Ludwig Angerer fotografierte 1860 die „allerhöchste Kaiserfamilie“ – mit Sisi und ihren Kindern Gisela und Rudolf.

Ludwig Angerer: Der Haus- und Hof-Fotograf des Adels

Die Historikerin Michaela Pfundner dokumentiert in ihrem neuen Buch das Leben und Schaffen jenes Fotografen, dem das Kaiserhaus vertraute

Er porträtierte die österreichische wie ausländische Prominenz, die Stadt Wien und prägte mit seinen Fotos das Image des Kaiserhauses: Ludwig Angerer (1827–1879) war der Fotograf, dem von Kaiser Franz Joseph der Titel „Hofphotograph“ verliehen wurde.

Der 1827 in Pressburg geborene Angerer studierte zuerst Pharmazie und Chemie. Ab 1854 war er Apotheker in der Garnisonsapotheke. Den Umgang mit der Kamera brachte er sich selbst bei – er betrieb dieses neuartige Metier zunächst nur als Hobby. Das Fotografieren im Freien perfektionierte er dann im Rahmen des Krimkriegs: Seine mitgebrachten Bilder erregten Mitte des 19. Jahrhunderts wegen ihrer technischen Vollendung großes Aufsehen. Danach führte das eine zum anderen.

Atelier

Dank seiner Beziehungen zur Wiener High Society und zum Wiener Adel sowie der persönlichen Kontakte zur Kaiserfamilie wurde Angerer relativ schnell einer der wichtigsten und angesagtesten Fotografen zu dieser Zeit. Jeder, der damals etwas auf sich hielt und das nötige Kleingeld hatte, ließ sich von ihm in Szene setzen.

Das brachte ihm relativ schnell viel Arbeit, einen guten Ruf und natürlich auch viel Geld ein. Sein fotografisches Atelier in der Theresianumgasse, das leider im Zweiten Weltkrieg durch einen Bombentreffer zerstört wurde, war die nobelste Adresse, wenn man sich Mitte des 19. Jahrhunderts für die Ewigkeit – oder zumindest für die Nachkommenschaft – porträtieren ließ.

Von Ludwig Angerer stammen dann auch die ersten bekannten fotografischen Aufnahmen des österreichischen Kaisers Franz Joseph sowie das einzig überlieferte Foto, für das das österreichische Kaiserpaar gemeinsam vor die Kamera getreten ist. Genau dieses Foto war für Michaela Pfundner dann auch der Auslöser für ihre Recherchen, die nun in Form eines Bildbands vorliegen.

„Das Bild ist die einzige Aufnahme, die Elisabeth gemeinsam mit ihrem Sohn Rudolf auf dem Schoß, der Tochter Gisela daneben und Kaiser Franz Josef zeigt. Die haben sich nämlich sonst nie miteinander fotografieren lassen“, sagt die Historikerin dem KURIER. Für sie sei das Besondere am Bild, dass es vom Setting her nicht sonderlich kaiserlich wirkt, eher etwas dürftig improvisiert, in einer sichtlich entspannten Atmosphäre. „Daher wollte ich mehr über den Macher, den Fotografen hinter dieser Aufnahme wissen“, sagt sie.

Der Fotograf Ludwig Angerer (1827–1879).

©Österreichische Nationalbibliothek, Edition Winkler-Hermaden

Herausgefunden hat sie dann so einiges. Pfundner über Angerer: „Er war ein schöner Mann, ist aber früh gealtert und auch früh gestorben. Er hatte immer wieder mit seiner Lunge Probleme, was vielleicht an den ganzen chemischen Flüssigkeiten lag, die damals zur Entwicklung der Fotos eingesetzt wurden.“

Angerer sei auch ein Workaholic, ein sehr geschäftstüchtiger Fotograf gewesen – er hinterließ einen großen Bestand mit unzähligen Aufnahmen, der u. a. im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird. Ein Teil des Nachlasses seines Sohnes Franz „Fery“ Angerer befindet sich hingegen im Museum in Mondsee.

Trendsetter

Michaela Pfundner über die Arbeiten am Buch: „Ich habe auch versucht, mit Nachfahren in Kontakt zu treten, wollte wissen, ob sie vielleicht noch weitere Infos oder Fotos in ihrem Besitz haben. Bislang habe ich aber noch keine Antwort erhalten.“

An genügend Material mangelte es Pfundner aber nicht, viel mehr hatte sie die Qual der Wahl. Die zentralen Fragen waren, welchen Teil der Geschichte das Buch erzählen und welche Bilder es beinhalten sollte. „Mir war wichtig, zu überraschen, Aufnahmen zu zeigen, die der Großteil der Öffentlichkeit nicht kennt“, sagt die Autorin. „Zum Beispiel dieses Bild mit den beiden rauchenden Frauen (siehe Foto unten): Es war zur damaligen Zeit äußerst selten, dass sich Frauen beim Rauchen fotografieren haben lassen.“

Durch diesen frischen Zugang habe Angerer auch die Atelierfotografie erneuert. „Er hat mit neuen Hintergründen und verschiedenen Kulissen gespielt, Accessoires verwendet, ständig Neues ausprobiert“, erklärt Pfundner. Zu seinem Markenzeichen wurden auch die Gruppenbilder und die Carte-de-Visite-Photographie, welche in Paris ab 1859 in Mode war und die Angerer in Wien als Erster anbot.

Gräfin Melanie Pálffy-Erdöd rauchend mit einer Freundin.

©Österreichische Nationalbibliothek, Edition Winkler-Hermaden.

Reise

Da der Fotograf viel mit seiner Kamera unterwegs war, ist das Buch auch eine spannende Reise zurück ins Wien des 19. Jahrhunderts. Man sieht etwa Bilder aus dem 3. Bezirk, die Gegend rund um die russisch-orthodoxe Kathedrale ist kaum wiederzuerkennen. Oder eine Aufnahme des Treibens am heutigen Heldenplatz, die Angerer, am Burgtor stehend, machte.

Die Autorin: Michaela Pfundner ist  stellvertretende Direktorin des Bildarchivs und der Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und Leiterin der Abteilung Bilddokumentation. Die 1965 in Amstetten geborene Historikerin unterrichtet an der Uni Wien und der Donau-Uni Krems.

Das Buch: „Der Fotograf des Kaiserhauses. Ludwig Angerer“. Edition Winkler-Hermaden.160 S. 38,90 Euro.

©Österreichische Nationalbibliothek, Edition Winkler-Hermaden
Marco Weise

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