Perimenopause: "Wäre es ein Problem bei Männern, gäbe es Tausende Ansätze"
Viele Frauen hören von der Perimenopause erst, wenn sie mitten in der hormonellen Achterbahn stecken. Dabei kann man mit der richtigen Ernährung viele Symptome mildern. Ein Gespräch mit Gynäkologin Christina Enzmann anlässlich ihrer Neuerscheinung "Somebody Told Me".
Buchtipp
Ab 40 wird für Frauen vieles anders. Doch: sie können diese Veränderung maßgeblich beeinflussen. Die Ernährungsexpertin Susanne Liedtke und die Gynäkologin Christina Enzmann schreiben über alles, was auf Frauen zukommen kann - und welche Möglichkeiten sie selbst haben, um ihre Körper wieder in Balance zu bringen. Der größte unterschätzte Hebel: sie Ernährung.
Brandstätter Verlag, 224 Seiten, 26 Euro
Christina Enzmann ist Fachärztin für Gynäkologie. Doch als die gebürtige Deutsche selbst in die Perimenopause kam, hatte sie auf viele Dinge auf einmal keine Antwort - und hat neue Wege gesucht. Heute ist sie Expertin im Bereich der Wechseljahre. In ihrem neuen Buch "Somebody Told Me" (Brandstätter Verlag) gibt sie mit Kollegin Susanne Liedtke Gesundheits- und Ernährungstipps speziell für Frauen am Ende ihrer reproduktiven Jahre. Damit andere, die in diese Phase kommen, einmal nicht anstehen.
KURIER: Frau Enzmann, was ist die Perimenopause eigentlich genau?
Christina Enzmann: Die Perimenopause, das sind diese vielen Jahre, in denen die Eierstöcke so langsam die Funktion einstellen. Diese Phase dauert – das wissen viele Ärzte nicht einmal – 8 bis 15 Jahre. Man kann sich die Eierstöcke dabei wie einen alten Trabbi vorstellen. Der fährt eigentlich noch ganz gut und dann bleibt er plötzlich mitten auf der Landstraße stehen. Man versucht den Wagen anzumachen, aber es geht nichts. Man denkt schon, es ist vorbei und will laufen – da springt der Motor plötzlich wieder an und fährt noch einmal für 200 Kilometer oder länger. So ähnlich ist das mit den Eierstöcken in der Perimenopause: Man bekommt Hitzewallungen, kann nicht schlafen, ist gereizt, hat unregelmäßige Regelblutung und – bumm! – dann ist für ein paar Monate alles normal, bis sich das Szenario immer öfter wiederholt.
Warum hören viele Frauen erst davon, wenn sie mitten drinstecken?
Ich glaube die Wechseljahre an sich sind – in Ermangelung eines besseren Wortes – unsexy. Eigentlich sind sie ja nichts anderes als das Gegenteil zur Pubertät; wir Frauen gehen da quasi zwei Mal durch ein hormonelles Chaos. Aber wir assoziieren die Menopause vor allem mit dem Altern, körperlichem Verfall und dass man keine Kinder mehr bekommen kann. Deshalb ist es für viele Frauen ein unangenehmes Thema, mit persönlichen, oft unbewussten Ängsten behaftet. Und Männer reden mit ihren Partnerinnern nicht darüber, weil sie lange gelernt haben, dass es ein empfindliches Thema ist.
Aber Sie haben angesprochen, dass nicht einmal Ärzte von der Perimenopause wissen? Wie kann das sein?
Da hat einfach keiner so richtig etwas darüber geschrieben; es ist ja kein Krankheitsbild, nur eine kurze Phase vor der Menopause. Das Krankensystem kann nicht viel Geld damit verdienen. Es gibt keine Prozeduren, die man einsetzen kann. Man muss bloß ein bisschen aufklären. Deshalb hat das Thema wohl nie so richtig Zug bekommen. Aber Susanne (Liedtke, die Co-Autorin, Anm.) und ich scherzen immer und sagen: Wenn es ein Problem bei Männern wäre, würde es Tausende Ansätze geben.
Wird das Thema also auch in der Forschung weniger ernst genommen?
