Annabel’s, London

Nur für Auserwählte: Der Boom der privaten Mitgliederclubs

Im ausgewählten Kreis und luxuriösem Ambiente zusammenkommen. Das wollen offenbar immer mehr. "Private Members Clubs" sind ein Trend, auch in Wien.

Im Dezember 1974 flog durch das Fenster des In & Out eine Bombe der IRA und explodierte im Londoner Mitgliederclub für hochrangige Militärs. Alle riss es um, inklusive Barmann. Die Stille soll Commander Vaughan Williams beendet haben: „Robbins, noch einen pinken Gin, bitte.“ Eine andere Version lautet, Williams hätte gemeint: „Weihnachtskracher. Robbins – dasselbe noch einmal!“

Egal, was nun stimmt, aber so stellte man sich die englischen Clubs – besonders die den Herren vorbehaltenen Gentlemen’s Clubs – früher vor: Hier verkehren, nachdem sie einer Aufnahme würdig sind und den Mitgliedsbeitrag bezahlt haben, eher schräge alte Männer. Sie gehören zu einer alten Elite, aktuelle Entwicklungen bringen sie nicht so schnell aus dem Konzept. Und überhaupt haben – wenn nicht die Räumlichkeiten – die Konzepte der Private Members Clubs Staub angesetzt.

Seit 1824 zählt der Athenaeum Club zu den renommiertesten in London. Vor allem Künstler, Literaten und Wissenschaftler sollten Mitglieder sein. Zu den bekanntesten zählten Charles Darwin, Winston Churchill oder Rudyard Kipling. Ursprünglich sollte die Zahl der Mitglieder auf 1.000 begrenzt sein, mittlerweile sind es 2.000. Ab 1972 durften die männlichen Mitglieder Frauen in einen bestimmten Raum zum Dinner einladen, später durften Damen am Mittagessen teilnehmen. Im Jahr 2002 sprach sich die Mehrheit dafür aus, Frauen als Mitglieder aufzunehmen.

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Das hat sich geändert. Lifestyle-Bibeln wollen seit geraumer Zeit einen Trend zu Mitgliederclubs erkennen. In New York sperrten zuletzt gleich mehrere auf. „Heute erleben wir so etwas wie eine Wiederauferstehung. Sie waren schon vor der Pandemie am aufsteigenden Ast. Als sich die Welt wieder öffnete, wurde die Entwicklung noch einmal beschleunigt. Die Hautevolee der Städte fühlte, sie müsste gesellschaftlich in besser kuratierten Räumlichkeiten verkehren“, schrieb das US-amerikanische Surface.

Nach Skepsis kam Aufnahmestopp

Aber man muss nicht nur in den New Yorker Großstadtdschungel schauen, um neue Einrichtungen zu finden. Es reicht auch das beschaulichere Wien. Kakadus und grüne Tropenpflanzen schmücken die Innenwände eines schmalen, karminroten Gebäudes in der Wiener Innenstadt. Mit dem „Am Hof 8“ ist hier vor einigen Monaten der erste richtige Private Members Club der Stadt aufgeschlagen.

Hinter dem Konzept steht Johannes Kattus, Geschäftsführer der Kattus-Gruppe. Vor vier Jahren hat er begonnen, am Konzept zu feilen. „Anfangs habe ich viel Skepsis erfahren. Viele zweifelten daran“, erzählt er. „Glaubst du, die Wiener sind bereit, fürs Essengehen zu bezahlen?“, sei der Tenor gewesen. Aber selbst die größten Zweifler hätten die Idee cool gefunden. Und offenbar andere auch: 500 Mitglieder habe „Am Hof 8“ bereits.

Was auffällt – es sind auch viele jüngere Menschen dabei. Der Altersschnitt liege bei Anfang 40. „Aktuell haben wir einen Aufnahmestopp.“ Aber im kommenden Jahr wolle man noch ausbauen. Wer Mitglied werden will, muss sich einem Aufnahmeverfahren stellen. „Wir wollen eine gewisse Homogenität, wenn es um eine weltoffene Einstellung geht. Und unsere Mitglieder sollen offen fürs Netzwerken sein.“ Ansonsten wird darauf geachtet, dass die Mitglieder nur zu einem gewissen Prozentsatz aus ähnlichen Branchen kommen. Nicht gerne gesehen sind „öffentlich exponierte Persönlichkeiten. Und wir wollen nicht das Hinterzimmer für unlautere Geschäfte werden“.

Ist die Hürde der Aufnahme geschafft, ist ein Mitgliedsbeitrag fällig. „Wir haben versucht, dass sich jeder eine Mitgliedschaft leisten kann, der einen vernünftigen Job hat. Die Einschreibgebühr beträgt zwischen null und 5.000 Euro. Dann sind monatlich zwischen 75 Euro und 150 Euro zu zahlen. Damit gibt es in erster Linie Zugang zu den Räumlichkeiten. „Wir bieten zwei Restaurants, drei Bars plus Nachtclub, Weinkeller, Lounge zum Chillen.“ Wer will, kann hier auch im Co-Working-Space arbeiten oder auch in einer Wohnzimmeratmosphäre Tischtennis spielen. Und das von morgens bis in die Nacht hinein. „Wir wollen wie ein zweites Zuhause sein“, meint Kattus. Und weil sich die Menschen wie daheim fühlen sollen, gibt es hier auch ein Fotoverbot.

