Politik bei ATV: „Seriös mit Schmäh statt Krawall-TV"
Die ROMY-Nominierten Peter Hajek, Thomas Hofer und Meinrad Knapp scheuen in „ATV aktuell: Die Woche“ klare Worte nicht. Manchmal scheppert dann das Telefon
Sogar ORF-Analytiker Peter Filzmaier rückte letzten Sonntag aus, um die Kollegen von „ATV aktuell: Die Woche“ zu unterstützen: Meinungsforscher Peter Hajek, Politikberater Thomas Hofer und Meinrad Knapp sind erstmals gemeinsam für die ROMY in der Info-Kategorie nominiert. Ein Gespräch über ihre Sendung, die österreichische Politik, Interventionen und den heimischen Fußball.
Peter Hajek: Das erste Mal zusammengetroffen sind wir anlässlich der Volksbefragung zur Wehrpflicht 2013. Das war eine Idee des damaligen ATV-Chefredakteurs Alex Millecker und von Moderator Martin Thuer, heute ORF. Thomas Hofer und ich waren zunächst skeptisch, weil wir doch ähnliche Rollen einnehmen, aber es hat sehr gut funktioniert. Dann wurde dieses Format auch bei Wahlen eingesetzt. Und schließlich meinte ATV-Chefredakteur Georg Grabner, das Publikum schätzt das, machen wir doch eine regelmäßige Sendung daraus.
Thomas Hofer: Meinrad Knapp und ich haben ja bereits mit der Nationalratswahl 2008 begonnen und das dann seit den Landtagswahlen in Kärnten 2009 fortgesetzt. Die Erinnerung daran ist vor allem: Es war sehr kalt.
Meinrad Knapp: Wir haben die Kärnten-Wahl, weil ohne Studio und vor dem Landhaus, in langen Unterhosen analysiert. Man kann zurecht sagen: Wir haben uns bei ATV ins Farbfernsehen gefroren.
Hofer: Und ernsthaft: Nach und nach sind wir zur Erkenntnis gekommen, wir brauchen bei der Analyse mehr Unterfütterung durch selbst erhobene Zahlen. Es stimmt aber auch, was Peter Hajek sagt, zunächst war schon etwas Skepsis dabei.
Zum Voting
Alle Infos zu den Nominierten und das Voting gibt es auf ROMY.at.
Hajek: Genau genommen, wenig Zeit bis keine, weil das unser aller tägliches Geschäft ist. Was die Daten betrifft: Es gibt für ATV die „Frage der Woche“ und den „Österreich-Trend“. Dazu kommen Umfragen, die wir für das profil und HEUTE machen. Mit unseren Partnern ist abgesprochen, dass wir die Daten mit Quellen-Angabe bei ATV nutzen dürfen. Das heißt, wir haben eine steten und breiten Datenfluss, auf den wir für die Sendung zurückgreifen können. Die Vorbereitungsarbeit ist jedenfalls für mich relativ gering, weil der Hauptteil also schon während der Wochen geleistet wurde.
Hofer: Ich sehe das ähnlich und ein bisschen anders. Die Sendung spielt schon während der Woche im Hinterkopf eine Rolle. Eine Überlegung ist bei mir immer die Top/Flop-Rubrik. Ich tue mir tatsächlich schwer mit dem Notengeben. Das ist schon heikel, wie ich finde. Was überhaupt nicht passiert, ist eine textliche Vorbereitung – wäre da irgendwas gescripted, wäre die Sendung tot.
Knapp: Es gibt ein „Buch“ für die Sendung, weil es eine Struktur braucht, wann etwa ein Einspieler kommt oder welche Grafiken vorbereitet sind. Was uns also da vorliegt, das ist, höflich umschrieben, eine Empfehlung. Und aus der machen wir dann eine Sendung (schmunzelt).
Hofer: Also, das lebt neben dem Inhalt sehr von der Spontanität. Wenn man sich zu viel vorab überlegt, dann ist das kontraproduktiv.
Knapp: Ich überlege mir die Anmoderation …
Hajek: … guten Tag …
Knapp: Also jedenfalls die ersten paar Sätze und dann ist man im Flow. Natürlich muss man bei dieser Art Sendung den anderen genau zuhören – auch das bringt eine eigene Qualität.
Hofer: Man soll nicht zu viele Rosen streuen, aber es hängt schon sehr am Moderator, ob er etwa den Ball spontan weiterspielen kann oder es hin und her gehen lässt. Vielleicht gibt’s auch einmal ein leichtes Foulspiel und dann kommt natürlich was zurück. Das hat dann schon eine eigene Dynamik.
Hajek: Was man aber schon zugeben muss ist, dass die Sendung wesentlich besser funktioniert, wenn wir alle drei am Set uns gegenüberstehen, als wenn jemand von uns nur zugeschaltet ist, wie das in Corona-Zeiten immer wieder vorkommt.
