Eine Schneekugel mit Weihnachtsbaum und Geschenken

Philosoph Liessmann verrät: Worauf es beim Schenken ankommt

"Geschenke haben es in sich", sinniert Philosoph Konrad Paul Liessmann über Weihnachten, denn: "Richtig Schenken ist eine Kunst."

Von Katharina Baumhakel

Die Kunst des Schenkens

Ob liebevoll inszeniert oder in Eile improvisiert – zu Weihnachten wird geschenkt. Doch worin besteht eigentlich die Kunst des Schenkens? "Ein Geschenk ist eine Gabe", beginnt der emeritierte Professor laut zu denken, "und diese Gabe kann ein Ausdruck von Zuneigung, Dankbarkeit und Anerkennung sein, ohne eine Gegenleistung zu erfordern. Gleichzeitig wird durch jede Gabe die Frage nach einer Gegengabe in den Raum gestellt." 

"Geschenke können Beziehungen zerstören"

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann verortet im Schenken einen sozialen Akt, der Nähe und Verbindlichkeit zwischen Menschen erzeugt: "Geschenke können Beziehungen stiften, am Leben erhalten, aber auch zerstören – etwa wenn sie völlig unangemessen sind." Ursprünglich hatte das Schenken nämlich durchaus eine strategische Funktion: "Eine Wurzel des Schenkens ist der Versuch, soziale Konflikte zu entschärfen, Gegner zu beruhigen oder jemanden zu beeinflussen", führt Liessmann weiter aus.

Der Denker unterscheidet klar: "Das spontane Geschenk überrascht den Beschenkten. Ritualisierte Geschenke hingegen sind fest in gesellschaftliche Gepflogenheiten eingebunden, wie das Mitbringsel bei einer Einladung oder auch das Weihnachtsgeschenk." 

Böse Geschenke

Doch Präsente sind weitaus mehr als nur Tradition oder aufmerksame Gesten: "Man will sich jemandem geneigt machen, seine Dankbarkeit ausdrücken oder Verbundenheit signalisieren." – Doch Vorsicht ist geboten! Nicht jedes Geschenk hat gute Absichten. "Es gibt auch das Danaergeschenk, das sich als Anschlag entpuppt", warnt der Philosoph und nennt das Trojanische Pferd als Beispiel. Heute zeige sich diese hinterhältige Art des Schenkens in digitalen Betrügereien. "So kann sich hinter einer harmlos wirkenden elektronischen Weihnachtskarte ein gefährlicher Trojaner verbergen – eine zerstörerische Gefahr."

Verpacktes Verhältnis

Im Spannungsfeld von Täuschung und Großzügigkeit wiederum offenbart sich das Geschenk als Spiegel menschlicher Beziehungen. "Es bedeutet Interaktion und Kommunikation – im Idealfall beglückt man nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst", lässt der Philosoph wissen. 

Gerade im Weihnachtskontext bestehe der Schenkvorgang aus einem Geben und Nehmen, denn selbst der großzügigste Schenker erwarte sich im Gegenzug zumindest eines: Dankbarkeit. Wer ein Geschenk erhält, soll es freundlich annehmen und später mit einem Gegengeschenk erwidern – so die ungeschriebene Regel. "Wir bekräftigen damit unsere sozialen Bindungen", unterstreicht Liessmann. "Deshalb müssen Geschenke der Situation angemessen sein und auf den Beschenkten Bedacht nehmen." 

Manchmal ist es besser, Geschenke abzulehnen 

Auch die Annahme eines Geschenks habe ihre Tücken. „Man kann dem Schenkenden eine Ehre erweisen, indem man das Geschenk annimmt, doch das bedeutet auch, Verbindlichkeiten einzugehen. Daher kann es manchmal wichtig sein, ein Geschenk abzulehnen“, rät der Philosoph. Dabei zitiert der Nietzsche-Kenner auch diesen umstrittenen Denker, der das Verhältnis von Geben und Nehmen in ein ganz anderes Licht rückte, als er schrieb: "Hat der Geber nicht zu danken, dass der Nehmende nahm?" 

Nietzsche sieht im Schenken ein Machtspiel: "Der Beschenkte, nicht der Schenkende, entscheidet über den Erfolg eines Geschenks, indem er es annimmt – oder eben nicht", lässt Liessmann wissen. "Gerade zu Weihnachten wird diese Spannung spürbar, etwa wenn Kinder gnadenlos zeigen, dass ein Geschenk nicht ihren Erwartungen entspricht – eine schöne Bescherung!"

Konrad Paul Liessmann

©Arman Rastegar

Notwendige Dinge sind keine Geschenke

In diesem Zusammenhang kritisiert Liessmann, dass moderne Auffassungen des Schenkens oft utilitaristisch seien. "Das Notwendige zu verschenken, etwa einen Pullover, damit man nicht friert, ist kein echtes Geschenk. Ein wahres Geschenk dagegen hat einen Hauch von Überfluss und Freigiebigkeit – es geht über das rein Zweckmäßige hinaus." In eine ähnliche Kerbe schlug Theodor W. Adorno Mitte der 1940er-Jahre, als er feststellte: "Die Menschen verlernen das Schenken." Für ihn lag das wahre Schenken in der "Imagination des Glücks des Beschenkten".

Aber was soll man nun konkret schenken? "Die Individualität eines Menschen drückt sich oft in seinen ästhetischen Vorlieben aus. Diese herauszufinden und mit einem Päckchen zu unterstützen, ist Ausdruck eines Gebens, das zumindest ein rudimentäres Interesse am anderen beinhaltet", lautet der Rat des Philosophen. 

Deshalb sind Bücher noch immer wunderbare Geschenke. Und im Idealfall werden im Geschenk zwei Dinge vereint: Man transportiere mit ihm etwas von sich selbst und akzeptiere gleichzeitig den Beschenkten in seiner Andersartigkeit. "Wir sollten also danach streben, etwas zu schenken, das dem anderen gefällt, aber auch etwas von uns selbst überträgt."

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