Sagen wir so: Den ersten Kongress zu den „Stages of Reproductive Aging“, bei dem sich internationale Forscher zusammengesetzt haben, um die reproduktiven Phasen der Frau in der Lebensmitte zu definieren, gab es 2001. Das war die Grundlage, um zu verstehen, was mit uns Frauen in der Lebensmitte auf endokrinologischer (hormonellen, Anm.) Ebene passiert. Es gibt heute natürlich Forschung über Menopause, aber es ist eine Nische, vor allem wenn man bedenkt, dass dieses Thema die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft.
Es würde Frauen aber helfen, besser Bescheid zu wissen? Auch schon über die Perimenopause?
Ja. Man kann den langsamen Verfall der Eierstocksfunktion zwar nicht umkehren, aber man kann - mit den richtigen Lebensgewohnheiten und Ernährung - aus einer wilden perimenopausalen Achterbahn-Hormonkurve eine sanfte, langsam ausgleitende Hügellandschaft machen.
Wie kommt es eigentlich zu der Achterbahn?
Wir haben in der Perimenopause normalerweise viel Östrogen, weil wir nicht mehr regelmäßig Eier freisetzen. Nur wenn wir Eier freisetzen, wird das Progesteron gebildet, der beruhigende Gegenspieler des Östrogens. Wenn es ein Zuviel an Östrogen gibt, bekommen wir Brustspannungen, Wassereinlagerung, schwere Regelblutungen, vielleicht Kopfschmerzen oder stärkere Histaminreaktionen. Wenn das Östrogen Achterbahn fährt, ist das also nicht gut, deshalb muss man darauf achten, dass wir das Zuviel ausscheiden. Das geht zu einem guten Anteil über den Magen-Darm-Trakt. Deshalb sollte man in der Perimenopause anfangen, die Ernährung umzustellen, um Leber und Darm zu helfen, diese Funktion optimal ausführen zu können.
Was sollte man dabei konkret beachten?
Ich sage immer: 80 Prozent Gemüse essen. Zum einen gibt uns Gemüse die 30 Gramm Ballaststoffe, die wir jeden Tag brauchen. Die helfen nicht nur regelmäßig auf die Toilette zu gehen, sondern auch unsere wichtigsten Darmbakterien zu füttern, die mit dem Hormonabbau helfen. Man kann sich das so vorstellen: Die Östrogene werden in einen Koffer gepackt und in den Darm geschickt. Wenn sie da nicht rechtzeitig abtransportiert werden, werden sie wieder ausgepackt, im Körper aufgenommen. Im Darm wird auch Serotonin metabolisiert, das Wohlfühlhormon. Und dann versorgt uns Gemüse mit Mineralstoffen – Kalzium, Kalium, Magnesium. Die helfen bei der Nerven-, Schlaf- oder der Muskelfunktion und Insulinresistenz.
Welchen Mythos über die Wechseljahre würde Sie gerne aus der Welt schaffen?
Das Bild der alten Frauen, das sollte durch glückliche ersetzt werden. Viele Frauen haben schwere Menstruationsblutungen, Depressionen vor der Regel oder Endometriose. Das fällt plötzlich alles weg; es kann - mit der richtigen Einstellung - eine Befreiung sein. Jede zweite Frau, das belegen Studien, fühlt sich in ihren postmenopausalen Jahren glücklicher als in ihren Zwanzigern oder Dreißigern.
Wir sind länger fit, werden älter: Warum verschiebt sich die Menopause eigentlich nicht nach hinten?
Das ist so programmiert. Die Eizellen sind hier die Generäle; die haben einen programmierten Zelltod. Deshalb ist es egal, wie biologisch jung jemand ist. Viele Frauen, die schlank und fit sind, können oft nicht glauben, dass für sie mit 40 auch vorbei ist mit den Eizellen. Manche Frauen gehen durch Umwelteinflüsse, der sie ausgesetzt sind, sogar früher in die Menopause. Das ist einfach so.
Ein eingefordertes Innehalten …
Genau. Die Natur sagt uns mit den Wechseljahren: Nimm mal einen tiefen Atemzug, du hast eine Menge geleistet. Wir brauchen jetzt deine Weitsicht, innere Ruhe und Lebenserfahrung für andere Dinge als Reproduktion.
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