bestseller-Listen aufscheint? 

Ich freue mich, dass mein Buch so großen Anklang findet. Ich bekomme tolle Nachrichten von jungen Frauen, die sich sehr verstanden fühlen. Das ist mir das Wichtigste.

Männer melden sich nicht? Sind die nicht von denselben Weltkrisen betroffen wie Frauen?

Eigentlich schon. Aber auch in meinem Umfeld sind es Frauen, die sich besonders betroffen fühlen. Ich glaube, es liegt an der Empathie von Frauen, diesen Weltschmerz stärker zu spüren. Das Buch hat auch einen starken feministischen Fokus.

Sie schreiben, Sie finden es ganz okay, wenn wir aussterben. Sind Sie da ganz unsentimental?

Da sollte auf jeden Fall Ironie mitschwingen. (lacht) Gleichzeitig ist die Lage ernst, sagt die Wissenschaft. Schon 2050 könnte es ungemütlich werden mit sozialen Spannungen und Ressourcenknappheit. Das macht manchmal zynisch. Aber es hilft nix: Man muss hoffnungsvoll bleiben. Sonst macht alles keinen Sinn.

Ihr Buch heißt "FOMO Sapiens", der Name orientiert sich am Begriff Fear of Missing Out, also der Angst, etwas zu verpassen. Aber was verpassen wir eigentlich, die vielen Krisen?

Durch die digitale Realität verpassen wir den Moment und unser Leben. Stattdessen haben wir das Gefühl, alle anderen haben ein besseres und schöneres Leben als wir selber. Ich kenne Menschen, die reisen nach Paris, nicht weil es dort so schön ist, sondern nur um ein tolles Bild von sich für Instagram zu knipsen. Das ist tragisch.

Was wollten Sie zuletzt nicht verpassen?

Skirennen – ich war ein großer Hermann-Maier-Fan, heute finde ich Katharina Linsberger toll. Ich hatte früher große Angst, etwas zu verpassen. Mittlerweile habe ich das gut im Griff. Ich möchte mehr bewusst erleben. Schaffe ich nicht immer.

Zur Person

Valerie Huber wurde 1996 in Wien geboren. Ihr Vater war Entwicklungsökonom, einen Teil ihrer Kindheit verbrachte sie in Uganda und an der Elfenbeinküste. Sie spielte mit elf in "Tom Turbo", war Miss Earth Austria, ist heute Schauspielerin ("Kitz", "Klammer", "Pulled Pork") und unter dem Namen Valeh Sängerin. 

Könnten Sie ohne Handy leben?

Ich benötige es für den Beruf, also ist die Antwort: leider nicht. Ich bin süchtig, wie viele in meinem Alter. Und wie viele vergleiche auch ich mich auf Social Media mit anderen. Ich habe deshalb aufgehört, Profilen von Topmodels zu folgen. Wer sich dauernd mit diesen perfekten Menschen vergleicht, kann nicht glücklich werden.

Wären Sie manchmal lieber eine vergnügte Hedonistin, die Beauty-Tipps auf Instagram und ihre Matcha-Tee-Trinkroutine teilt, anstatt Sprachrohr einer besorgten Generation, noch dazu in Printform?

Das Leben wäre dann auf jeden Fall einfacher. Ich wäre unbeschwerter und müsste mir weniger verwehren. Aber genau diesem Trend gilt es entgegenzuwirken. Influencer leben eine Realität vor, mit der man nicht mithalten kann. Das hat oft schwere psychische Folgen. Mädchen legen sich mit 16 unters Messer, weil sie sich nicht schön genug fühlen. Das ist eine riesige Maschinerie, die Profit auf dem Rücken junger Frauen macht und wir wehren uns nicht dagegen.

Was bedeutet heile Welt für Sie?

