Bianca Jagger kommt mit einem Pferd zur Party.

Als Bianca Jagger auf einem weißen Pferd ins Studio 54 ritt

Von Salvador Dalí bis zu den Rothschilds: Berühmte Menschen feierten berühmte Partys. Extravagant, surreal, sexy.

Vollgas oder Enthaltung. Im Grunde gibt es zwei Methoden, um sich verlässlich zum Gesprächsstoff Nummer eins auf einer Festivität zu machen. „Wenn man im Mittelpunkt einer Party stehen will, darf man nicht hingehen“, stellte Audrey Hepburn einst trocken fest. Ein Nichterscheinen provoziert den Gedanken, dass man dafür seine Gründe haben wird, und ist das nicht der Fall, werden Leute nicht zögern, diese Gründe aus heiterem Himmel zu erfinden – voilà, schon ist man Thema.

Die zweite Vorgehensweise ist von weit weniger Zurückhaltung geprägt. Und sorgt nicht für geheimes Getuschel, dafür für unüberhörbares Staunen. Sie lautet „Auffallen um jeden Preis“ und man kann sie sich ungefähr so vorstellen wie die Szene, die Bianca Jagger am 2. Mai 1977 im Studio 54 lieferte.

Weiters in dieser Geschichte:

  • Die verrückte Surrealisten-Party der Rothschilds
  • Truman Capotes "Party des Jahrhunderts"
  • Gerald und Sara Murphy: Feste für Hemingway und Picasso in Cap d’Antibes

Auf einem weißen Pferd und in einem Roy Halston-Kleid ritt sie bei der Feier zu ihrem 30. Geburtstag ein. Die Zügel hielt ein nackter Jüngling. Studio 54-Chef Steve Rubell ließ so sein Lieblingsfoto von ihr vor aller Augen Realität werden. 

Dass die damalige Gattin von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger Jahre später, vom Partymodel zur Tierschützerin gereift, darauf bestand, nicht eingeritten, sondern bloß aufgestiegen zu sein, tat da nichts mehr zu Sache. Foto und Fest waren längst Legende. Wie das Studio 54 selbst.

Bianca Jagger kommt mit einem Pferd zur Party.

Hoch zu Ross: Bianca Jagger, damals die Frau von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger, sitzt auf einem Schimmel im Studio 54 auf. Hüa! 

©Robin Platzer/Twin Images/Getty Images

Sex und Steuerhinterziehung

Am Hang zur Extravaganz mangelte es dem legendären Disco-Etablissement nie. Liza Minnelli, Cher, Michael Jackson oder David Bowie genossen den Exzess. Viele Partys waren legendär: Die Opium-Party war eine davon. Denn wenn die durchtanzten Nächte unter der glitzernden Discokugel nach etwas dufteten, dann nach Schweiß und „Opium“. Das Parfüm von Yves Saint Laurent roch nach Zeder, Patschuli, Vanille, war purer Sex und galt als obszön und skandalös. Ein Parfüm, das Drogen huldigte! 

Die Afterparty zur Einführung feierte Laurent den Tugendwächtern zum Trotz dann im Epizentrum nächtlicher Rauschmittel, sprich: Studio 54, wo an Astronauten gemahnende Männer an dem Abend neben Models in goldenen Kimonos und funkelndem Haarschmuck im Konfetti-Regen tanzten. Ein rauschendes Fest.

Lustige Runde: Modegott Yves Saint Laurent (Mi.) beim Launch seines Skandalparfüms Opium (Mitte), umringt von David Geffen, Modedesigner Fernando Sánchez, Roy Halston, Studio 54-Chef Steve Rubell und Stilikone Nan Kempner

©Ron Galella Collection via Getty/Ron Galella/getty images

Zeremonienmeister solcher Spektakel: Steve Rubell. Im Duo mit seinem Co-Geschäftsführer Ian Schrager galt er als extrovertierter Teil. Er feierte gern mit, stachelte die Partymeute an. Genies des Nachtlebens, jedoch Tölpel in geschäftlichen Dingen. Wegen Steuerhinterziehung wurde beiden drei Jahre Knast aufgebrummt. 1989 starb Rubell an Aids. Schrager wurde reich und seriös und gilt als Erfinder der Boutiquehotels. Über seinen Club sagt er im Rückblick: „Sobald du durch diese Tür durchgegangen warst, warst du frei – frei, zu tun und lassen, was du wolltest, und frei, zu sein, wer oder was auch immer du wolltest.“ 

Surrealismus am Schloss

Doch nicht nur Hollywood versteht es, Partys zu feiern. Auch die hohe Aristokratie weiß ein zünftig exaltiertes Fest zu schätzen, man denke nur an die berüchtigte Rothschild-Party aus dem Jahre 1972. Für einen Abend warf man im ehrfürchtigen Familiensitz Château de Ferrières getrost jeden Realitätssinn über Bord und ergab sich ganz der hypnotischen Bannkraft des Surrealismus, der als Motto des Abends herhielt.

