Little Richard

A-wop-bop-a-loo-mop-a- lop-bam-boom! Little Richard im Kino

Das Poolinale-Festival im Filmcasino bringt spannende Musikfilme nach Wien. Unter anderem „I am Everything“, eine Doku über den unterschätzten Helden des Rock ’n’ Roll, der vielleicht tatsächlich der „King“ war: Little Richard.

Wan hat Richard Wayne Penniman nicht sofort auf dem Radar, wenn's um ikonografische Stars geht, die eine musikalische  Ära prägten. King Elvis, klar, die Beatles und ihre räudigen Herausforderer von den Rolling Stones, später Glam- und Hardrock-Helden wie Bowie und Led Zeppelin, in den 1980ern dann Prince und Michael Jackson als Duellisten um den Thron des Pop-Königs – aber Little Richard?

Doch der gar nicht so kleine Mann aus dem Süden der USA war viel mehr als Tutti Frutti. Okay, das war er natürlich auch und jede Menge „A-wop-bop-a-loo-mop-a-lop-bam-boom!“ oben drauf. Exzentrisch, grell, auffallend – ein Performer, wie man ihn sich in den Wirtschaftswunder-Fünfzigern nicht einmal zu träumen getraut hatte.

Nicht umsonst nannte Bob Dylan ausgerechnet Tutti Frutti „den Beginn des Rock ’n’ Roll“.

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch

  • Der Mann von einem anderen Stern
  • Der Zerrissene und seine vielen Superstar-Fans
  • Weitere Highlights des Poolinale-Festivals: Von Willi Resetarits bis Pink Floyd

Von einem anderen Stern

Und Little Richard WAR Rock ’n’ Roll. Mit großer Frisur und geschminkt, in Crop-Tops und hautengen Hosen, mit Flitter und  in Fantasie-Roben oder übergroßen Anzügen, die er auch gemeinsam mit einigen seiner sechs Brüder hätte tragen können, nahm er sehr viel davon vorweg, was da noch kommen würde. Er war wie ein Mann von einem anderen Stern – und ebnete damit den Weg für viele bunte, extravagante und glamouröse Rockstars. So gesehen ist es auch kein Wunder, das David Bowie, der Spider from Mars, zu seinen größten Bewunderern zählte.

Als er noch David Jones hieß, hörte er als Zehnjähriger zum ersten Mal den „Schlachtruf“ zu Beginn von Tutti Frutti im Londoner Radio. Für ihn war es „die Stimme Gottes“, wie er später dem Musikmagazin Rolling Stone erzählte.

Willkommen im Fan-Club

Und es ist ein mehr als illustrer Fanclub, in dem Mr. Bowie hier Mitglied ist. Mick Jagger, dem es neben der Stimme vor allem auch der Tanzstil und die Outfits Richards’ angetan haben gehört ebenso dazu, wie Paul McCartney, der vom Meister selbst Tipps bekommen hatte, wie man so richtig ekstatisch schreit beim Singen. Ja, die Beatles hatten einigen persönlichen Kontakt mit ihm, in den frühen 60ern waren sie in Deutschland Vorband für den Rock ’n’ Roller. Janis Joplin war ebenso von ihm begeistert wie Elton John, der über ihn sagte: „Ich hatte Gänsehaut, als ich ihn zum ersten Mal sah. Es gibt keinen Zweifel, er ist musikalisch, stimmlich und visuell mein größter Einfluss.“ 

Aber auch Musiker, die man nicht mit Glamour und Bling-Bling verbindet, sondern eher mit Cowboystiefeln und Karohemden, zählen zum Kreis seiner Verehrer. Der legendäre John Fogerty etwa, selbst eine Naturgewalt am Mikro, sagte über Richard: „Er war der größte Rock’n’Roll-Sänger aller Zeiten.“ Und wenn man das erst einmal  weiß, erkennt man ihn auch in einigen Hits von Fogertys Band CCR wieder. Sogar Crooner Tom Jones gehört zum Club, und bei einem fantastischen Duett in seiner eigenen TV-Show von 1969 sieht man ihm die Bewunderung förmlich  an.