Sie ist hier, wo ich gerade bin, in Bad Aussee. Keine Arbeitslosigkeit, keine Obdachlosigkeit. Die Sonne scheint, die Bergwelt ist wunderschön, die Leute gehen Skifahren. Es ist schön, kurze Zeit in dieser Blase zu leben, aber man muss sich vor Augen führen, wie schlecht es den meisten auf diesem Planeten geht.

"Wir haben uns entfremdet von uns selbst, unseren Mitmenschen und der Natur. Ich appelliere für Menschlichkeit und Solidarität. Der Schlüssel ist Mitgefühl."

Valerie Huber

Und worin finden Sie persönliches Glück?

In Beziehungen mit Menschen. Und in kleinen Dingen. Mir gefällt etwa die japanische Sinnphilosophie Ikigai, die rät, ein Handwerk wie Stricken oder Töpfern zu lernen, das einem Freude macht.

Sie waren Schönheitskönigin und Miss Earth. Was hat Sie mit 18 dazu bewogen, wollten Sie berühmt werden?

Das war eine Jugendsünde. Eigentlich habe ich mich dafür nicht absichtlich angemeldet. Ich wollte online für eine Freundin abstimmen, dafür musste man ein Profil anlegen. Doch plötzlich war ich Teilnehmerin und unter den Top drei. Dann hat mich der Ehrgeiz gepackt und ich dachte, gewinne ich das halt. (lacht) Ich würde es nicht nochmal machen, weil es oberflächlich ist und nur auf das Äußere bezogen. Dennoch habe ich dabei Frauen kennengelernt, die nicht klischeehaft schön und dumm waren, sondern klug, und das als Chance sahen.

Valerie Huber, hier als Unicef-Botschafterin

©Unicef

Es ist derzeit viel von Manosphere und Bro Culture die Rede, beides verherrlicht Männlichkeitsideale. Mark Zuckerberg fordert mehr "maskuline Energie". Wie nehmen Sie das wahr?

Ich finde es völlig absurd und unfassbar. Die Bro-Oligarchie, die in Amerika installiert wird, ist gefährlich und rückwärtsgewandt. In Österreich wird eine Herdprämie diskutiert. Der kriminelle Frauenhasser Andrew Tate wird von jungen Männern gefeiert. Ich verstehe, dass Männer verunsichert sind, weil die klassische Rollenverteilung aufgebrochen wird. Aber das ist brandgefährlich. Diese Kontrabewegung schockiert mich.

Worin sehen Sie da einen Ausweg?

Erziehung, Bildung und Aufklärung. Wir haben uns entfremdet von uns selbst, unseren Mitmenschen und der Natur, daher appelliere ich in meinem Buch für Menschlichkeit und Solidarität. Der Schlüssel heißt: Mitgefühl entwickeln. Ich finde auch, Frauen sind die besseren Politiker, weil ihre Empathie stärker ausgeprägt ist. Zumindest solange sie nicht wie eine Marine Le Pen mit Maskulinität miteifern wollen – und stattdessen in ihrer weiblichen Energie bleiben.

Wird sich die Polarisierung zwischen Mann und Frau in Zukunft noch verstärken?

Ich befürchte schon. Trump & Co und der Rechtsruck sind erst der Anfang. Alles wird sich noch weiter zuspitzen. Männer und Frauen driften politisch immer mehr auseinander – und damit auch im persönlichen Umgang. Experten fürchten sogar, dass die Geschlechter nicht mehr zusammenfinden und es weniger Geburten geben wird.

Trotz aller Krisen: Was macht Ihnen noch Hoffnung? 

Junge Menschen, die auf die Straße gehen, die kommunikativen Austausch suchen und sich engagieren. Die nicht verstummen, sondern laut bleiben und nicht gewillt sind, aufzugeben. Das lässt mich hoffen, dass wir alles noch hinkriegen in letzter Sekunde.

Valerie Huber: "FOMO Sapiens – Verpassen wir die heile Welt? 34 Fragen, die mich nachts wachhalten". 

Goldegg Verlag. 210 Seiten. Preis: 21 Euro. 

©Goldegg
Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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