Auch wenn Kattus der Erste in der Stadt ist, der das in diesen Dimensionen aufzieht, Lokalitäten, die nur ausgesuchte Personen zulassen, gibt es in Wien schon länger. Der umstrittene Gastronom Martin Ho ließ für sein Nachtlokal „Club X“ Schlüssel an ausgewählte Personen verteilen. Und in der „Grand Étage“ im Dachgeschoß des Hotels Grand Ferdinand am Ring will man frühere „private Salons zum Austausch über Künste und Stadtgeschehen wieder auferstehen lassen“, wie es heißt. Hier soll es gepflegte Gespräche geben. „Das Vergnügen eines Rooftop-Pools inklusive.“ Die heutige Eventlocation „k47“ wollte vor einigen Jahren auch schon eine exklusive Räumlichkeit sein.

Vorbilder aus London

Kattus, der während eines London-Aufenthalts mehrere Häuser kennenlernte, wollte das Flair der britischen Hauptstadt nach Österreich bringen. „Meine Vorbilder sind das Loulou’s und Soho House“. Letzteres gilt als der Luxusclub schlechthin. Vor 27 Jahren eröffnete Gründer Nick Jones das erste Haus im Stadtteil Soho und machte es zu einem Treffpunkt von Künstlern und Schauspielern, später kamen Banker oder Anwälte dazu. Heute betreibt die Kette 38 Standorte in mehr als einem Dutzend Ländern. Wer etwas auf sich hält und es sich leisten kann, verkehrt hier. Wie die mitteilungsbedürftigen Meghan Markle und Prince Harry in ihrer aktuellen Netflix-Doku verrieten, fand im Gebäude in der Dean Street ihr erstes Date statt, zu dem Harry ganze 30 Minuten zu spät kam.

Dass es dort offenbar auch wilder hergeht, musste Iris Law, Tochter des damaligen Schauspieler-Ehepaares Jude Law und Sadie Frost, erfahren. Bei einer Kindergeburtstagsparty fand sie am Boden eine Ecstasy-Tablette und schluckte einen Teil davon. Die Zweijährige musste ins Spital, jedoch konnte ihr Frost einen Großteil der Pille aus dem Mund entfernen. Iris blieb unversehrt.

Die Mitglieder der ersten Londoner Clubs würden sich ob dieser Ereignisse wohl im Grab umdrehen. Diese waren eher Kaffeehäuser mit Hinterzimmern zum Spielen. Laut The Spectator war das „White’s“, 1693 vom Italiener Francesco Bianco gegründet, der erste Club in der britischen Hauptstadt. Aristokraten kamen hierher, um zu tratschen, zu spielen und dabei große Schulden anzuhäufen. Im 19. Jahrhundert öffneten sie sich für die Mittelklasse. Der Duke of Wellington, offenbar ein großer Snob, machte zwei große Lebensweisheiten aus: „Schreibe niemals deiner Lady einen Brief und tritt niemals dem Carlton Club bei.“ Dabei hatte er letzteren, in dem später etwa Winston Churchill und Margaret Thatcher Mitglieder waren, mitbegründet.

Dass sich auch Offiziere zu Clubs zusammenfanden, gefiel auch nicht allen Vertretern alter Ordnung – sie fürchteten einen Putsch. Mit dem „Athenaeum“ für Künstler und dem „Oriental Club“ für Veteranen der East India Company rückten die Mannen des Aristokraten des Ancien Régime noch etwas mehr in den Hintergrund. In den 1960ern und 1970ern wurden die Clubs in England allmählich unattraktiv. Aber wie das so ist: So gut wie alles kommt später wieder. In den vergangenen Jahren erfanden sich viele neu, investierten in spektakuläre Inneneinrichtung. Viele umweht wieder ein Hauch des Geheimnisvollen. Nicht nur in London.

Surreales von David Lynch

Ganz geheimnisvoll ist es im „Silencio“ in Paris. Es heißt so wie der schräge Club in David Lynchs Film „Mulholland Drive“. Der Meister des Surrealen hat den auch höchstselbst mit Designern eingerichtet. Ziel war, seine Filmwelt in die Realität zu übertragen. Möbel, die von den 50er-Jahren inspiriert sind, stehen herum, die WC-Armaturen sind ganz in Schwarz gehalten. „Ich habe das Gefühl, dass ich einiges von der Dekoration, dem Licht und den Charakteren meiner Filme hierhin übertragen konnte“, sagte der 65-jährige Lynch der französischen Zeitung L'Express.

Der Guardian war zur Eröffnung 2011 dort. Ganz so wie in Lynchs Werk dürfte es hier trotzdem nicht zugehen. „Hier waren keine Zwerge. Keine tanzenden Männer. Niemand sprach rückwärts – bis die Daiquiris einschlugen. Und bis auf einen japanischen Cowboy, der sich als Modedesigner herausstellte, sah auch niemand schräg aus.“

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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