Der Zerrissene

Viele dieser Stars kommen in der Little-Richard-Doku „I am Everything“, die schon beim Sundance Festival bejubelt wurde und den „Architekten des Rock ’n’ Roll“, wie er sich selbst gern nannte, endlich ins rechte Licht rückt, zu Wort.

Man erlebt auch die Achterbahnfahrt mit, die seine Karriere ausmachte. 1958, auf der Höhe seines Ruhms, nur drei Jahre nach seinem Durchbruch, zieht er sich aus der Popmusik zurück, predigt und nimmt nur noch Gospels auf. Ein Wink Gottes sei es gewesen, als sein Flieger bei einer Australien-Tour in Turbulenzen kam, heißt es ursprünglich...

Nein, er habe jüdische Theologie studiert, erklärt er 15 Jahre später einem völlig verblüfften BBC Journalisten, noch einmal zehn Jahre danach sagt er David Letterman im Interview, er habe versucht, seine Schulbildung nachzuholen, um zu verhindern, dass seine Manager ihn übers Ohr hauen ... 

Richard kam zurück: Schon 1962 tourte er in Europa mit den noch grünen Beatles und hatte bald darauf einen jungen Gitarristen namens Jimi Hendrix in der Band. Mit den beiden ging es nicht lange gut, sie waren beide fürs Rampenlicht geschaffen, man ging nicht im Guten auseinander. Aber ein wenig von der Extravaganz seines ehemaligen Chefs nahm sich Jimi  schon mit.

Richard sollte sich in den späten Siebzigern wieder von der Musik ab- und der Religion zuwenden, um Mitte der Achtziger ein neues Comeback zu versuchen. Ein Hin und Her zwischen Partys, Drogen, Sex und frommer Enthaltsamkeit, Himmel und Hölle oder umgekehrt, wer kann das schon sagen.

Er war ein Zerrissener, der Vater schmiss ihn mit 13 aus dem Haus, weil er ihn in den Kleidern seiner Mutter erwischt hatte, Richard sang als Kind im Kirchenchor und trat als Teenager in Drag-Shows auf, lange bevor das chic wurde. Er sei schwul, sagte er offen, um später zu erklären: „Ich MUSSTE mich verkleiden. Ohne Make-up und Fummel hätte ich nicht für weiße Girls spielen dürfen, aber so war ich keine Gefahr.“

„Little Richard hat sich von seiner Queerness losgesagt, weil er nicht in der Hölle brennen wollte. So wurde er erzogen. So wurden wir alle erzogen. Er war  gut darin, andere zu befreien – aber nicht sich selbst“, sagt ein Weggefährte dazu im Film. Als  Richard dem großen Muhammad Ali bei einer Feier zu dessen 50. Geburtstag ein Ständchen spielte, sagte Ali in die Kamera: „Er ist der King!“ Vielleicht hatte er ja Recht.

Pink Floyd & Willi Resetarits

Beim Poolinale-Festival im Filmcasino laufen neben „Little Richard“ (12.10.) eine Reihe weiterer, höchst empfehlenswerter Musik-Filme. Wunderbar gemachte Porträts über Cindy Lauper, Joan Baez, Pete Doherty – und auch Jürgen Moors „Vom ewechn Lem“, der gefeierte Konzertfilm über die österreichische Supergroup mit dem unvergessenen Willi Resetarits, Walter Soyka, Hannes Wirth und Ernst Molden.

Ebenfalls höchst spannend: „Squaring the Circle“ von Star-Regisseur Anton Corbijn, ein Film über das Design-Studio Hypgnosis, das für die legendäre Cover-Art von Bands wie Pink Floyd, Genesis, Black Sabbath und Alan Parsons Project verantwortlich war.
filmcasino.at

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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