Revolutionär & Rosenkavalier: 160. Geburtstag von Richard Strauss
Genialer Komponist, Star-Dirigent, Geschäftsmann – ein musikalisches Genie, das man heute nur mehr mit „alten“ Opern in Verbindung bringt. Denn Strauss veränderte die Musikwelt. Am 11. Juni hätte er seinen 160. Geburtstag gefeiert.
Revolutionär, glamourös, innovativ – famose Komponistenpaare haben die Musikwelt des 20. Jahrhunderts entscheidend verändert, von Lennon-McCartney und Jagger-Richards über Bernie Taupin und Elton John, Tim Rice und Andrew Lloyd Webber bis zu Gallagher&Gallagher, wobei sich die Arbeitsverteilung bei den Oasis-Brüdern Noel und Liam doch eher auf „Musik“ auf der einen und „große Klappe“ auf der anderen Seite beschränkte.
Sämtliche oben beschriebenen Attribute treffen allerdings auch auf ein Duo zu, dass bereits wesentlich früher absoluten Superstar-Status innehatte: Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wurden zu ihrer Zeit als echtes „Wunder-Team“ gehandelt.
Und wer jetzt einwenden möchte, dass man nicht Äpfel mit Birnen, also Populärmusik und Klassik vergleichen könne, sollte sich kurz vor Augen halten, dass nach der umjubelten Premiere des Rosenkavaliers (1911) in Dresden sogar ein Sonderzug eingerichtet wurde, der die Berliner Strauss-Fans von der Hauptstadt zur Aufführung brachte. Da denkt man doch unwillkürlich an die vielen Busse, die in der Hochzeit des Musicals im frühen 21. Jahrhundert die Zuschauer nach Wien und Hamburg brachten. Die Zug-Garnitur hieß weiterhin „Rosenkavalier“ und der Hype ging so weit, dass eine Zigarettensorte nach der Oper benannt wurde.
Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:
- Genial - und ein bisschen arrogant
- Der erste Superstar-Dirigent
- Sie stritten und sie schätzten sich
In der Ariadne auf Naxos hat Strauss außerdem mit Harlekin, Brighella, Scaramuccio und Truffaldin, also den vier Ex-Lovern der doch ziemlich empowerten Zerbinetta, ganz nebenbei Erfolgsensembles wie die „Comedian Harmonists“ vorweggenommen. Während er mit seinen frühen Opern Salome und Elektra die traditionelle Musikwelt geradezu erschüttert hat.
Let’s Rock?
Wobei wir ihn da eher in die Kategorie zappaesk einordnen wollen, weil die Musik zwar emotional und oft wuchtig war, dabei aber immer hoch komplex und anspruchsvoll – mit der reduzierten Kraft von Rock und Punk also nichts zu tun hatte. Auch wenn die Traditionalisten seiner Zeit tobten, er mache Lärm und keine Musik.
Strauss selbst erzählte gerne die Anekdote von der Frau, die nach einer Aufführung der Elektra gefragt wurde, wie ihr die Vorstellung gefallen habe: „Oh, ganz großartig!“ – „Und die Musik?“, wollte der Befrager weiter wissen. „Musik hab ich keine gehört“, antwortete sie. Was Strauss abschließend derart kommentierte: „So ein Zuschauer ist mir lieber als ein kritisierender Dilettant, der die Musik schließlich doch nicht verstanden hat.“
Wir sehen also, Rock’n’Roll-Attitüde war dem Mann nicht fremd.
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Auch eine gewisse Überheblichkeit Autoritäten gegenüber. Als der preußische König Wilhelm II. nach der Salome zu Strauss meinte, er habe mit diesem unmusikalischen Stück seinem Ruf geschadet, antwortete Strauss trocken, dass er sich mit diesem „Schaden“ einen Familiensitz in Garmisch finanziert habe.
In der Villa von Richard Strauss in Garmisch Partenkirchen befindet sich heute das „Richard Strauss Institut“. Von 1.-11. Juni werden hier die Richard-Strauss-Tage veranstaltet. Das Programm finden Sie unter richard-strauss-institut.de
Richard Strauss mangelte es von Kindheit an nicht an Selbstvertrauen. Sein Vater Franz hatte sich zwar aus ärmlichen Verhältnissen emporgearbeitet, sein musikalischer Ehrgeiz brachte ihn aber bis ins Münchener Hofopernorchester, er galt als einer der besten Waldhornisten seiner Zeit, wurde schließlich Professor an der Akademie. Und Richards Mutter war eine geborene „Pschorr“, gehörte also quasi dem bayerischen Bier-Adel an.
