Im Rausch der Sinne: Blütengemälde in der Kunsthalle München

Frühlingsgefühle? In München läuft eine Ausstellung, die mit einer Fülle an Blütenpracht unsere Sehnsucht nach Farbe erfüllt. Wir zeigen einige der fantastischen Exponate – und gehen der Faszination der Blüte auf den Grund.

Verschwenderische Pracht, betörender Duft – lebendige Kraft. Denn egal ob im üppigen Rosengarten, an Bahngleis-Gstetten im Niemandsland des Stadtrands oder zwischen Felsritzen an unzugänglichen Klippen: Blumen sind das farbenprächtige Sinnbild der aus dem Winterschlaf erwachten Welt.

Der Frühling lässt uns träumen, sehnen, genießen.  Passend dazu zeigt die Kunsthalle München gerade jetzt eine einzigartige „Blumenschau“, mit Werken aus fast allen Epochen, Blumendarstellungen eines anonymen altägyptischen Künstlers von vor knapp 3.500 Jahren im harmonischen Nebeneinander mit dem sensationellen Bling Bling Barock des Kaliforniers Kehinde Wiley, der zeitgenössische Afroamerikaner in Posen versetzt, die an Werke alter Meister wie Carracci oder Rubens erinnern.

„Portrait of a Florentine Nobleman III“: Der Kalifornier Kehinde Wiley setzt Menschen in barocken Posen in Szene

©Kehinde Wiley. Courtesy of the artist and Stephen Friedman Gallery, London

Nicht fehlen darf in einem derart schwelgerischen Zusammenhang natürlich der große Sir Lawrence Alma-Tadema, für die Münchner Ausstellung wurde sein „Die Rosen des Heliogabalus“ ausgewählt, in dem ein Meer aus Rosenblüten eine antike römische Festgesellschaft förmlich unter sich begräbt. Wobei dieses Bad in Blütenblättern, dass der Teenage-Kaiser vor knapp 2.000 Jahren für seine Gäste veranstaltete, der Legende nach, nicht für alle Teilnehmer ein gutes Ende fand. So sollen einige unter den Rosen erstickt sein. So nah beieinander können Schönheit und Schrecken liegen – auch wenn die etwas makabere Geschichte frei erfunden sein dürfte.

Ein Bad im Blütenmeer? Dem Gemälde „Die Rosen des Heliogabalus“ von Sir Lawrence Alma-Tadema liegt eine Legende aus dem antiken Rom zugrunde

©Studio Sébert Photographes

Verbürgt ist dagegen tatsächlich die Praxis reicher Römer und auch einiger Kaiser, aus Öffnungen in einer Zwischendecke Blüten auf ihre Gäste regnen zu lassen.

Was der britische Präraffaelit Dante Gabriel Rossetti dazu gesagt hätte, auf einer Ausstellung gemeinsam mit Tadema, dem Meister des akademischen Realismus, vertreten zu sein? Der Schule, gegen die er und seine Mitstreiter wie John Everett Millais, William Holman Hunt, Edward Burne-Jones und später auch John William Waterhouse in konsequenter Opposition standen? Vielleicht hätte er es ja sogar mit einem Schmunzeln der Genugtuung goutiert, quasi als späte Rehabilitation, stand er doch bei allem Erfolg immer wieder auch in der Kritik, da er nie eine klassische Ausbildung absolviert hatte und ihm mancher, dem akademischen Stil zugeneigter Experte mangelnde zeichnerische und perspektivische Qualitäten vorwarf.

„Venus Verticordia“, die blütenumrankte Liebesgöttin mit Pfeil und goldenem Apfel des Präraffaeliten Dante Gabriel Rossetti, entstand zwischen 1864 und 1868

©Russell-Cotes Art Gallery & Museum

Aber so ist Rossettis „Venus Verticordia“, also die Liebesgöttin, die die „Herzen verdreht“, mit ihrer beinahe überirdischen Ausstrahlungskraft eben auch in München zu sehen. Als Modell, allerdings nur für das Gesicht, diente Rossetti übrigens Alexa Wilding, eine in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Londoner Malerkreisen heiß begehrte Schönheit – und eine seiner wenigen Musen, mit denen der Schwerenöter keine intime Beziehung pflegte.

Die Sache mit den vielen Rosen hat sowohl mythologisch wie auch historisch einen durchaus konkreten Hintergrund: Die alten Römer betrieben einen regelrechten Kult um die Rose, sie galt als Lieblingsblume der Göttin der Liebe. Dieser Kult nahm in der  Kaiserzeit derartige Ausmaße an, dass in manchen Jahren das Getreide knapp wurde, weil mehr und mehr Landwirte auf die profitablere Rosenzucht umstiegen und vor allem auch aus Ägypten lieber Rosen als Weizen importiert wurde.

„Extra-Natural 2023“ des mexikanischen Digital-Art-Stars Miguel Chevalier ist ein aktuelles Werk, mit dem er die Arbeiten seiner klassischen Vorgänger würdigt

©Miguel Chevalier, VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Nicolas Gaudelet

So wertvoll die Rosen den Römern auch waren – mit einer anderen Blume können sie nicht mithalten. Die aus der Türkei importierte Tulpe schlug im 17. Jahrhundert an den niederländischen Warenbörsen alle Rekorde. Kavaliere mit genügend Geld bezahlten satte 1.000 Gulden für eine einzige Tulpe, die dann von ihrer Dame auf einer Gala im Dekolleté getragen wurde. Damals lag das durchschnittliche Jahresgehalt bei 150 Gulden...

Im Jahr 1637 platzte dann die erste „Spekulationsblase“ der Neuzeit: Bei einer Auktion in Alkmaar gingen die Preise vollends durch die Decke, eine einzige Admirael van Enchhysen  etwa wurde für   sagenhafte 5.200 Gulden  verkauft. Zwei Tage später kam es zum totalen Preisverfall, viele Händler standen plötzlich vor dem Nichts. Im Nachhinein kann man freilich sagen: Einen schöneren Traum von Erfolg und Reichtum hat es wohl nie gegeben.

Passend: Die Dadaistin Hannah Höch nannte ihr 1942 entstandenes Werk mit Tulpen und Hyazinthen „Holland“

©Hannah Höch, VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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