Die Einladung war in Spiegelschrift gehalten und als Dresscode schrieb die Gastgeberin Marie-Hélène de Rothschild „surrealistische Köpfe“ vor, was sich in durchaus gruseligen Häuptern, etwa einer über den Kopf gestülpten Elchkopfmaske manifestierte. Insgesamt mutet die Festivität aus heutiger Sicht ein wenig angsteinflößend ein: Das Schloss war blutrot beleuchtet, die Diener waren als Katzen verkleidet und die Tischdekos (Babypuppen oder sich aufbäumende Schildkröten) wirkten wie die Fieberträume eines, sagen wir – Salvador Dalí. Dem wird es wohl gefallen haben – wie berühmte Gäste wie Audrey Hepburn war auch der surrealistische Malerfürst zu Gast.

Monarchenfleisch und Masken

Dalí liebte ja das Spektakel und war selbst ein meisterhafter Gastgeber. Die opulenten Dinnerpartys des Malers und seiner Frau waren legendär, als Kind wollte Dalí Koch werden, seine Faszination für Essen war riesig; einmal plante er, einen Tisch aus hart gekochten Eiern zu bauen, nur um ihn danach zu essen. Bei seinen Festen mussten die Gäste wie bei Rothschilds Masken tragen, wilde Tiere liefen herum, und die besten Köche der Welt fertigten Gerichte wie Flusskrebsbusch in Wikingerkräutern nach Rezepten aus Kategorien wie „Nächtliche Gelüste“ oder „Monarchenfleisch“.

Truman Capote hingegen trug bloß eine einzige Party aus – die gilt dafür gemeinhin als „Party des Jahrhunderts“. Auch hier handelte es sich um einen Maskenball, wir sehen, ein wiederkehrendes Thema bei unmoralisch reichen Gastgebern und legendären Partys. Es mag die Lust am Spiel mit den Identitäten sein, die dahintersteckt; einmal ein anderer zu sein, ein sonst unerfüllbarer Wunsch, wenn sich hinter der Maske ein Prominenter verbirgt. Zudem illustriert eine prachtvolle Kostümierung ein exzellentes Fest auch für die Öffentlichkeit, und ein gewisses erotisches Prickeln provoziert es sowieso. 

„Party des Jahrhunderts“: Schriftsteller Truman Capote bat 1966 zum Maskenball. Wer wichtig war, war dabei – etwa Frank Sinatra, Norman Mailer oder Lauren Bacall

©Penske Media via Getty Images/Fairchild Archive/Getty Images

1966 jedenfalls lud der Autor ins New Yorker Plaza Hotel zum Black and White Ball. Am Gipfel des Hypes um Capotes Buch „Kaltblütig“ kamen Frank Sinatra und Mia Farrow, Lauren Bacall, Norman Mailer, Andy Warhol, der Herzog von Windsor und sogar eine italienische Prinzessin. Mehr Glamour geht nicht. Aber auch seinen Portier hatte Capote eingeladen. Der Literat wusste: Ein Mix unterschiedlicher Gäste kann die entscheidende Zutat einer gelingenden Sause sein.

Ratpack und Riviera

Dennoch bleibt die Prominenz der Gäste das wohl wichtigste Element. Wer kommt?! Die Antwort ist der Gradmesser jeder Party-Hitparade. Wer ist der Reichste oder Klügste? Wessen Schönheit sorgt für weiche Knie? Wer ist der schillerndste Geladene? Beim Farralone-Haus von Frank Sinatra mit Blick über die Hügel von Los Angeles wusste jeder: Hier feierte das Ratpack – und mitunter John F. Kennedy und Marilyn Monroe. 

Auch den Einladungen von Medienmogul William Randolph Hearst und seiner Geliebten, dem Filmstar Marion Davies, auf ihr Schloss folgten in den Zwanzigern allerhand Kapazunder. Im Hearst Castle stiegen Mottopartys, Maskenbälle (schon wieder) oder Konzerte, bei denen sich Charlie Chaplin, Clark Gable oder Bette Davis vergnügten.

Mit einer ziemlich unschlagbaren Gästeliste konnten auch Gerald und Sara Murphy auftrumpfen. Ob sich heute noch jemand ihrer Namen erinnert, verglichen mit den mächtigen Hearsts? Verdient hätten sie es, geniale Gastgeber, die sie in den Zwanzigern waren. Der reiche Firmenerbe und Maler aus Boston und seine ebenso wohlhabende Frau waren an die französische Riviera gezogen, wo sie aufsehenerregende Partys feierten und die „Lost Generation“ unterhielten. 

Zu ihren Gästen in der Villa America in Cap d’Antibes zählten neben Ernest Hemingway oder John Dos Passos auch Picasso und Jean Cocteau. Alle liebten das Paar – Picasso malte fünf Porträts von Sara; und F. Scott Fitzgerald, der mit seiner Zelda zu den engen Freunden der Murphys zählte, setzte ihnen mit den Figuren Nicole und Dick Diver im großartigen Roman „Zärtlich ist die Nacht“ ein literarisches Denkmal. Damit gelang Scott das vielleicht schwierigste Kompliment: Seine Gastgeber zu ehren – und die Flüchtigkeit langer Nächte manifest werden zu lassen.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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