Shooting-Star Strauss
Der junge Richard bekam mit vier Jahren Musikunterricht, komponierte schon mit sechs, also bevor er schreiben konnte, die Texte notierte seine Mutter.
Er ging auf die besten Gymnasien, bis zum Abitur hat er es auf 140 musikalische Stücke gebracht, darunter knapp 60 Lieder und über 40 Klavierwerke. Kurz studierte er Philosophie und Kunstgeschichte, aber nachdem seine ersten Stücke mit großem Erfolg aufgeführt wurden, als er 19 war, konzentrierte Strauss sich schließlich ganz auf die Musik. Mit 22 wurde er dritter Kapellmeister an der Hofoper in München und dirigierte die ersten großen Konzerte.
Ein Jahr später lernte er in Leipzig Gustav Mahler kennen. Der ist zwar Dirigent an der dortigen Oper, aber zeigt sich beeindruckt von Können und Selbstbewusstsein des jüngeren Kollegen. „Mahler und Strauss sprachen gerne miteinander, vielleicht, weil sie nie derselben Meinung waren“, kommentierte Alma Mahler die Freundschaft, die aus dieser Begegnung entstehen sollte.
Don Juan und vor allem Tod und Verklärung, seine sinfonischen Tondichtungen, wie Strauss selbst sie nannte, machten ihn mit 27 endgültig zum Star. Sein Ruhm wuchs mit Also sprach Zarathustra quasi ins Unermessliche, wie Strauss selbst sich einschätzte, erkennt man vielleicht an seinem Kommentar zu seiner, sich selbst gewidmeten Sinfonia domestica: „Ich sehe nicht ein, warum ich keine Sinfonie auf mich selbst machen sollte. Ich finde mich ebenso interessant wie Napoleon oder Alexander.“
Kein Wunder, das Hugo von Hofmannsthal, zehn Jahre jünger als Strauss, einigermaßen nervös war, als es mit Elektra zur ersten Zusammenarbeit kam. Und tatsächlich kam es zwischen den beiden immer wieder zu „Meinungsverschiedenheiten“ – ihre Temperamente konnten ja auch gar nicht unterschiedlicher sein. Hier der sensible, manchmal sentimentale Wiener Bildungsbürger, dort der ungemein erfolgreiche Bayer mit seinem urwüchsigen Bühnenverstand.
Richard Strauss konnte sehr forsch auftreten, Hugo von Hofmannsthal umgekehrt war ziemlich rasch beleidigt.
Und doch scheinen sich beide vom jeweils anderen beinahe magisch angezogen gefühlt zu haben – vielleicht ist es ja genau diese Ambivalenz, die ein erfolgreiches Duo ausmacht.
Mit feiner Klinge ...
Noch heute herrlich zu lesen ist ihr intensiver Briefwechsel: „Warum werden Sie immer gleich so bitterböse, wenn wir uns mal nicht gleich verstehen!“, schreibt Strauss etwa, aber auch, Hofmannsthals Szenen zum Rosenkavalier ließen sich „komponieren wie Öl und Butterschmalz“.
Dann wieder brauchte er mehr Text für die Elektra: „Bitte drücken Sie noch ein bisschen, es kommen sicher noch etwa 8 Verse für jede heraus, ich muss hier Material haben, um beliebig steigern zu können.“
Auch Hofmannsthal schwankte in seinen Briefen, von „Ihre Musik hat die Worte zum Leben erweckt, sie hat der Geschichte eine Seele gegeben ...“ bis zu „Und nun, ob Mann oder Weib – dieser Einfall für den Schluß ist ja geradezu entsetzlich, verzeihen Sie mir, lieber Dr. Strauss.“
Geradezu rührend scheint heute ein Brief von Strauss an Hofmannsthals Gattin Gerty, als ihr Mann im Ersten Weltkrieg zum Militär eingezogen wurde: „Hugo hat die verdammte Pflicht, den Tod fürs Vaterland nicht zu sterben, bevor ich meinen III. Akt habe, der ihm, hoffe ich, noch mehr Ehre einbringen wird, als eine schöne Todesanzeige in der Neuen Freien Presse.“
Und um abschließend zum Rosenkavalier zurückzukommen: Der könnte heute ganz anders heißen, Ein Grobian in Liebesnöten zum Beispiel. Das erfahren wir aus einem Brief von Strauss an den Bühnenbildner Alfred Roller: „Mir gefällt der Rosenkavalier gar nicht, mir gefällt der Ochs! Aber was will man machen. Hofmannsthal liebt das Zarte, Ätherische, meine Frau befiehlt: Rosenkavalier. Also Rosenkavalier! Der Teufel hol ihn!“
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