Knapp: Aber wir sind bisher die ganze Pandemie über Sonntag für Sonntag auf Sendung gewesen.
Knapp: Das kommt schon vor.
Hofer: Das geht mal in die, mal in die andere Richtung. Bei mir war das etwa der Fall, nachdem ich im Herbst schon heftig gegen die Corona-Politik der Regierung – Stichwort Staatsversagen - ausgeteilt habe. Andererseits muss ich sagen, man kennt sich ja und kann damit umgehen. Für mich gehört das zum Geschäft. Das muss ich jetzt genauso aushalten können, wie ein Journalist, wenn ein Anruf kommt. Mir war das Direkte schon als Journalist immer lieber, als jemand, der es über die Chefredaktion probiert hat, was dann ohnehin das Gegenteil dessen bewirkt hat, was intendiert war. Ich muss auch sagen, es hat sich von allen politischen Lagern immer in Grenzen gehalten.
Hajek: Ich kann mich an eine einzige Intervention erinnern anlässlich des Staatsbesuchs von Sebastian Kurz bei Donald Trump. Wir hatten eine sehr zugespitzte Fragestellung, die auf den Vorab-Informationen des Bundeskanzleramtes basierte: Kann man in 20 Minuten etwas sinnvoll besprechen? Da haben dann Gerald Fleischmann und Co ganz heftig interveniert, weil das Gespräch länger war. Wir haben daraufhin die Frage für die nächste Sendung wiederholt mit der Dauer von einer Stunde – das Ergebnis war das selbe und lautet: Nein, man kann nichts sinnvoll besprechen.
Hajek: Auffällig war das nach einer Umfrage, aus der hervorging, dass Corona-Maßnahmenkritiker und Impfskeptiker verstärkt ServusTV konsumieren und der Sender damit Verantwortung trägt. Da gab es dann Emails dazu, wie ich so etwas behaupten könne – weil es die Umfrage gab.
Hofer: Seit Corona kommen von Zuseherseite schon sehr heftige Reaktionen diesbezüglich daher.
Knapp: Egal, was wer sagt oder meint: Unser Anspruch ist es, diese Sendung 1. seriös zu machen, 2. mit einem Augenzwinkern und 3. keinesfalls Krawall-TV zu fabrizieren. Seriös mit Schmäh ist nämlich was Anderes.
Hajek: Ohne jetzt in Selbstbeweihräucherung auszubrechen, was uns auszeichnet ist, dass wir gern auch gegen den Strich des Meinungs-Mainstreams bürsten.
Hajek: Etwa im Fall der Frau Aschbacher, als die aufgrund ihrer akademischen Arbeiten medial regelrecht vorgeführt wurde. Da haben wir auf Sendung festgehalten, dass, wenn etwas schlecht geschrieben wurde, sich die Universitäten darum zu kümmern haben, aber dass das, was mit ihr in Medien passiert ist, nicht mehr entspricht. Das machen wir – und das ist in dem Zusammenhang wichtig - nicht einfach nur, damit wir anders sind. Uns geht es da immer wieder um den anderen Blickwinkel auf einen Sachverhalt.
Knapp: Was viele wahrscheinlich nicht für möglich halten: Wir haben bereits unzählige Wahlgänge gemeinsam bestritten, aber noch nie haben wir einander gefragt, was wer wann gewählt hat. Das schafft eine durchaus positive Form der Distanz.
Hajek: Das ist für mich ein Akt der Professionalität.
Hofer: Bei mir ist der Terminus Politikberater insofern für manche irreführend, weil die meinen, ich berate die Politik. Ich bin da sehr strikt: Ich berate keine Parteien oder Politiker und auch keine Ministerien. Maximal mache ich ab und an einen Vortrag und sage, was ich auch auf Sendung sagen würde. Ich berate Unternehmen, Verbände etc. Ich kommentiere aber deren Themenbereiche und Anliegen nicht. Weil – und das ist richtig – Österreich ist klein. Ich hoffe und glaube auch, dass uns diese Grenzziehung in der Sendung gelingt.
Hajek: Bei mir ist das im Grunde ganz einfach - wann immer ich für eine Partei oder jemanden, bei dem es ein Problem aufgrund von Berührungspunkten geben könnte, zum Beispiel Umfragen mache, weiß die Redaktion davon. Das wird im Fall des Falles auch auf Sendung angesprochen. . Dann beziehe ich mich nur auf die Umfragedaten, nehme aber keine politische Wertung vor. Die politische Einordnung macht dann Kollege Hofer. So vermeidet man den Vorwurf der Befangenheit. Außerdem, wozu sollte ich das tun? Ich stelle mich doch nicht hin und verteidige jemanden, weil ich zufällig zu dem Zeitpunkt gerade eine Umfrage für den gemacht habe.
Knapp: Ich bin Montag bis Freitag am Morgen bei Kronehit zu hören, eine politische Agenda wird da schwer zu unterstellen sein.
Hofer: Zum einen ist die Beobachtung richtig, dass wir nicht erst seit Corona, sondern eigentlich seit dem Jahr 2015 mit der Migrationskrise und drei Wahlen in diesem Ausnahme-Modus sind. Die Bundespräsidentschaftswahl hat das dann offengelegt. 2017 waren dann die vorgezogenen Nationalratswahlen, 2018 die auch internationale Aufregung um Türkis-Blau, 2019 der Ibiza-Skandal, daraufhin vorgezogene Neuwahlen und nun Corona. Getrieben sind vor allem einmal die politisch Verantwortlichen – das zeichnet, so hoffe ich, unsere Sendung auch aus, dass dort klargelegt wird, was noch Strategie ist und wo die Politik nur noch Passagier ist. Eine Beobachtung dieser Krisenjahre ist: Die sind viel öfter Passagier, als man gemeinhin glaubt. Wir als Beobachter dessen sind nicht minder getrieben, denn wir besprechen, was in der Woche zuvor Thema war. Da geht es dann eben nicht um die großen Themen wie Pflege oder die digitalen Herausforderungen. Aber – wir sind ja nicht erst seit vorgestern dabei – es gilt auch, Zusammenhänge aufzuzeigen, das Geschehen nicht bloß zu kommentieren, sondern auch zu hinterfragen und einzuordnen. Genau das versuchen wir.
Knapp: Dieser kurze Blick hinter die Kulissen, warum wer in welche Situation wie agiert, das macht die Sendung spannend. Warum werden plötzlich Themen öffentlichkeitswirksam forciert – um zum Beispiel unangenehme aus dem Blickfeld zu drücken. Das wird dann bei uns klar angesprochen.
Hofer: Für mich war das etwa die vielzitierte Harmonie von Türkis-Blau. Wir haben nicht nur einmal gesagt, dass das völliger Unsinn ist. Mein Hauptargument war immer: Schaut Euch die Zielgruppen an. Sie sind oft deckungsgleich. Die können also gar keine Freunde sein. Herbert Kickl wollte nie wirklich mit der ÖVP koalieren. Und jetzt kommt das durch die Chats heraus, dass das mit der Harmonie Fassade war. Nicht dass ich mich über die Chats freuen würde. Mir geht es nicht darum, wie Waldorf und Statler alles besser zu wissen.
Knapp: Aktuell betrifft das auch die Frage, wer gerade bundespolitisch das Sagen hat – und man wird schnell bei den Landeshauptleuten landen.
Hajek: Zahlen lügen nicht, es lügen die, die sie produziert haben – wie zuletzt Chats gezeigt haben. Und natürlich schauen wir – etwa mit der Frage der Woche, die mit Chefredakteur Georg Grabner abgestimmt ist oder dem Österreich-Trend -, ob die Zahlen unsere Einschätzungen belegen. Das geschieht mit kurzfristigen Fragestellungen oder auch mit langfristigen – die Frage nach der Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung stellen wir seit 2009. Solche Ergebnisse erlauben dann tatsächlich eine Einordnung – das ist, was unsere Zuschauer von uns erwarten und schätzen. Sie wollen eine politische Einordnung dessen, was in der vergangenen Woche passiert ist. Dafür bedarf es natürlich auch entsprechender Sachkompetenz.
Knapp: Wir reden über die Chats ja nicht bloß, weil sie großteils die ÖVP betreffen.
Hofer: Stichwort Einordnung – ich sehe es schon sehr kritisch, wenn etwa über Dritte in Chats geredet wird und die dann plötzlich in die Ziehung kommen. Das hat auch mit der strafrechtlichen Relevanz null zu tun. Und wenn in irgendeinem Chat eine Politikerin oder ein Politiker einen Kraftausdruck verwendet hat, dann ist das für mich auch nicht wirklich der Skandal. Sehr wohl zentral sind aber die potenziell strafrechtlich relevanten und jedenfalls politisch-moralisch verwerflichen Teile. Da beginnt in der allgemeinen Wahrnehmung nur viel zu verschwimmen, weshalb wir schon öfters die unterschiedlichen Bedeutungsebenen bei den Chats herausgearbeitet haben.
Knapp: Ein Beispiel ist für mich eine aus diesem Wust ominöser Untersuchungen, bei der abgefragt wurde, welches Tier welchem Politiker zugeordnet wird. Ja sicher ist das lustig, wer Eichhörnchen, Wildschwein oder sonst was ist. Aber tatsächlich geht es hier um den Vorwurf der Untreue.
Hofer: Ich weiß aus meiner Zeit im profil, es ist schwer zu bewerten, was berichtet man wie groß und in welchem Ausmaß. Bei uns damals wurde viel über den zigfachen Haider auf dem Cover diskutiert - gleichzeitig hatte der Falter ein Haider-Foto-Verbot, was auch irgendwie lächerlich war.
Hajek: Man muss nicht am österreichischen Innenpolitik-Journalismus verzweifeln. Wir versuchen aber schon, Dinge mehrfach und anders zu beleuchten, als sie nochmals zuzuspitzen.
Knapp: Wir haben es auch etwas einfacher als die Kollegen, wir müssen nicht jeden Tag Seiten füllen.
Hofer: Gottseidank.
Hajek: Ein zutreffender Satz.
Hofer: Ja, ist schon so. Wobei mich die nicht bloß durchschimmernde, sondern durchleuchtende Dummheit bei manchen Chat-Nachrichten aus der zweiten Reihe doch überrascht hat. Aber wir sind da auch sehr schnell bei der Frage, wer geht noch in die Politik? Wohin treibt dieses System?
Knapp: Das ist schon ein harter Job, die müssen sich auch einiges gefallen lassen.
Hofer: Wenn es so moralinsauer wird, werde ich vorsichtig. Aber der Kern ist wichtig: Es gibt und vor allem gab es immer wieder die Momente im politischen Österreich, in denen man denkt, jetzt geht es nicht mehr tiefer, peinlicher…
Knapp: … das Ibiza erst der Anfang war, hätte keiner von uns erwartet…
Hofer: Von der Dimension her ist das jetzt schon sehr erstaunlich. Hier hilft nur das möglichst klare Herausarbeiten, wer hat sich disqualifiziert, wer trägt wofür politisch Verantwortung, auch wenn die Beurteilung der strafrechtlichen Komponente natürlich nicht unsere Sache sein kann. Wir haben beispielsweise schon im Oktober des Vorjahres, als es Kurz‘ „Schritt zur Seite“ gab, gemeint, dass sich das politisch für ihn nicht mehr ausgehen kann. Das ist aber insgesamt eine Sache, die nicht nur die ÖVP betrifft.
Hajek: Ich gehe, die Frage von der anderen Seite an. Es ist nicht unsere Aufgabe Staatsbürger zu erziehen. Aber auch Volkes Stimme braucht manchmal Einordnung. Wenn bei Corona-Demonstrationen lautstark behauptet wird, man lebe in keiner Demokratie, dann kann man, auch auf Sendung, nur die Empfehlung aussprechen, ein paar Hundert Kilometer ostwärts zu schauen – dann weiß man, was eine Diktatur ist.
Knapp: Für die Menschen, die 1989 „Wir sind das Volk“ riefen, war das eine unvergleichbar schwierigere Situation.
Hajek: Ein running Gag.
Hofer: Rapid und Sturm sind ja tatsächlich seelenverwandt. Sie sind von der Bauart des Clubs her ähnlich, sehr emotional, spielen nicht immer die feine Klinge, was man mitunter auch an der Anhängerschaft sieht. Für uns passt das, weil das der Bereich ist, wo man auch einmal die Rolle der neutralen Beobachter verlassen kann.
Hajek: Das bringt nochmals eine andere Ebene in diese Sendung (lacht). Dieses Augenzwinkern hin und wieder erdet das Ganze.
Knapp: Wir waren sogar gemeinsam bei einem Match, das dann unentschieden ausgegangen ist. Österreich hat sozusagen gehalten.
Wie kam es dazu?
Knapp: Es war vor der Sendung immer wieder Thema, wer wie gespielt hat. Ich möchte auch nicht verschweigen, dass sich das bei Peter Hajek nicht immer launen-neutral ausgewirkt hat (lacht). Aber klar, es gibt ein echtes Leben neben dem vor der Kamera, wir haben Kinder, erleben genauso die Corona-Maßnahmen usw.. Wir kommen nicht aus einer künstlichen Welt.
Hofer: Ja, mit einer Ausnahme: Wir sind im echten Leben per Du. Vor der Kamera sind wir es nicht. Ich bin der Meinung, dass das bei jeder politischen Sendung komisch wirken würde.
Knapp: Ich bin seit jeher ein großer Freund von Distanz. Ich finde, dass das auch hier angebracht ist.
Hofer: Es gibt Regeln, die halten auch wir ein.
Knapp: Eine ist auch – und dafür brauchen wir nicht einmal einen Sideletter -, die letzten 30 Sekunden der Sendung gehören Peter Hajek und seiner Top-Flop-Liste.
Hajek: Wenn es sich ausgeht.
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